04.06.2015
Christustag 2015
Trotz Kirchentag: Mehr als 13.000 Pietisten feiern einen Christustag
Stuttgart (idea) – Der Deutsche Evangelische Kirchentag in Stuttgart war am Fronleichnamstag (4. Juni) nicht das einzige große Christentreffen in Baden-Württemberg. An zwei württembergischen und fünf badischen Orten feierten mehr als 13.000 Pietisten und andere theologisch konservative Kirchenmitglieder ihren traditionellen „Christustag“. Dazu hatten sie das Motto „Gottes Wort macht klug“ gewählt, um – wie es im Einladungsprospekt hieß – dem eher offenen Leitwort des Kirchentags „… damit wir klug werden“ ein biblisches Profil zu geben. Die zahlenmäßig größte Veranstaltung mit etwa 10.000 Teilnehmern fand in der Porsche-Arena in Stuttgart statt. Dafür war die Christusbewegung „Lebendige Gemeinde“ eine Kooperation mit dem bis zum 7. Juni dauernden Kirchentag eingegangen, der die Halle an den übrigen Tagen für sein eigenes Programm benutzt. Triebkraft für die Zusammenarbeit war der württembergische Landesbischof Frank Otfried July (Stuttgart).
Christozentrische Verkündigung ist anziehend
Der am prominentesten besetzte Christustag außerhalb des Kirchentags fand im Bibelkonferenzzentrum Langensteinbacher Höhe (Karlsbad bei Karlsruhe) statt. Vor etwa 1.000 Teilnehmern nannte der Fernsehjournalist Peter Hahne (Berlin) die große Besucherzahl einen Beweis für die ungebrochene Anziehungskraft einer christozentrischen Verkündigung. Zugleich kritisierte er, dass sich Kirche und Gesellschaft zunehmend von den christlichen Wurzeln der abendländischen Kultur entfernten. Das Verdrängen des Glaubens habe zu einem dramatischen Dammbruch bei ethischen Grundfragen geführt, etwa bei Sterbehilfe, Abtreibung und Embryonenforschung: „Wir leben in einer Welt, in der alles im Überfluss vorhanden ist, nur das Wichtigste fehlt: Kompass, Maß und Mitte.“ Klug sei, „wer nach biblischem Lebensbrot statt nach religiösen Leckerbissen fragt“, sagte Hahne in Anspielung auf den Kirchentag in Stuttgart. Dort werde vieles thematisiert, „was auch bei Konferenzen des Roten Kreuzes, von Amnesty International oder Greenpeace behandelt werden könnte“. Dass im Kirchentagsprogramm zu muslimischen Mittagsgebeten eingeladen wird, kommentierte Hahne mit dem Hinweis, dass der Islam ein anderes Verständnis von Menschenrechten, von der Gleichwertigkeit von Mann und Frau sowie von der Gleichheit vor dem Gesetz habe. „Eine bindungs- und bildungslose Gesellschaft ist dabei, das christliche Tafelsilber nach Gutmenschenart zu verscherbeln“, so Hahne. Aufgabe der Kirche sei es, „biblische Eindeutigkeit statt Multi-Kulti“ zu verkünden, Menschen die Angst vor dem Tod zu nehmen und ihnen die Hoffnung auf ein seliges Sterben zu geben.
Harte Kritik von Parzany an EKD-Dokumenten
In Winterlingen bei Tübingen gab es erstmals einen ökumenischen Christustag, an dem außer dem württembergischen Altlandesbischof Gerhard Maier (Tübingen) und dem früheren Leiter der evangelistischen Bewegung ProChrist, Pfarrer Ulrich Parzany (Kassel), auch der Weihbischof der katholischen Diözese Rottenburg-Stuttgart, Thomas Maria Renz, mitwirkte. Er sprach in der Schlussversammlung ein Grußwort. Parzany warf den Leitungen evangelischer Landeskirchen vor, „mit der Bibel offensichtlich nichts am Hut zu haben“. Sie erklärten die Gebote Gottes für unwichtig und ungültig, um sich gesellschaftlichen Trends anzupassen. „In europäischen Kirchen ist Verachtung für das Wort Gottes eingezogen“, so Parzanys Analyse von zahlreichen EKD-Dokumenten und Bischofsworten. An die rund 1.200 Besucher appellierte er, die Botschaft vom gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus gegen alle Verfälschungen unbeirrt zu bezeugen, Menschen zur Bekehrung zu rufen und sie in lebendigen Gemeinden auf dem Weg der Nachfolge zu stärken. Dazu gehöre vor allem, sie mit der Bibel vertraut zu machen und sie zu ermutigen, gegen den Trend der Mehrheitsgesellschaft zu leben. In einem Seminar betonte Altlandesbischof Maier, dass die Bibel nur dann klug mache, „wenn man sie sagen lässt, was sie sagen will“. Sie weite den Horizont, indem sie zum Gebet für die ganze Welt einlade und auf das ewige Leben vorbereite. Renz nannte den ökumenischen Christustag eine „wunderbare Initiative, die uns als Christen über die Konfessionsgrenzen hinaus sicher weiter zusammenbringt als viele theologischen Erklärungen und Konsenspapiere“. Aus einem katholischen Glaubensfest – Fronleichnam – könne doch ein gemeinsamer Bekenntnistag für Jesus Christus werden, „der uns als Wort des Lebens und Brot des Lebens stärkt, nährt und heiligt“.
„Bibeltreue Kräften“ sollen sich nicht entmutigen lassen
In allen fünf badischen Christustagen wurde ein „Wort zur Orientierung“ des Vorstands der Christus-Bewegung Baden verlesen. Darin macht der Vorsitzende, Pfarrer Lothar Mößner (Schriesheim bei Heidelberg), auf zwei sexualethische Großprojekte aufmerksam: die Einführung der sogenannten Homo-Ehe und die Durchsetzung eines baden-württembergischen Aktionsplans gegen die Diskriminierung von sexuellen Minderheiten. Mößner zufolge hat die badische Kirchenleitung „sich das Thema der ‚sexuellen Vielfalt‘ auf die Fahnen geschrieben und sieht wohl erhöhten Bedarf, in diese Richtung aktiv zu werden“. Sie dulde „die öffentliche gottesdienstliche Inszenierung der Segnung von zwei homosexuellen Paaren durch badische Pfarrer“, obwohl solche Feiern mit der geltenden Ordnung nicht vereinbar seien. Mößner rät den „bibeltreuen Kräften“ in der Landeskirche, sich nicht entmutigen zu lassen. Ihre Hauptaufgabe sei, das Evangelium in Wort und Tat zu verkündigen, anstatt die Gesellschaft zu einer christlichen Ethik oder Moral bekehren zu wollen. Christen, die andere Wege wählten, solle man „loslassen im Wissen darum, dass Christus der Herr der Kirche ist und bleibt und dass jeder Mensch Gott gegenüber Rechenschaft geben muss“. Für Christen, die ein Wächteramt gegenüber der Kirchenleitung wahrzunehmen versuchten, solle man beten, ebenso für die Kirchenleitenden selbst. Auch Christen, die sich politisch engagierten, brauchten Gebetsunterstützung.
Schuhkartons für bedürftige Kinder
Bei allen Treffen wurde für die Geschenkaktion „Weisheit im Schuhkarton“ gesammelt. Die Veranstalter hatten die Besucher gebeten, Päckchen mit Kleidung, Spielsachen und Schulmaterial mitzubringen. Sie werden über den Verein „Geschenke der Hoffnung“ (Berlin) und den Missionsbund „Licht im Osten“ (Korntal bei Stuttgart) an bedürftige Kinder in Osteuropa weitergegeben. Nach Angaben des Vorsitzenden der „Lebendigen Gemeinde“, Dekan Ralf Albrecht (Nagold/Nordschwarzwald), sind mit der Aktion auch kindgerechte Broschüren und die Einladung zu Glaubenskursen verbunden: „Der Glaube an Jesus Christus bleibt nicht bei der Theorie stehen, sondern ermutigt zur praktischen Nächstenliebe.“