02.05.2002

Praxis der Praenataldiagnostik während der Schwangerschaft ist rechtswidrig

Duesseldorf (ALfA). Die derzeitige Praxis der Schwangerenvorsorge ist rechtswidrig. Zu diesem Ergebnis kommt ein zivil- und sozial-versicherungsrechtliches Rechtsgutachten, dass im Auftrag des "Netzwerkes gegen Selektion durch Praenataldiagnostik" von Prof. Dr. Robert Franke und Daniela Regenbogen von der Universitaet Bremen erstellt worden ist. In dem Gutachten zum "Schutz des Selbstbestimmungsrechts der Frau bei der Betreuung nach Mutterschafts-Richtlinien des Bundesausschusses der Aerzte und Krankenkassen" sollte geklaert werden ob die Schwangerenvorsorge in der Alltagsrealitaet dem Selbstbestimmungsrecht schwangerer Frauen und dem Diskriminierungsverbot behinderter Menschen entgegensteht.

Das aus Sicht des Netzwerkes entscheidenden Ergebnisse des Gutachtens sind die Feststellungen, dass die ausdrueckliche, informierte Zustimmung der Frau zu jeder diagnostischen Massnahme in der Schwangerenvorsorge (nicht nur vor invasiven) erforderlich ist, dass diese Einwilligung nur nach ausreichender Beratung und Aufklaerung wirksam ist, und dass die informierten Zustimmung nicht dadurch ersetzt werden kann, dass die Schwangerenvorsorge als ein "Paket" gestaltet ist und pauschal verguetet wird. Daher seien nicht die Mutterschafts-Richtlinien, wohl aber die derzeitige Praxis der Schwangerenvorsorge nach Ansicht des Gutachtens rechtswidrig. Die meisten Aerzte gingen von einer durch die Mutterschafts-Richtlinien begruendeten automatischen Abfolge der Untersuchungen aus. Bei den Frauen werde durch die routinemaessigen Ablaeufe und die Gestaltung des Mutterpasses der Eindruck erweckt, keine der darin aufgefuehrten Untersuchung ablehnen zu koennen.

Die Praenataldiagnostik (PND) sucht auch nach in der Schwangerschaft nicht behandelbaren Erkrankungen oder Behinderungen mit der moeglichen Folge der Selektion von Menschen mit auffaelliger Diagnose.

Das Gutachten staerke die Autonomie der Frau, in dem es ihr Recht auf Nichtwissen respektiert, insbesondere durch die Moeglichkeit, Untersuchungen abzulehnen, bei denen Krankheiten oder Behinderungen festgestellt werden, fuer die es keine Therapie gebe. Es schlage die explizite Feststellung in den Mutterschaftsrichtlinien vor, dass eine schwangere Frau nicht verpflichtet ist, alle angebotenen Leistungen in Anspruch zu nehmen. Dies sollte auch aus dem Mutterpass hervorgehen. Ausserdem sollte dieser einen Hinweis auf behandlungsunabhaengige Beratungsangebote und das Angebot der Vorsorge durch Hebammen enthalten, heisst es in Erklaerung des Netzwerkes.

Das Netzwerk fordert die aerztlichen Standesorganisationen und den Bundesausschuss der Aerzte und Krankenkassen auf, das Erfordernis der informierten Zustimmung vor jeder praenataldiagnostischen Massnahme in der Schwangerenvorsorge umzusetzen und Schwangerenvorsorge und Praenataldiagnostik weittestgehend zu entkoppeln. Dazu habe das Netzwerk detaillierte Vorschlaege erarbeitet, die im Rahmen der derzeit geltenden rechtlichen Vorgaben kurzfristig umsetzbar seien.

Ein Sonderheft "Rechtsgutachten" kann gegen einen Unkostenbeitrag von 5.00 Euro beim Bundesverband fuer Koerper- und Mehrfachbehinderte e.V., bestellt werden
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