26.03.2002

London: High Court entscheidet ueber Sterbehilfe

Der britische High Court hat einer 43jaehrigen Frau, die seit etwa einem Jahr vom Hals abwaerts gelaehmt ist und kuenstlich beatmet werden muss, das Recht zugesprochen, von den Aerzten die Abschaltung der sie am Leben erhaltenden Geraete zu verlangen. Das berichtet die "Berliner Morgenpost" (Ausgabe vom 23.03.)

Damit hat sich die ehemalige Sozialarbeiterin, die unter dem Pseudonym Miss B. bekannt ist, in einem international Aufsehen erregenden Rechtsstreit gegen ein namentlich nicht bekanntes Krankenhaus im Grossraum London durchgesetzt. Miss B. hatte das Gericht angerufen, nachdem sich die Aerzte, die die Chancen auf eine Verbesserung ihrer Lage auf ein Prozent beziffern, unter Berufung auf ihr Gewissen geweigert hatten, den Todeswunsch der Patientin zu erfuellen.

Wie in vielen anderen Laendern duerfen Aerzte oder Dritte in Grossbritannien keine Sterbehilfe leisten. Andererseits hat eine Person, die sich im Vollbesitz ihrer geistigen Kraefte befindet, nach englischen Gesetzen das Recht, eine medizinische Behandlung abzulehnen. So duerfen Krebskranke zum Beispiel bestimmen, dass an ihnen keine Chemotherapie durchgefuehrt wird.

Die Entscheidungsfaehigkeit war Miss B. im vergangenen August von zwei Psychiatern zuerkannt worden. Die oberste Familienrichterin Elizabeth Butler-Sloss hatte sich im Krankenzimmer selbst ein Bild gemacht. Das Urteil wuerde es Miss B. erlauben, "friedlich und in Wuerde zu sterben". Fuer einen derart schwer behinderten Menschen koenne "das Leben unter solchen Umstaenden schlimmer sein als der Tod", kommentierte Butler-Sloss den Richterspruch. Das Krankenhaus, in dem die gelaehmte Frau behandelt wird, muss nun fuer die Verfahrenskosten in Hoehe von umgerechnet 88.000 Euro aufkommen. Es erklaerte, es werde die richterliche Entscheidung akzeptieren.

Michael Wilks vom Britischen Aerrzteverband begruesste das Urteil. "Der Beschluss des Gerichts bekraeftigt die bewaehrten rechtlichen und ethischen Richtlinien, dass jeder Erwachsene im Vollbesitz seiner geistigen Kraefte das Recht hat, medizinische Behandlung abzulehnen, selbst wenn dies zu seinem Tod fuehrt."

In Grossbritannien ist es das erste Mal, dass ein Patient auf gerichtlichem Weg durchsetzt, dass die lebenserhaltenden Geraete abgeschaltet werden duerfen. In frueheren Faellen waren die Gerichte der Sichtweise der Aerzte gefolgt und hatten eine Abschaltung der Apparate untersagt.

Anders als bei Miss B. liegen die Dinge im Fall der ebenfalls voellig gelaehmten Britin Diane Pretty. Die an forschreitendem Muskelschwund leidende Frau will vor dem Europaeischen Gerichtshof fuer Menschenrechte in Strassburg erreichen, dass ihr Mann ihr beim Selbstmord behilflich ist, ohne dafuer juristisch belangt zu werden. Ende vergangenen Jahres hatte ein britisches Berufungsgericht diese Klage abgewiesen. Falls der Mann dem Wunsch der Kranken nachkommt, droht ihm ein Verfahren wegen Beihilfe zum Selbstmord. Dies kann nach britischem Recht mit bis zu 14 Jahren Gefaengnis geahndet werden.

Aktive Sterbehilfe ist innerhalb der Europaeischen Union bislang nur in den Niederlanden und in Belgien fuer straffrei erklaert worden. In anderen europaeischen Laendern war diese Regelung weitgehend auf Kritik gestossen.