27.01.2002

"Mein Bauch gehört mir" - einst und jetzt

Die Vorsitzende des Bundesverband Lebensrecht in der FAZ

"Mein Bauch gehört mir" - einst und jetzt

Die Vorsitzende des Bundesverband Lebensrecht in der FAZ

Mit einem Beitrag fuer die Frankfurter Allgemeine Zeitung (Ausgabe vom 21.01.2001 hat die Vorsitzende des Bundesverband Lebensrecht den Bogen von der Abtreibung bis zu den negativen Folgen der Gentechnik geschlagen und dabei vor die Frauen in den Blick genommen. Wir dokumentieren ungekürzt:

Mein Bauch gehoert mir

Von Claudia Kaminski

Als ich ein Maedchen war, kaempften viele meiner erwachsenen Geschlechtsgenossinnen gegen die "Unterdruecker" aus dem anderen Geschlecht. Wenn sie in Latzhosen und mit der Parole "Mein Bauch gehoert mir" durch die Strassen zogen, fehlte allerdings das Flair des Weiblichen. Die Demonstranten wirkten auf mich wie eine Parodie der Kreuzritter aus dem Geschichtsunterricht. Ich musste lachen, wenn ich sie sah. Meine Geschlechtsgenossinnen nahmen ihren Kreuzzug natuerlich ernst, todernst sogar. Das Privileg, Kinder gebaeren zu koennen, erschien ihnen als Last. Es war absurd, dass "starke Frauen" ueber "Gebaerzwang" und den "Missbrauch der Frauen als Gebaermaschinen" philosophierten, waehrend wir im Schulunterricht die Methoden der Verhuetung durchnahmen und ahnten, dass, wie die Jungfrau zum Kinde zu kommen, einmalig in der Menschheitsgeschichte war.

Spaeter, als Aerztin in der Gynaekologie, war mir nicht zum Lachen zumute. Dort waren nicht wenige schwangere Frauen, denen eine Last von den Schultern gefallen waere, wenn die Natur sie tatsaechlich zum Gebaeren gezwungen oder wenigstens ein Gesetz es ihnen verboten haette, sich all den Strapazen auszusetzen, die nun sie von sich und andere von ihnen verlangten. Manche Frauen beteten in der Stunde der Wahrheit, man moege doch einsehen, dass ihr Bauch ihnen gehoere und ein mit Kuerette und Absaugschlauch bewaffneter Arzt darin nichts zu suchen habe.

Dass die vorgeburtlichen Kindstoetungen vielfach durch die Solidargemeinschaft finanziert werden, hat den Trend, den Koerper der Frauen quasi zu vergesellschaften, weiter befoerdert. Durch die Arbeit kenne ich eine Reihe Eltern, die sich immer wieder die Frage gefallen lassen muessen, ob denn ein Kind mit Behinderung "heutzutage wirklich noetig gewesen waere". Das haette man - der Praenatalen Diagnostik sei Dank - ja nun auch vorher abklaeren koennen. "Mein Bauch gehoert mir" - nie war dieser Satz weniger wahr als heute. Und morgen?

Morgen, wenn die Schwangerschaft in immer mehr Faellen einer olympischen Disziplin gleicht, wird dieser Satz eine glatte Luege sein. Das mag auf den ersten Blick uebertrieben wirken. Und doch laesst sich nicht bestreiten, dass Kinderkriegen vielfach einem Huerdenlauf gleicht. Dass heute viele Frauen im gebaerfaehigen Alter jahrelang taeglich Hormone zu sich nehmen, die eine Schwangerschaft verhindern sollen, hat nun einmal Folgen. So ist der Prozentsatz von Frauen, die erst nach hormoneller Stimulation schwanger werden koennen, stark gestiegen. In diesen Faellen reicht es meist nicht, den Wunsch nach einem Kind dem Partner mitzuteilen; ohne Dienstleistungen der Reproduktionsmediziner wird er immer seltener Wirklichkeit.

Eizellen, die erst durch hohe Hormongaben zur Reifung gebracht werden koennen, muessen zudem staendig per Ultraschall ueberwacht werden, um den optimalen Zeitpunkt fuer die operative Entnahme nicht zu verpassen. Wie beim Huerdenlauf ist auch bei High-Tech-Schwangerschaften die richtige Zeitplanung entscheidend. Sind die entnommenen Eizellen ausserhalb des Mutterleibs befruchtet und auf die Frau uebertragen worden, brechen fuer die Hochleistungssportler wider Willen bange Tage an. Haben die Strapazen den gewuenschten Erfolg gebracht? Entwickeln sich die kuenstlich erzeugten Kinder auch wie sie sollen? Der psychische Druck ist oft hoch, so dass manche sogar die neuerlichen Untersuchungsreihen als willkommene Ablenkungen empfinden.

Entwickelt sich der Embryo wie gewuenscht, statt vorzeitig den Mutterleib zu verlassen, beginnen die Qualitaetskontrollen der sogenannten Praenatalen Diagnostik wie etwa die Amniozentese oder die Chorionzottenbiopsie. (Frauen, die mehr als 35 Jahre zaehlen, also eine "Risikoschwangerschaft" vor sich haben, erwartet ohnehin "Kontrolle pur".) Geht alles gut, gebaert die Mutter am Schluss der Produktionskette ein mit allen Pruefsiegeln versehenes Kind, von dem Eltern und Gesellschaft nicht selten erwarten, dass es sich der Muehen und Kosten, die fuer seine Geburt aufgebracht wurden, wuerdig erweist.

 

"Mein Bauch gehoert mir." Dass ich nicht lache. Moegen ihn die Frauen vor mir vor allem gegen "allzeit bereite" Maenner verteidigt haben; meine Generation und noch mehr die nachkommenden werden ihn vor allem gegen die Pharma-Industrie, die Reproduktionsmedizin und die Solidargemeinschaft verteidigen muessen.