02.04.2001

Erziehungsarbeit als Beruf anerkennen!

Das neue "Elternzeit"-Gesetz der deutschen Bundesregierung bringt neue Möglichkeiten für Mütter und Väter. FAMILY fragte den Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb, der sich seit langem familienpolitisch engagiert, nach seiner Analyse. Das Interview erscheint in der nächsten Family-Ausgabe am 21. Mai 2001.

Mit dem neuen Gesetz will die Regierung die Rahmenbedingungen der Kindererziehung verbessern und Väter und Unternehmen stärker in die Erziehung einbinden.

Hinter der Kampagne steht sicher eine gute Absicht. Ich behaupte aber bis zum Beweis des Gegenteils, daß sie von falschen Voraussetzungen ausgeht; daß nämlich erstens dem Mißverhältnis zwischen Männern und Frauen im Familienurlaub ausschließlich ein traditionelles Rollenverständnis zugrunde liegt. Es liegt eben auch am schöpfungs- und anlagebedingten fraulichen Vorsprung, daß eher Frauen als Männer den vollen Erziehungs- und Familiendienst tun. Zweitens: Daß man in der Erziehungsarbeit wertvolle soziale Kompetenz erwirbt, sollte dadurch deutlich gemacht werden, daß diese mit allen Konsequenzen als Beruf anerkannt wird. Wenn es um einen Umstieg ginge ohne damit verbundene sozial-materielle Nachteile, dann müßte man weder diesen Beruf als Mann meiden noch als Frau unbedingt verlassen. Das erst gäbe die Freiheit zur Berufswahl. Und drittens funktioniert es nicht, wenn man den Betrieben vorschreiben will, welche Qualitätsansprüche sie an Mitarbeiter stellen sollen.

Väter und Mütter können jetzt beide bis zum dritten Geburtstag des Kindes zu Hause bleiben, ohne den Anspruch auf ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Zum Wohl des Kindes?

Ich fürchte, daß diese Gesetzesänderungen die Freude an Kindern nicht stärkt, weil die Betriebe aus Gründen des Arbeitsablaufs und der wirtschaftlich ausgerichteten Planung überhaupt nicht begeistert sein werden. Aber wer stark genug ist und sich gegen die herrschende Meinung durchsetzen will, der kann sich jetzt mehr Zeit nehmen.

Die "Elternzeit" (nicht mehr "Erziehungsurlaub") kann jetzt in vier Abschnitte aufgeteilt werden, wobei das dritte Jahr zwischen dem 3. und 8. Lebensjahr genommen werden kann, wenn der Arbeitgeber zustimmt. Ein Plus für Eltern und Erziehung? Theoretisch ja, praktisch nein –- siehe oben!

In einem Betrieb mit mehr als 15 Mitarbeitern besteht grundsätzlich das Recht, die Arbeitszeit während der Elternzeit auf 15 bis 30 Stunden zu reduzieren. Gute Idee?
Ich fürchte ein Zwei-Klassen-Recht. Muß man künftig in größeren Firmen tätig sein, um diese "Vorteile" zu genießen? Familienpolitik sollte -- für alle hilfreich -- nach folgenden Kriterien ausgerichtet werden:

1. Neben der schon erwähnten Gleichberechtigung der vollzeitlichen Familientätigkeit und der Anerkennung dieser als Beruf: Bezahlung eines Familiengehalts, bei vollzeitlicher Familientätigkeit. Gegebenenfalls könnten Frauen und Männer mit halbzeitlicher Aufteilung ihr Modell wählen; damit verbunden: freie Wahlmöglichkeit zwischen häuslicher und außerhäuslicher Erwerbstätigkeit ohne sozial-materielle Nachteile.

2. Veränderung der Prioritäten in der Familienpolitik: Bisher gilt als Priorität die Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf. Priorität müßten aber die genannten Punkte haben. Dann hat die Familie die Anerkennung die sie braucht und die Kinder die Eltern, die sich Zeit nehmen können -- was zum gesunden Aufwachsen dringend nötig ist.

3. Weil das mit großen Kosten verbunden wäre, könnten zur Entlastung die Subventionen der außerhäuslichen Erziehung zugunsten der nötigen häuslichen Unterstützung gestrichen werden.