Schutzkonzept gegen religiösen Machtmissbrauch
Bad Blankenburger Leitfaden zur Entwicklung eines Schutzkonzeptes gegen religiösen Machtmissbrauch
Immer wieder erschüttern Vertrauens- und Glaubwürdigkeitskrisen unsere Gesellschaft – nicht nur in der säkularisierten Welt, sondern auch im kirchlichen und gemeindlichen Kontext. Immer, wenn Vertrauen erschüttert wird, Menschen enttäuscht werden, verbleibt „verbrannte“ Erde, deren Rekultivierung sehr kräfte- und ressourcen-zehrend sind.
Wir empfehlen daher Gemeinden und christlichen Werken ein eigenes, auf sie selbst zugeschnittenes Schutzkonzept zu entwickeln.
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Eine Unze Prävention ist so viel wert, wie ein Pfund Heilung.
Benjamin Franklin
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Funktionen eines Schutzkonzepts:
© pixabay
- Sensibilität für das Thema wecken und eine Kultur persönlicher Reflexion bei Leitungen etablieren.
- Strukturen offenlegen und somit „toxische Tendenzen“ frühzeitig erkennen. Religiöser Machtmissbrauch wird im Idealfall verhindert.
- Es liegt ein Handlungsplan für Betroffene, Beschuldigte und Leitungen vor.
Letztlich wird ein solches Konzept christlichen Gemeinschaften helfen, einen gesunden Umgang mit Macht strukturell zu fördern.
Leitfaden zur Entwicklung eines Schutzkonzeptes gegen religiösen Machtmissbrauch
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Ziel eines Schutzkonzeptes ist es, christlichen Gemeinden und Organisationen dabei zu unterstützen, sich selbst weiter zu entwickeln. Es handelt sich also nicht um ein „pfannenfertiges Rezept", sondern es stiftet zur eigenen Konzeptarbeit an. Ein Schutzkonzept hat zum Ziel, Menschen darin zu bestärken, ihre eigene Meinung zu vertreten, Grenzen zu setzen und kritikfähig zu werden. Es soll dabei auch Mitarbeitende ermutigen und bestärken, Verantwortung zu übernehmen. Mit Hilfe des vorliegenden Leitfadens zur Entwicklung eines individuellen Schutzkonzeptes soll die Entwicklung gesunder Strukturen in Gemeinden und christlichen Organisationen unterstützt werden. Gesunde Strukturen helfen religiösen Machtmissbrauch zu verhindern, indem Beschwerdestrukturen geschaffen, und Personen für die Thematik sensibilisiert werden.
Ziel ist es, bei Verdacht auf religiösen Machtmissbrauch sprach- und handlungsfähig zu sein. Auf dem Weg dorthin sind die Selbstverpflichtung aller Mitarbeitenden und Mitglieder, sowie ein Fortbildungs- und Schutzkonzept ebenso wichtig, wie die Einrichtung und Entwicklung eines Hinweisgebersystems. Hierzu braucht es die grundsätzliche Haltung und den Vorsatz, auch auf diesen Gebieten lernen und sich weiterentwickeln zu wollen. Nur so können sich Gemeinden und christliche Organisationen effektiv vor religiösem Machtmissbrauch schützen und diesem bereits in den Anfängen etwas entgegensetzen.
Hinweisgeber können eine wertvolle Informationsquelle für Organisationen sein, wenn das eigene Verhalten und Leiten zu verbessern. Sie unterstützen eine Haltung des Wachstums und Lernens auf Leitungsebene und tragen der Idee Rechnung, geistliche Gemeinschaften als „lernende Organisationen“ zu verstehen. Dabei ist Hinweisgeber „wer Informationen über wahrgenommenes Fehlverhalten in einer Organisation oder das Risiko eines solchen Verhaltens gegenüber Personen oder Stellen offenlegt, …“.[1]
Ziel ist es dabei nicht, zu einer perfekten christliche Gemeinschaft/Organisation zu werden, sondern missbräuchliche Strukturen zu erkennen und diesen effektiv entgegen zu wirken.
Und nur lernende Gemeinden und Organisationen, die sich immer weiterentwickeln, können sich effektiv vor religiösem Machtmissbrauch schützen und diesem bereits in den Anfängen etwas entgegensetzen.
[1] https://www.transparency.de/themen/hinweisgeberschutz am 15.02.2024.
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Die Organisationsforschung, das Rechtssystem und die Pädagogik zeigen elementare Säulen, um auch als geistliche Gemeinschaften zu einem guten Umgang mit Macht zu finden. Dennoch wäre es äußerst unprofessionell, wenn man es sich sparen würde, auch eigene Antworten aus der Theologie zu finden (Theologie als Auslegungswissenschaft) und wenn sich diese dann nicht in theologischen Handlungsformen (Theologie als Profession) widerspiegeln würden. Wie das aussehen kann, soll hier nur kurz exemplarisch umrissen werden. Gemeinden und Organisationen sind durch die Bibel aufgerufen, den Beitrag verschiedener Dienste im Blick auf die Reife der ihnen anvertrauten Menschen zu reflektieren:
- Inwiefern spielt das Thema „Macht" in der Lehre und der innerkirchlichen Erwachsenenbildung (Andragogik) & Pädagogik eine mündigmachende Rolle?
- Dient die pastoral-seelsorgliche Arbeit dem Zunehmen von Mündigkeit und Freiheit in Christus?
- Gibt es neben den etablierten Machtstrukturen ein Kontrollsystem mit Befugnis?[1]
- Kommen gemeindliche Systeme in konstruktiven Austausch mit anderen gemeindlichen Systemen?
- Bringen Leitungen, die ihnen anvertrauen Menschen immer wieder in einen konstruktiv-irritierenden Austausch mit Menschen außerhalb der eigenen Organisation(-skultur)?
- Abschottung einer Ortsgemeinde erhöht das Risiko von Missbrauch. Tragen die Personen mit einer leitenden, strategisch-apostolischen, über den Rand der Ortsgemeinden bzw. christlichen Organisation hinausschauenden Funktion dazu bei, dieses Risiko zu minimieren?
- Wird bei der Entwicklung der Kirchen und Gemeinden als „Leib" bzw. „Organismus" darauf geachtet, dass zwischen den Organen ein Nervensystem entsteht, indem Feedback und Stimmungen gegenseitig kommuniziert werden können? Dieses System würde in zwei Dimensionen deutlich:
- Konkrete Empfehlungen, z. B. durch eine Schutzkonzept, welche im Gemeindealltag umgesetzt werden können.
- Eine fundierte theologische Reflexion, die auch andere theologische Auslegungstraditionen reflektiert, sowie Erkenntnisse aus anderen wissenschaftlichen Traditionen berücksichtigt.
Theologische Praktiker sind daher gut beraten, auf eine fortwährende Intervision mit pastoralen Kollegen aus anderen Gemeinden und Denominationen zu achten und hier von anderen in der Profession tätigen anhand von Fall- und Themendiskussion sich selbst zu fortwährender Reflexion zu verpflichten.
Baustein 2: Verhaltenskodex/Selbstverpflichtung
Grundsätzliche Überlegungen und Ziel des Verhaltenskodex
Im Verhaltenskodex wird festgehalten zu welchem Verhalten sich die einzelnen Mitglieder und Mitarbeitenden verpflichten. Dazu zählen auch die kritische Auseinandersetzung mit Beschwerden, die Bereitschaft sich und das eigene Handeln hinterfragen zu lassen, sowie eine grundsätzliche Bereitschaft zur Korrektur.
Das Schutzkonzept soll Mitarbeitende auch ermutigen sich einzubringen, Leitungsfunktionen zu übernehmen und sie vor überzogenen Ansprüchen an ihr Handeln schützen.
[1] Schon im Alten Testament wurden Leitungen durch Priester und Propheten korrigiert. Dabei ging es sowohl um sexuelle, finanzielle oder machtmissbräuchliche Grenzüberschreitungen und Willkürakten.
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Grundsätzliche Überlegungen und Ziel des Verhaltenskodex
Im Verhaltenskodex wird festgehalten zu welchem Verhalten sich die einzelnen Mitglieder und Mitarbeitenden verpflichten. Dazu zählen auch die kritische Auseinandersetzung mit Beschwerden, die Bereitschaft sich und das eigene Handeln hinterfragen zu lassen, sowie eine grundsätzliche Bereitschaft zur Korrektur.
Das Schutzkonzept soll Mitarbeitende auch ermutigen sich einzubringen, Leitungsfunktionen zu übernehmen und sie vor überzogenen Ansprüchen an ihr Handeln schützen.
Umgang mit dem Verhaltenskodex
Der Verhaltenskodex sollte von allen Mitarbeitenden, insbesondere von solchen mit Leitungsverantwortung unterzeichnet werden.
Bereits bei der Auswahl von neuen Mitarbeitenden sollten die Selbstverpflichtung, sowie das Schutzkonzept und seine Bestandteile thematisiert werden. Es sollte darauf geachtet werden, dass der Verhaltenskodex/die Selbstverpflichtung fester Bestandteil des Arbeitsvertrages ist und dessen Unterzeichnung verpflichtend ist.
Der Verhaltenskodex sollte in Personalgesprächen wiederholend thematisiert werden.
Gerade weil christliche Gemeinden und Organisationen vom ehrenamtlichen Engagement ihrer Mitglieder und Gäste leben, sollte auch in Versammlungen von Mitgliedern und Mitarbeitenden das Schutzkonzept und seine Teile thematisiert werden.
Um zu gewährleisten, dass der Verhaltenskodex auch umgesetzt und gelebt wird, sollte er in regelmäßigen Abständen (bspw. nach jeder Neuwahl oder alle zwei bis drei Jahre) gemeinsam mit den Leitenden durchgesprochen und erneut unterzeichnet werden. Eventuell sind mit der Zeit Anpassungen der Selbstverpflichtung an die Situation vor Ort und entsprechend der Entwicklung der Organisation vorzunehmen.
Möglicher Inhalt des Verhaltenskodex
- Wohlwollend (selbst)kritischer Umgang miteinander
Der Umgang miteinander sollte in wohlwollender und selbstkritischer Art und Weise geschehen und dazu dienen, sich gegenseitig zu stärken und zu unterstützen. Die in der christlichen Organisation vor Ort geltenden und gelebten Werte sollten in Personalgesprächen wiederholend thematisiert werden.
- Weitere zu reflektierende Themen:
- Feedbackkultur: Es bedarf einer qualitativen Feedbackkultur mit regelmäßigen, anonymen und standardisierten Feedbackformen über die unterschiedlichen Hierarchieebenen hinweg. Genauso klug kann eine Kultur des gegenseitigen Feedbacks sein.
- Partizipation: Die Möglichkeit einer aktiven Mitbestimmung von Menschen sollte gegeben sein (nicht „Reich Gottes bauen für Menschen“, sondern „Reich Gottes mit Menschen erlebbar machen").
- Entscheidungsprozesse: Entscheidungsprozesse sollten transparent gestaltet und kommuniziert werden und potenziell korrigierbar sein.
- Reflexions- und Kontrollinstanzen: Praktikable Kontrollinstanzen für Leitende und Verantwortliche sollten etabliert und wahrgenommen werden (Supervision durch externe Ansprechpartner; Etablierung eines Hinweisgebersystems).
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Einführung eines Hinweisgebersystems
Die Einführung und Erklärung eines Hinweisgebersystems spielen eine wichtige Rolle, wenn es um die Selbstkontrolle der Gemeinden und christlichen Organisationen geht und darum, religiösen Missbrauch zu verhindern.
Alle Mitarbeitenden und Gäste sollten wissen, dass es eine Ansprechperson zu Thema religiösen Machtmissbrauch gibt. Diese Person, möglicherweise auch eine Person von Extern, hat das Recht kritische Fragen zu stellen und Personen in einem Klärungsprozess zu begleiten.
(Externe) Begleitung von Mitarbeitenden
Idealerweise haben Mitarbeitende in leitenden Funktionen eine regelmäßige Begleitung durch externe Personen, beispielsweise im Rahmen von Supervision.
Weiterbildung
Der Wissenstand zu religiösem Machtmissbrauch bei hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeitenden soll aufgebaut werden. Dabei gilt es, das Thema religiöser Machtmissbrauch weder zu bagatellisieren noch zu überhöhen, als ob jegliche Form geistlicher Leitung per se Machtmissbrauch wäre. Die EAD hat zur Erstinformation einen Leitfaden zum Umgang mit religiösem Machtmissbrauch herausgegeben, welcher bestellt werden kann (versand@ead.de) und der als Download verfügbar ist (https://www.ead.de/fileadmin/user_upload/EAD-Ampelpapier_2021-07-final.pdf).
- Wir empfehlen Leitungsgremien, diesen Leitfaden gemeinsam im Hinblick auf ihre Gemeinden und christlichen Werke zu besprechen.
- Ferner bietet die EAD eine kompakte Fortbildung an einem Wochenende an: Religiösem Machtmissbrauch begegnen. Die Ziele sind: Machtmissbrauch korrekt zu verstehen und handlungsfähig werden.
- Zum Thema „Religiöser Missbrauch“ gibt es inzwischen etliche Literatur. Wir nennen hier beispielhaft einige deutsche Autor/-innen:
- Butenkemper, Stephanie 2023. Toxische Gemeinschaften. Geistlichen und emotionalen Missbrauch erkennen, verhindern und heilen. Freiburg: Herder.
- Herbst, Michael & Härry, Thomas (Hg) 2022. Von der dunklen Seite der Macht. Asslar: Gerth.
- Kessler, Martina & Kessler, Volker 2017. Die Machtfalle: Machtmenschen – wie man ihnen begegnet. 5. vollständig überarbeitete Auflage. Gießen: Brunnen.
- Kessler, Martina (Hg.) 2021. Religiösen Machtmissbrauch verhindern. Gießen: Brunnen.
- Liebelt, Markus 2018. Was Macht mit Menschen macht: Offene und verborgene Machtfallen in Gemeinden. Holzgerlingen: SCM R. Brockhaus.
- Schmidt, Jana & Kessler, Martina 2023. Sie predigten und tranken Wein. Holzgerlingen: SCM Hänssler.
- Schulz, Hannah A. 2023. Durch Nebel hindurch. Aus ignatianischer Sicht geistlichen Missbrauch erkennen und überwinden. Würzurg: Echter.
- Splettstößer-Pache, Daniela 2019. Das Unfassbare begreifen: Gewalt und Missbrauch in christlichen Kreisen. Lüdenscheid: Fontis Media
- Tempelmann, Inge 2020. Geistlicher Missbrauch: Auswege aus frommer Gewalt. 6. Auflage. Holzgerlingen: SCM R. Brockhaus.
- Wagner, Doris 2019. Spiritueller Missbrauch in der katholischen Kirche. 2. Auflage. Freiburg: Herder.
Ein Teil dieser Auseinandersetzung mit dem Thema und Weiterbildung wird auch bedeuten, sich immer wieder neu mit dem eigenen Leitungsverständnis, persönlichen und kollektiven Dienstphilosophien sowie den unbewusst wirksamen „Heiligungskonzepten" und „Gemeindekulturen" innerhalb des eigenen Systems auseinanderzusetzen. Aus-Einander-Setzen ist dabei durchaus wörtlich zu verstehen: Persönliche Reflexion bedeutet ein zeitweise verordnetes Auf-Abstand-Gehen zu den handlungsleitenden inneren Motiven und Handlungsmustern.
Sensible Themenfelder die es zu reflektieren gilt:
- Mentoring & Seelsorge
Zum Wesen religiösen Machtmissbrauchs gehört, es mit einem diffusen und oft beiläufigen Geschehen zu tun zu haben. In den Bereichen von Seelsorge, Lebensberatung und Mentoring können sich leicht Manipulationen und der instrumentelle Gebrauch von Macht einschleichen, auch wenn es sich bei den Macht-Anwendenden nicht um angestellte Mitarbeitende von Gemeinden oder christlichen Organisationen handelt. Ein Bewusstsein dafür ist förderlich für die Vorbeugung von religiösem Machtmissbrauch.
- Umgang mit Kritik
Der Umgang mit Kritik ist wie ein Lackmustest für Leitende. Wird Kritik abgelehnt oder sofort an die kritisierende Person zurückgespiegelt (z. B. „Hast du auch genügend gebetet?“) oder ist die kritisierte Person in der Lage Kritik als Chance zu sehen oder zumindest darüber nachzudenken?
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Missbrauch von Macht und Amt ist in der Regel keine Einzeltäterschaft, sondern oft umgeben von einem System, welches verschiedene Formen von Missbrauch erleichtert bzw. ermöglicht. Damit eine christliche Gemeinschaft ein sicherer und vertrauenswürdiger Ort sein kann, braucht es Schutzstandards für Menschen, Strukturen und Budgets.
Das Ziel dieser Maßnahmen ist, sowohl Menschen die bereits Verantwortung tragen, als auch Menschen die bereit sind Verantwortung zu übernehmen, in ihren Aufgaben zu stärken.
Gleichzeitig braucht es initiative und begleitende Schulungs- und Aufklärungsarbeit bei Haupt- und Ehrenamtlichen, dass keine Kontrollmentalität, sondern eine konstruktive Fehlerkultur und damit verbunden eine offene Vertrauenskultur in unseren Gemeinden und christlichen Organisationen gelebt bzw. etabliert werden kann.
Ein Leitbild einer christlichen Gemeinschaft kann helfen, die eigenen Werte zu definieren und festzuhalten. Ein Wert könnte der offene Umgang mit Kritik sein, die Bereitschaft sich als christliche Gemeinschaft weiterentwickeln zu wollen und sich selbst und die eigenen Praktiken immer wieder hinterfragen zu lassen. Als Hilfe kann dazu ein Hinweisgebersystem dienen, da es Personen ermöglicht auf eventuelle Fehlentwicklungen hinzuweisen.
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Gemeinden und andere christliche Organisationen sind Orte, an denen Menschen Beziehungen pflegen, sich seelisch und geistlich öffnen und sich mit ihren Talenten auf vielfältige Weise engagieren. Die Gemeinden und christliche Organisationen stehen dadurch in einer besonderen gesellschaftlichen und ethischen Verantwortung. Gleichzeitig sind kirchliche Strukturen sowie pastorale und pädagogische Beziehungen grundsätzlich anfällig für Entgrenzungen und Übergriffe verschiedener Schweregrade. Das können sexualisierte Gewalt, religiöser oder profaner Machtmissbrauch oder auch ein leichtfertiger Umgang mit intimen Geheimnissen. Ein Hinweisgebersystem beschreibt einen strukturierten und vertraulichen Kommunikationskanal, um auf Grenzüberschreitungen in vielen Formen jederzeit nachvollziehbar hinweisen zu können. Beschäftigungsgeber mit 50 bis 249 Mitarbeitenden sind seit Ende 2023 durch die EU-Hinweisgeber-Richtlinie 2019/1937 dazu verpflichtet, ein solches System einzurichten.
Gerade im Raum der christlichen Gemeinschaften hat ein Hinweisgebersystem großes Potenzial, durch Transparenz Vertrauen zu stärken, aktuelle Grenzüberschreitungen sichtbar zu machen („Gefahr im Verzug") sowie Missbrauch begünstigende Strukturen schneller zu identifizieren und präventiv zu verändern.
Ein Hinweisgebersystem in christlichen Gemeinschaften muss eingebunden sein in transparente Prozesse, unabhängige Strukturen und eine konstruktive Fehler- und Feedbackkultur. Insbesondere die Auswahl und Schulung des Teams, welches die Hinweise bearbeitet, verdienen dabei besondere Aufmerksamkeit. Es ist mit Sicherheit keinem gedient, wenn jene, die potentiell Macht missbrauchen auch die eingehenden Hinweise sichten oder diejenigen einsetzen, die dieses Amt innehaben. In einem solchen Fall ist ein Hinweisgebersystem möglicherweise eher ein weitergehendes Kontrollorgan für die Aufrechterhaltung eines machtmissbräuchlichen Systems.
Themen für Hinweise können sein:
- sexualisierte Gewalt,
- religiöser Missbrauch und Machtmissbrauch,
- finanzielle Unregelmäßigkeiten,
- Verstöße gegen Gesetze, das Recht am eigenen Bild oder den Datenschutz.
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Christliche Gemeinden und Organisationen, die Teil eines größeren Verbandes sind, finden innerhalb der Verbände oft Unterstützung für die Formulierung eines Schutzkonzeptes. Viele Dachorganisationen bieten Gemeindeleitungen der Ortsgemeinden Räume zum Austausch und zur Reflektion des eigenen Handelns mit dem Ziel christliche Gemeinschaften zu einem sicheren und inspirierenden Raum für alle Menschen zu machen und zu erhalten.
Bei allem Vorbeugen, um religiösen Machtmissbrauch verhindern zu wollen: Kein Schutzpapier wird religiösen Machtmissbrauch gänzlich verhindern können. Dafür braucht es Wachsamkeit und Zusammenarbeit Aller im besten Sinne im Bewusstsein, dass wir vor Gott und Menschen verantwortlich sind für unser Tun.
Arbeitskreis Religiöser Machtmissbrauch der EAD
Schutzkonzept gegen religiösen Machtmissbrauch
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