23.04.2025

„Gott schenkt Barmherzigkeit, weil er uns aufblühen lassen will“

Umgang mit Fehlern und Scheitern im Fokus am zweiten Festival-Tag bei SPRING

„Wenn Vorbilder enttäuschen – von der Herausforderung mit dem Scheitern anderer umzugehen“

SPRING 2025

Doro Rabenhorst und Klaus Göttler im Gespräch mit Siegfried Winkler (v. l. n. r.) über den Umgang mit Scheitern

WILLINGEN. „Wenn Systeme so gestrickt sind, dass Widerspruch und Kritik nicht möglich oder gewünscht sind, erleichtern sie Missbrauch in welcher Form auch immer.“ Das sagte die Kinderärztin Doro Rabenhorst beim Festival SPRING am Dienstagabend in einer Gesprächsrunde zum Thema „Wenn Vorbilder enttäuschen – von der Herausforderung mit dem Scheitern anderer umzugehen“. Das Festival findet noch bis 26. April mit rund 3000 Teilnehmenden in Willingen (Upland) statt. Motto in diesem Jahr ist „Sunrise“.

Als Christin ärgere sie sich darüber, dass sie sich immer wieder rechtfertigen müsse für Verfehlungen in der katholischen und evangelischen Kirche. Problematisch sei, dass Kirche über Jahrzehnte so gebaut wurde, dass ausschließlich Männer in Leitungspositionen waren. Das habe begünstigt, dass auch Personen in Machtpositionen kamen, die das ausgenutzt haben.

Klaus Göttler, Generalsekretär des Deutschen Jugendverbands „Entschieden für Christus“ (EC), sagte, dass es ein Problem ist, wenn Leiter beratungsresistent werden: „Es ist wichtig, dass es Leute gibt, die in mein Leben reden dürfen.“ Bei Missbrauch müsse die Toleranzschwelle null sein. Aber generell müsse es möglich sein zu scheitern: „Ein Problem ist, wenn Vorbilder sich Verfehlungen leisten. Ein anderes Problem ist, dass wir manche Menschen auf einen hohen Sockel heben und glorifizieren.“ Der Umgang mit dem Scheitern sei herausfordernd: „Wenn eine Person scheitert, heißt das nicht, dass alles, was sie jemals gesagt oder getan hat, schlecht ist. Gleichzeitig rechtfertigen gute Worte oder Taten natürlich auch nicht ihre Verfehlungen.“ 

Doro Rabenhorst sagte, dass für sie der Druck hoch sei, ein Leben so zu führen, wie sie es von sich selbst erwarte: „Manchmal habe ich große Angst, selbst zu scheitern. Wenn man in einen medialen Shitstorm gerät, braucht man sich nicht mehr auf der Straße blicken zu lassen.“ Sie frage sich, ob es nicht eine neue Kultur des Scheiterns brauche – einen ehrlichen und mutigen Umgang mit eigenen Fehlern. 

 

In einer gemeinsamen Bibelarbeit sprachen Henrik Otto, Nelli Bangert und Andreas Malessa über das Thema „Sunrise – das erbarmende Licht“ und die Geschichte von Jesus und der Ehebrecherin aus dem Johannesevangelium. Auch wenn biblisch gesehen bei Ehebruch der Mann genauso zur Verantwortung gezogen werden sollte, führten die Ankläger nur die Frau vor, sagte Henrik Otto, Präses des Bundes Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland (FeG): „Dieses Machtgefälle ist leider auch heute häufig noch da.“ Den Gelehrten sei es aber nicht um das Schicksal der Frau gegangen. Sie hätten es nur auf Jesus abgesehen gehabt. Die Reaktion von Jesus habe die Menschen damals überrascht: „Er setzt ein Zeichen gegen moralische Überheblichkeit, Gesetzlichkeit und Unbarmherzigkeit. Er zeigt, dass die Würde von Menschen unantastbar ist, auch wenn sie gescheitert sind.“ Gleichzeitig entlasse Jesu Gnade nicht in die Beliebigkeit, sondern rufe zur Veränderung auf – nicht nur mit seinem Hinweis, dass es besser ist, nicht mehr zu sündigen: „Er nimmt sie an mit dem, was sie ist. Das verändert ihr Leben.“ Der Radiojournalist Andreas Malessa sagte, dass Jesus nicht nur mit der gedemütigten Frau barmherzig ist: „Er ist sogar barmherzig mit den missmutigen und intriganten Pharisäern.“ Hinter deren Anklage stecke Angst vor Subjektivismus, Relativismus und libertärer Anarchie: „Angst ist auch bei gutmeinenden Menschen kein guter Ratgeber. Der rettende Ausweg geht nur vermeintlich in die Vergangenheit.“ Auch hinter den Hassreden und der Verächtlichmachung anderer in den sozialen Medien stecke häufig dieselbe Angst. Eine Rückbesinnung auf das Alte sei aber keine Lösung: „Die Rettung ist nicht Restauration, sondern Gottes gerechte Barmherzigkeit.“ Die Autorin Nelli Bangert sagte, dass diese biblische Geschichte auch für alle hochaktuell sei, die äußerlich nicht die Ehe brechen: „Wir alle verstricken uns in sündiges Verhalten. Manchmal fühle ich Hass gegenüber anderen, bin kleinlich, misstrauisch, rede schlecht über andere und merke immer wieder, dass ich Gottes erbarmende Gnade dringend brauche.“ Jesus sehe die ganzen Baustellen unseres Lebens: „Er schenkt Barmherzigkeit, weil er großzügig ist und unser Leben aufblühen lassen will. Habe Mut, dich Gott so zu zeigen, wie du bist. Gott macht Dinge neu, wenn wir uns ihm anvertrauen.“

In der Family-Session begeisterte Sebastian Rochlitzer mit seiner Handpuppe Ulfi die Kinder. Im Abendprogramm heizten die Rapper Noah Tendai und Lorenzo Di Martino ihrem jungen Publikum ein. Arno Backhaus gab ein Feuerwerk von spritzigen und humorvollen Geschichten und Erlebnissen zum Besten. Im Willinger Brauhaus traten Wiedersprecher & Friends mit vielstimmigem Gesang und feinen Bandarrangements auf.

SPRING ist ein christliches Festival für Jung und Alt mit der Möglichkeit, aus einem vielfältigen Angebot an Impulsen, Musik, Action und Ermutigungen ein individuelles Programm zusammenzustellen. Das Festival dauert sechs Tage und findet seit 1998 immer in der Woche nach Ostern und seit 2010 in Willingen (Nordhessen) statt. Der Wunsch ist, dass Menschen auftanken können – für Körper, Kopf und Seele. SPRING will die „Familie Gottes“ zusammenkommen lassen. Deshalb ist bei SPRING jeder Mensch herzlich willkommen. Zusammen-wachsen durch Inspiration, miteinander und mit Gott – das erleben die Teilnehmenden gemeinsam. Veranstalter ist die Evangelische Allianz in Deutschland. Rund 400 Ehrenamtliche machen das Festival möglich.