07.10.2024
Chancen der Einheit von messianischen Juden und Christen
Seminar der Evangelischen Allianz in Bad Blankenburg mit Jurek Schulz
Persönliche Erkenntnisse: Bericht von Martin Vahlenkamp
Messianische Juden, das wusste ich, sind Juden, die an Jesus (der ja eigentlich Jeshua hieß) als den Messias glauben.
Ich hatte schon gelesen, dass diese zum Ev. Kirchentag nicht zugelassen werden. Wenn ich höre, dass jemand wegen seines Glaubens an Jesus von meiner Kirche, der EKD, ausgegrenzt wird, dann setzt sich das bei mir ganz besonders fest.
Die EKD verzichtet auf Judenmission und deswegen werden die messianischen Juden sehr kritisch gesehen. Man bleibe ‚zurückhaltend‘ im Umgang. Darunter versteht man offenbar auch die Nichtzulassung auf dem Kirchentag.
Der Referent nennt die Evangelische Allianz (EAD) als löbliche Ausnahme, als einzige christliche Organisation von Rang, die die in Deutschland die Glaubensüberzeugungen der messianischen Juden akzeptiert und sie als Mitglieder aufnimmt. So hat sich nach dem Massaker vom 7. Oktober in Deutschland nur die EAD eindeutig auf die Seite Israels gestellt.
Auf dem Seminar warfen wir einen Blick in die Geschichte. Es wird klar, dass die ganze Verfolgungsgeschichte im Zeichen des Kreuzes dazu führte, dass man in messianischen Kirchen kein Kreuz findet. Das kann ich nachvollziehen.
Ich hatte mir aber nie klar gemacht, dass die Juden, die zu der Überzeugung kommen, dass Jeshua der Messias ist, dies auf Grund der Studien im Alten Testament tun. Denn ein Jude studiert nicht das neue Testament. Dazu hat Jurek Schulz eine umfangreiche Zusammenstellung der Bibelstellen im Alten Testament erstellt, in denen auf das Kommen und Wirken des Messias hingewiesen wird.
Historisch sehr interessant fand ich die besondere Beziehung unserer Gegend zu den Juden: Die gemeinsame Geschichte beginnt in Germanien. Es ist nämlich kein Zufall, dass Europas ältester erhaltene jüdische Friedhof in Worms am Rhein liegt und die benachbarten Städte Mainz und Speyer von ausgeprägten jüdischen Gemeinden berichten. Die römische Legion, die 70 nach Jerusalem und den Tempel zerstörte, die Legion des Hauptmannes Titus, wurde nach diesem aus römischer Sicht erfolgreichem Feldzug mit dem Dauerstandort Mainz belohnt. Und man hatte die Sklaven aus dem Feldzug in Jerusalem mitgebracht. Daraus entstand am Rhein entlang eine jüdische Besiedlung.
Das Mittelalter war ein dunkles Kapitel der Judenverfolgung auch durch Christen.
Erst in der Zeit des Pietismus im 19 Jahrhundert entwickelte sich durch die Gründerväter des Pietismus ein neues, freundlicheres Bild der Juden in Deutschland. Man erkannte die Glaubensverwandtschaft offiziell an und Juden und Christen rückten näher zusammen. Dadurch erkannten auch viele Juden Jesus und ließen sich taufen.
Nach 1871 entstanden in Hamburg, Berlin und Leipzig Institute für Hebraistik, die von messianischen Juden gegründet und geleitet wurden. Durch Ihre Verankerung im Judentum konnten Sie viel intensiver in diesen Bereich eindringen als andere. Das waren international bekannte Institutionen, zu denen Wissenschaftler aus der ganzen Welt reisten.
Dann kam aber das Dritte Reich. Und die sogenannten ‚assimilierten Juden‘, deren Eltern bereits Christen geworden waren, machten die Erfahrung, dass sie nach den Rassegesetzen der Nationalsozialisten nach wie vor als Juden galten und dementsprechend auch verfolgt und vernichtet wurden. Und die christlichen Brüder haben wenig getan. Sie haben zugelassen, dass ihr Bruder Abel erschlagen wird.
Die Zahl der messianischen Juden betrug nach der Statistik der Nationalsozialisten in Deutschland eine halbe Million. All ihr Bemühen, sich an die deutsche Gesellschaft anzupassen, hatte ihnen nichts genützt. Sie wurden ermordet.
Aus dieser erschütternden Erfahrung trafen die einzelnen sich wieder sammelnden messianischen Christen eine Entscheidung: Sie würden nie wieder ihre Wurzeln verleugnen und sich irgendwo anbiedern.
Die selbständigen messianischen Gemeinden heute sind also eine direkte Folge der mörderischen Erfahrungen im Nationalsozialismus. Mit Ihrer Selbständigkeit ecken diese Gemeinden heute an. Aber darin liegen auch Chancen. Jurek Schulz sieht sie als Bindeglied zwischen Synagoge und Kirche. So besteht das neue Symbol der messianischen Juden aus der Menora und Ichtys verbunden durch den Davidsstern.
Martin Vahlenkamp