24.01.2024
Allianzgebetswoche 2024: Gottes Mission geht weiter - Arbeit als Gottes Idee
Steeb: Wir sind Mitarbeiter Gottes
Vortrag von Hartmut Steeb (ehem. Generalsekretär der EAD)
zum Abschluss der AGW in Lahr am 21.01.2024
Ich starte mit der provozierenden, also herausfordernden, These: Die deutsche Christenheit ist provinziell geworden! Auch wenn der Einfluss der Kirchen bei uns zurückgeht und die Mitgliederzahlen der beiden großen Kirchen unter die 50% -Marke gerutscht sind: Die meisten wissen noch, es gibt evangelische und katholische Kirchen, auch wenn der Unterschied wenig bekannt ist. Ein paar Kenner und Insider, natürlich auch solche, die sich hier heute versammeln und an den ca. 900 Orten, an denen Veranstaltungen der Evangelischen Allianzgebetswoche stattfinden, wissen, dass es daneben auch noch Freikirchen und ein paar unabhängige christliche Gemeinden und Gruppen, landeskirchliche Gemeinschaften und sogar einen AB-Verband gibt. Aber selbst die meisten hauptamtlichen Kirchenmitarbeiter bis hinauf zu den Kirchenleitern und Bischöfen wissen nicht, dass es weltweit, so sagen uns die Missionssoziologen, über 40.000 christliche Denominationen und Konfessionen gibt. Ein unübersehbares Heer von verschiedenen Gruppen. Manche stellen das dann als schöne bunte Blumenwiese dar. Das ist ein schönes buntes Bild für die Schöpfung, aber kein biblisches Bild für die Gemeinde. Die biblische Norm ist „ein Herr, ein Glaube, eine Gemeinde, eine Herde, ein Leib, eine Familie, ein Bau“.
In Johannes 17, das längste uns von Jesus übermittelte Gebet, betet Jesus „Auf dass sie alle eins seien, wie du, Vater, in mir und ich in dir, dass sie in uns seien, damit die Welt erkenne, du habest mich gesandt“. Sind die ständigen Zertrennungen und Zerklüftungen der Gemeinde Jesu, das, was er sich wünschte? Nein, ganz gewiss nicht! Jesus macht deutlich: Die Einheit der Gemeinde Jesu, das Eins-Sein der Jünger Jesu, ist existentiell wichtig. Es geht dabei um die Glaubwürdigkeit von Jesus. Darum ist Einheit keine Nebensache. Einheit ist Hauptfach in der Jüngerlehre.
Als sich 1846 vom 19. August bis 2. September in London 921 Christen aus 52 Konfessionen und Denominationen und aus 12 Nationen aus Europa und Nordamerika trafen, haben sie diese Wahrheit erkannt. Sie haben diskutiert und gebetet, Berichte aus der weltweiten Missionsarbeit und Situation der Christenheit gehört und erkannt: Wir müssen nicht mehr über die zweitrangigen Fragen streiten, wenn wir in den wesentlichen Fragen des Glaubens einig sind. Es eint uns mehr als uns trennt! Wir wollen die Einheit leben, für die Jesus gebetet hat. Denn wenn schon über unserem Beten die Verheißung der Erhörung steht, wie viel mehr ist gewiss, dass das Gebet von Jesus vom Vater natürlich erhört ist. Die Einheit ist da! Aber wir müssen das Geschenk auspacken und leben. Das ist unsere Aufgabe. Und darum haben sie die Evangelische Allianz gegründet – nicht als neue Organisation für Kirchen und Christen, als eine organisatorische Einheit; sondern als Ausdruck der organischen Einheit. Wenn wir zu Jesus gehören, wenn wir Kinder Gottes sind, dann geht es nicht anders als dass wir auch zusammengehören als Geschwister, als Glieder an seinem Körper, an seinem Leib. Wir sind eins in Jesus, gleichgültig, in welcher Glaubensherberge wir zuhause sind. Denn – auch wenn ich wenig von der reellen Wirklichkeit im Himmel weiß, ich war ja noch nicht da – darin bin ich mir doch schon sehr sicher: Im Himmel wird es keine 40.000 verschiedene Abteilungen geben, keine konfessionelle Aufteilung. Da werden wir als die eine Herde des einen Hirten beieinander sein. Und darum ist für mich die Gemeinschaft in der Evangelischen Allianz immer schon ein Stück Himmel auf Erden, das Einüben in die konfessionslose Gemeinschaft der Gotteskinder in der Himmelsgemeinschaft.
Aber was tun wir damit hier und heute? Die Gründer der Evangelischen Allianz haben erkannt, wir müssen nicht mehr nur nicht mehr miteinander streiten, sondern wir können sogar miteinander beten. Das Gebet steht nicht am Ende eines gelungenen Dialogs sondern am Anfang. Denn je näher wir zu Jesus kommen, desto näher kommen wir auch zueinander. Und darum gehörte es zu den ersten Entschlüssen dieses neuen Bundes als Priorität 1: Gemeinsames Beten! Und darum haben sie beschlossen, die erste Woche des Jahres zur Woche des Gebets auszurufen, die Allianzgebetswoche, die nun seit 1847 stattfindet und deren Abschluss wir nun heute auch hier in Lahr feiern dürfen. Aber sie haben auch noch einen anderen Beschluss gefasst, der sich leider nicht durchsetzte: Sie wollten, dass sich alle Christen an allen Orten jeden Montag zum Gebet treffen.
In diesem Jahr werden es 35 Jahre, dass das Wunder der Wiedervereinigung Deutschlands durch die Öffnung der Mauer seinen Lauf nahm. Und ich denke, dass sich alle Beobachter und Geschichtskundige darin einig sind: Dieses friedliche Wunder nahm seinen Ausgangspunkt in den sogenannten Montagsgebeten. Ja, da waren auch manche andere Kräfte unter-geschlüpft, die es nicht so mit den Gebeten hatten, sondern die in den Kirchen den offenen Diskussionsraum fanden, der sonst verweigert war. Aber ganz wesentlich waren es die Gebete der gläubigen Gemeinde, die diese friedliche Revolution beförderten. Und seither denke ich oft: Was wäre geworden und was könnte werden, wenn wir im ganzen Land und weltweit diesen Gedanken aufgenommen hätten und aufnehmen würden? Jeden Montag versammeln sich alle Christen zum gemeinsamen Gebet, weil wir doch spüren: Wir können diese Welt nicht aus menschlicher Kraft in guter Weise prägen. Aber wir haben den größten Freund an unserer Seite: Den lebendigen Gott. Zu dem dürfen wir sprechen. Dem dürfen wir alles sagen. ER versteht uns! Und IHM ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden. Darauf setzen wir. Darauf vertrauen wir. Und deshalb haben wir in dieser Woche gebetet und deshalb werden wir auch weiterhin beten. Und darum soll die Allianzgebetswoche nicht auch schon wieder das Ende des gemeinsamen Gebetes sein sondern der Beginn für das ganze Jahr. Wissen Sie, dass die Evangelische Allianz deshalb ein Gebetsheft herausgibt mit täglichen Gebetsanliegen, die uns alle täglich verbinden könnten? Dass es Vorschläge für monatliche Gebetsthemen gibt und viele Gebetsinitiativen für besondere Anliegen: Tägliche Gebetsanliegen für die Verfolgten Christen, jetzt wieder ab 11. März das „30 Tage Gebet für die islamische Welt“, an einem Novembersonntag der internationale Gebetstag für die verfolgten Christen. Und gestern Abend durfte ich in St. Georgen dabei sein, als die neue Gebetsinitiative für die „unerreichten Völker“ gestartet wurde.
Dabei wissen wir auch um das rechte Verhältnis von Beten und Tun, wie es der frühere Bischof der Württembergischen Landeskirche, Hans von Keler, so treffend formulierte: „Das Gebet ersetzt keine Tat, aber das Gebet ist eine Tat, die durch nichts anderes ersetzt werden kann.“ Wir sagen manchmal: „Da kann man nur noch beten“. Wir müssten sagen: „Da können wir als erstes Beten!“ Beten ist das unverzichtbare Tun der Christen.
Und es gibt so viele verschiedene Gebetsanliegen. Aber eines von Jesus ist uns besonders aufgetragen. Nicht nur heute gibt es den Fachkräftemangel. Den gab es schon zu Jesu Zeiten. Darum sagte er so eindringlich und eindrücklich: „Bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sende.“ Denn „die Ernte ist groß und wenig sind der Arbeiter“.
Die Evangelischen Allianzen in Deutschland, Österreich und der Schweiz haben uns für den letzten Sonntag der Gebetswoche zum Thema „Gottes Mission geht weiter“ ein Wort ans Herz gelegt, sozusagen als Parole ausgegeben, aus den sogenannten Endzeitreden von Jesus: „Sein Herr sprach zu ihm: Recht so, du guter und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude!“ (Matthäus 25,23).
Sie kennen den Kontext, den Zusammenhang? Jesus sagt, dass das Reich Gottes dem zu vergleichen sei, dass ein Gutsherr seinen Leuten Gaben gibt, die sie gebrauchen sollen, sozusagen als Handlungsbevollmächtigte Gottes in dieser Welt, so lange er ortsabwesend ist. Und Jesus hat uns am Himmelfahrtstag mit seiner menschlichen körperlichen Anwesenheit auf dieser Welt verlassen. Und so, wie er in den Himmel aufgenommen wurde, so wird er wiederkommen. Das haben die Engel den Jüngern Jesu gesagt. Das kann man in Apostelgeschichte 1 nachlesen! Und Jesus hatte ihnen als Auftrag und Verheißung mitgegeben: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“ (Matthäus 28, 18-20) und dazu „ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde“ (Apostelgeschichte 1,8).
Darum möchte ich gerne ein Dreifaches betonen:
1. Gottes Vision:
Haben Sie sich auch schon mal gefragt, warum Gott eigentlich diese Welt erschaffen hat? Warum hat er die Menschen geschaffen? Warum hat er sie so geschaffen, wie er sie geschaffen hat? Mit ihren großen Gaben? Mit ihrem sehr eigenständigen Denken? Mit der Entscheidungsfreiheit, sich auch gegen ihn zu wenden? Könnte er es sich nicht ohne uns viel gemütlicher machen?
Ich war ja in meiner beruflichen Tätigkeit sehr viel bei Sitzungen. Da konnte man manches vorwärtsbewegen. Ich schaue dankbar zurück auf Vieles, was in den vielen Jahren geworden ist. Aber Sitzungen mit christlichen Funktionären sind auch gut geeignet zur Übung in Frustrationstoleranz. Einmal kam ich etwas angefressen aus einer solchen Sitzung und sagte: „Ohne Menschen wäre alles viel einfacher!“ Ja, ganz gewiss! Ohne die Eitelkeiten und Selbstherrlichkeiten und den Eigensinn! Wenn es mir schon so ging, wie oft könnte sich das Gott schon gedacht haben? Und heute meinen ja leider nicht wenige Menschen, man könnte Probleme ohne Menschen leichter lösen. In der Generation „No future“ wird auch deshalb sogar zum Gebärstreik aufgerufen. Weniger Menschen, besseres Klima! So wird dann selbst im Öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Kanal „Funk“ für Teenies und Twens schon Sterilisation promotet. Alexander Mitscherlich hat ja vor vielen Jahren vor der vaterlosen Gesellschaft gewarnt. Wenn der nun die mutterlose und dann natürlich die kinderlose Zukunft folgt, dann gehen wir gewiss in eine schlechte Zukunft. Dann wird „No Future“ Wirklichkeit! Auch so einflussreiche Machtmenschen wie Bill Gates meinen ja auch, es gebe zu viele Menschen auf dieser Welt. Auch in UN-Organisationen und in der Europäischen Union sind diese Auffassungen stark vertreten. Darum wird so viel von Geburtenplanung – richtiger wäre ja „Geburtenverhinderungsplanung“ - geredet und von Förderung der „reproduktiven Gesundheit“ – auch ein Begriff der verhindert darüber nachzudenken, dass damit auch Abtreibungen, die Tötungen noch nicht geborener Kinder, gemeint sind. Und: Das ist viel zu wenig bekannt. Die Zahl der Abtreibungen, also der Kinder, deren Leben schon im Mutterleib beendet wird, beträgt nach Angaben der WHO jährlich 73 Millionen. Das muss man ins Verhältnis setzen. Von den bereits geborenen Menschen sterben jährlich ca. 60 Millionen. Abtreibungen sind die mit Abstand häufigste Todesursache der Welt!
Ich sage es mal zugespitzt: Nehmen wir mal an, es stimme, dass die Menschen für das schlechte Klima verantwortlich wären und wir würden dann konsequent auf die Fortpflanzung verzichten, dann hätten wir in 120 Jahren das beste Klima. Fragt sich nur: Für wen? Wer profitiert dann eigentlich davon? Sie wissen, was nach biblischem Bericht das erste Wort Gottes an die neu geschaffenen Menschen ist? Das Erste! „Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan“ (1. Mose 1,28). Und ich bin felsenfest davon überzeugt, dass der lebendige Gott, der Schöpfer dieser Welt, nicht kurzsichtig ist und nicht zu denen gehört, die nur an Heute und nicht an Morgen denken. Es mangelte ihm nicht an den Werten Natürlichkeit und Nachhaltigkeit, und er hat auch nicht aus Versehen übersehen, dass es einmal zu viele werden könnten. Nein, er hat dafür gesorgt und sorgt dafür, dass diese Welt immer und für immer ausreichend Ressourcen hat, um alle Menschen in allen Zeiten zu versorgen. Wir haben kein Kapazitätsproblem der Schöpfung sondern ein Versorgungs- und Herrschaftsproblem. Es ist genügend da für alle. Es kann genügend hergestellt werden für alle. Wir setzen nur die falschen Prioritäten.
Ich bin ja im Ruhestand. Das hat auch den Vorteil: Man muss sich nicht mehr überall beliebt machen. Ich war vor einigen Jahrzehnten schon mal bei Ihnen in Lahr. Jetzt bin ich zum zweiten Mal hier. Ich muss danach nicht mehr eingeladen werden. Und darum traue ich mir auch zu sagen: Mit den Milliarden, die wir in Zeiten der sogenannten Corona-Pandemie u.a. in die Pharma-Industrie gesteckt haben, hätten wir leicht besseres tun können. Als die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Eröffnung der Hannover-Messe 2021 davon sprach, dass die Pandemie erst zu Ende wäre, wenn der letzte weltweit geimpft sei oder ein Impfangebot hätte („Bevor nicht der Letzte geimpft ist oder ein Impfangebot bekommen hat, ist diese Pandemie nicht besiegt“) habe ich zu einem führenden Politiker aus ihrem engen Umfeld gesagt, dass ich das als sarkastisch empfinde. Es wäre doch besser, wir würden erst einmal dafür sorgen, dass alle ausreichend zu Essen hätten. Das wäre nicht teurer, aber menschlicher und wirksamer.
Warum hat sich Gott diese Menschen geschaffen? Einfach: Weil er wollte! Er wollte im Menschen ein Gegenüber, ein Partner. „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn. Und er schuf ihn als Mann und Frau“ (1. Mose 1,27). Und darum sagt der Psalmist „Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt“ (Psalm 8,6). Denn Gott hat mit dem Menschen sich keine Marionetten geschaffen, keine Spielkameraden sondern Partner mit Entscheidungsmöglichkeiten und Entscheidungsfreiheiten. Er will mit seinen Menschen Lebensgemeinschaft haben. In der wahren Erzählung vom Leben im Paradies wird von Gott berichtet, dass er am Abend mit Adam und Eva gesprochen hat. Sie waren sein Austauschpartner. Abendspaziergang mit dem lebendigen Gott. Das gönnt Gott seinen Menschen. In so enger Gemeinschaft will er mit ihnen leben. Und das ist seine Vision, seine Wunschvorstellung, seine Idee: Leben in Harmonie mit Gott, Leben in Harmonie mit der Schöpfung, Leben nach Gottes guter Ordnung! So war es am Anfang. Lesen Sie mal heute Nachmittag oder heute Abend nochmal 1. Mose 1 und 2 – Sie wissen ja, man darf auch nach dem Gottesdienst am Sonntag noch weiter in der Bibel lesen! So hat sich Gott das alles wunderbar gedacht. Und Sie wissen: Dann kam der Super-GAU der Weltgeschichte, noch mehr als der Größte Anzunehmende Unfall, die Rebellion des Menschen gegen Gott, die Missachtung seines Wortes und Gebotes. Dann wich die Harmonie der Disharmonie, der Frieden wich dem Streit, der Gemeinsinn dem Eigensinn und der Mensch stürzte ab, weil er der Versuchung des Teufels Raum gab.
Aber das hat den lebendigen Gott nicht daran gehindert, seine Vision aufrechtzuerhalten. Und so könnte man die ganze biblische Geschichte zusammenfassen als die Geschichte des den Menschen liebenden und suchenden Gottes, um ihn von der Sünde zu erlösen. Darum fing er mit Noah neu an, mit Abraham, mit Mose, mit David. Und seine Sehnsucht nach Versöhnung trieb ihn bis zum äußersten: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzig geborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben“ (Johannes 3,16). Jesus Christus hat sein Leben gegeben, damit wir wieder Frieden haben können mit dem lebendigen Gott. Das ist seine Vision. Und darum
2. Gottes Auftrag:
Selbst manche christliche Organisationen vermeiden heute das Wort „Mission“ in ihrem Namen, weil das offenbar anstößig ist. Die zutreffende Übersetzung wäre eigentlich „Auftrag“. Darum findet man insbesondere bei global arbeitenden Unternehmen heute fast überall ein „Mission-Statement“. Da bringt man klar zum Ausdruck für was man steht, welchen Auftrag man hat, welche Unternehmensziele transparent dargestellt werden. Was ist die Mission der Menschen?
Gott hat zwei große Aufträge in unser Leben gegeben. Da ist der vorhin schon erwähnte Ur-Auftrag für alle Menschen, sich zu mehren, die Erde zu füllen und dann die Erde Gottes zu bebauen und zu bewahren, sie zu beherrschen. „Herrschen“ klingt für unsere Ohren oft so negativ, verständlich nach allen Diktaturerfahrungen. Aber eigentlich ist „Herrschen“ ein positiver Ausdruck. Er lädt ein aktiv zu gestalten, zum Guten hin lenken. Und das Herrschen, das Bebauen und Bewahren meint nicht nur den Gärtner und die Land- und Forstwirtschaft, die Ökologen, Geologen, das Herstellen der Infrastruktur, die Architekten, Baumeister und die Bauhandwerker - sondern zu diesem Bebauen und Bewahren gehört mindestens genauso auch die soziale Dimension, die Gestaltung des Miteinanders in Ehe und Familie und Nachbarschaft und Gesellschaft. Es ist der Auftrag aller Menschen, in diesem Sinne auch „der Stadt Bestes“ zu suchen. Da ich bis zum Beweis des Gegenteils davon ausgehe, dass die meisten Christen auch Menschen sind, gilt dieser Ur-Auftrag aller Menschen natürlich auch für uns. Wir sollen und wir dürfen uns einbringen. Da ist unsere Mitwirkung gefragt. Und darin werden wir dann „Salz und Licht“, wie uns Jesus ja am Anfang der berühmten Bergpredigt als unser Wesen bezeichnet hat. „Ihr seid das Salz der Erde; Ihr seid das Licht der Welt!“ (Matthäus 5,13.14). Und da steht ja das manches Mal für so wirkliche demütige Menschen wie wir und auch für evangelische Ohren sehr ungewohnte: „So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (Matthäus 5,16). Es ist also überhaupt nicht schlimm, wenn wir bei den guten Taten der Liebe erwischt werden, wenn sich Menschen über unser Engagement freuen, uns als Leuchtturm in einer finsteren Welt entdecken und erst recht, wenn sie dann auch noch aufmerken, dass das alles vom Vater im Himmel kommt. Unsere guten Werke führen uns nicht zu Gott, können aber sehr wohl anderen den Heimweg zu ihm weisen!
Aber dann gibt es den anderen Auftrag, der in der Tat für uns deshalb noch wichtiger ist, weil er eben nur von uns wahrgenommen werden kann. In unserem Denken ist auch meist nur dieser vor Augen, wenn wir von der Mission reden! Das ist der Ur-Auftrag der Christen! Ja, Gott will Alle! Keiner ist ihm gleichgültig. Keiner soll verloren gehen. Paulus hat das in 1. Timotheus 2,4 noch mal tief unterstrichen: „Gott will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“ Gottes Absicht ist es, seine verlorene Menschheit zurück zu führen, wieder zu gewinnen. Schon bei der Berufung von Abraham hieß es klar „In dir sollen gesegnet werden alle Völker auf Erden.“ Er hat zwar Israel berufen, sein Heil gehört Israel. Aber schon für Israel galt, dass es das „Licht der Heiden“ (Jesaja 42,6) sein soll, also derer, die noch fern vom lebendigen Gott sind. Er möchte, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.
Jesus hat in seinen Erdentagen 12 Jünger berufen. 11 davon waren noch dabei, als er ihnen den großen Auftrag gab „Gehet hin in alle Welt und machet zu Jüngern alle Völker“ (Matthäus 28,19). Auch wenn man davon ausgeht, dass die Weltbevölkerung damals noch nicht 8 Milliarden sondern „nur“ etwa 300 Millionen umfasste, also 40% der Bevölkerung von Europa heute: Wie sollten 11 Leute das je bewerkstelligen? Der weltweite Missionsauftrag ist - menschlich gesprochen - eine Utopie, ein unerreichbares Ziel. Manche lachen über Utopien. In der Betriebswirtschaft lernt man, dass ein formuliertes Ziel erreichbar sein muss. Utopien sind nicht gefragt. Aber bei Jesus lernen wir, dass das fürs Reich Gottes nicht gilt. Er gibt Ziele vor, von denen er sogar weiß, dass sie die menschliche Kraft und Möglichkeiten übersteigen. Aber weil wir dem lebendigen Gott verbunden sind und weil wir eben nicht im eigenen Auftrag unterwegs sind, darum können wir es uns leisten, groß zu denken und Gottes Ziele ernst zu nehmen. Und dann laufen wir und eifern dem nach, so als ob es möglich wäre. Und zugleich beten wir darum, in dem Wissen, dass wir es alleine nicht schaffen können. Und – und das ist die wirklich gute Nachricht – auch gar nicht alleine schaffen müssen. Horst Waffenschmidt, zu Helmut Kohls Zeiten Staatssekretär im Innenministerium, hat es mal so schön ausgedrückt: „Im Gebet verbinden wir unsere Unmöglichkeiten mit Gottes Möglichkeiten!“ Ja, auch wenn die Aufgabe viel zu groß ist für unsere Möglichkeiten! ER kann! IHM ist nichts unmöglich.
Und die Berufung und Beauftragung der 11 bedeutet nicht den Ausschluss für alle Anderen sondern das war seine erste Auswahlmannschaft, sein erstes Team, das wiederum viele andere gewinnen sollten und dem viele andere folgten und folgen. Und mit seinen Leuten will er seinen großen Plan zu Ende bringen. Deshalb war der Missionsbefehl nicht nur den 11 Jüngern gegeben, sondern gilt allen, die in ihrer Nachfolge in seiner Nachfolge stehen. Der gilt uns. Jesus will, dass wir die Heilsbotschaft bis ans Ende der Erde tragen.
Wir – und das ist das 3. – sind Gottes Leute:
Sind Sie noch dabei? Ich sprach von Gottes Vision, von Gottes Auftrag und nun von Gottes Leute! Vor 20 Jahren haben wir als Evangelische Allianz in Deutschland eine Impulstour „EiNS“ durch Deutschland unternommen. Nein, wir waren nicht überall, nur in 8 Zentren. Zu dieser Tour hatten Jürgen Werth und Johannes Nitsch und nach seinem frühen Tod Hans-Werner Scharnowski ein Musical geschrieben und da beschrieben Sie den Weg der Jünger Jesu und die sangen kräftig „Wir sind seine Leute! Wir sind seine Familie!“ Und das bedeutet nach diesem Wort aus Matthäus 25, das wir heute als Parole haben: Wir sind seine Leute. Wir sind Gottes Arbeiter. Wir sind Gottes Mitarbeiter. Gottes Leute sind keine Faulenzer. Sie lieben die Arbeit. Manchmal habe ich bis in unsere Kreise hinein den Eindruck, dass wir ein falsches Verständnis von der Arbeit haben. Manche denken, es sei die Folge des Sündenfalls, dass wir nun arbeiten müssen und Nichts-tun sei eigentlich das Bessere, so wie ich das in einer Karikatur sah: Fragt die Frau ihren Mann, was er heute tun wolle. Antwortet er ihr: „Nichts!“ Sie: „Aber das hast du doch gestern schon getan!“ Er: „Ja, aber ich bin noch nicht fertig geworden!“
Wir ringen um die Arbeitszeit: Die einen möchten weniger arbeiten, damit sie mehr vom Leben haben. Die anderen möchten mehr arbeiten, damit sie mehr verdienen und darum dann mehr vom Leben haben. Ich denke, es ist gut daran zu erinnern: Arbeit ist nicht notwendiges Übel. Arbeit ist nicht die Folge des Sündenfalls. Arbeit ist Gottes Erfindung, Gottes Idee. Er wollte und will, dass wir die Erde und diese Welt gestalten, bebauen, bewahren. Aber wir sind ja nicht nur irgendwelche Arbeiter!
Wir sind Mitarbeiter Gottes.
Es gehört zum Vorrecht der Nachfolger Jesu, dass sie mit bauen dürfen am und im Reich des lebendigen Gottes. Und im Reich Gottes herrscht leider schon immer Fachkräftemangel. Deshalb hat Jesus seine Leute gebeten: „Darum bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sende.“ Und mit diesem Gebet um Arbeiter in Gottes Ernte, hat die Mitarbeit bereits begonnen. Freilich, wir müssen uns von einem Missverständnis freihalten. Es gibt so ein fromm klingendes, aber im Grunde wirklich unheiliges Verständnis, als ob der lebendige Gott auf uns und unser Mittun angewiesen wäre. Da wird dann gesagt: „Gott hat keine Hände. Nur unsere. Gott hat keine Füße. Nur unsere.“ Aber das ist glücklicherweise grottenfalsch und eine totale Selbstüberschätzung, das ist Arroganz! Nein, der lebendige Gott kann aus Steinen Kinder erwecken. Er braucht uns nicht – aber er will uns dabei haben an seinem Bau. Wie soll man das verstehen?
Ich habe es am deutlichsten verstanden als unsere Kinder klein waren und erlebe es jetzt wieder bei unseren Enkeln. Sie wissen ja, die Eineinhalb-Jährigen, die Zweijährigen, die Dreijährigen, die sind besonders eifrig, wenn es darum geht, Mama oder Papa zu helfen. Und wenn Sie dann gelobt werden über ihrer guten Arbeit strahlen sie. Es ist zwar so, dass man sagen könnte: „Wenn sie mir nicht helfen würden, wäre ich schon lange fertig“, aber man lässt sie um ihretwillen gerne mit anpacken. Es tut ihnen gut. Und sie lernen dabei. Es ist eigentlich nur schade, dass dieser Drang zur Mitarbeit so rasch vergeht! Aber so ist es mit uns: Wir sind wie die kleinen Kinder, die der erhabene Gott gerne beteiligt. Nicht, weil er uns braucht, sondern weil es für uns nichts Größeres gibt, als mit zu sehen und mit zu helfen, wenn Gott am Werk ist. Wir dürfen mitarbeiten am Bau des Reiches Gottes! Das ist herrlich! Und nun weist uns dieses Wort für den heutigen Tag aber auch darauf hin, dass es freilich auch darauf ankommt, es wirklich zu tun. Übrigens kann die Beteiligung am Gebet für die Mitarbeiter in der Ernte auch dazu führen, dass man plötzlich aus dem Gebet heraus selbst die Berufung erfährt, zuzupacken. So hat es gestern gerade ein Missionar bei der kick-off-Veranstaltung der Gebetsinitiative für die unerreichten Volksgruppen. Er betete mit seiner Frau dafür und dann wurden sie plötzlich selbst getroffen und dorthin ausgesandt.
In Apostelgeschichte wird den Jüngern gesagt, dass sie seine Zeugen sein sollen. Und es fängt an in Jerusalem und geht dann weiter nach Galiläa und bis ans Ende der Welt. Die Mitwirkung am Missionsauftrag beginnt in unserer allernächsten Umgebung, in der Familie, in der Nachbarschaft. Seit ich im Ruhestand bin, bete ich viel mehr für meine Nachbarn um mich her. Aber es tut sich so wenig. Bisher. Aber: Und das ist mir zum Schluss noch sehr wichtig: Wir haben eine große Vision, nämlich Gottes Vision, dass alle Menschen gerettet werden und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Wir haben eine große Mission, eine Aufgabe. Wir sind als seine Leute begabt. Aber wir können nicht für den Erfolg garantieren. Darum arbeiten Christen nicht erfolgsorientiert sondern verheißungsorientiert und gehorsamsorientiert. Unser Wort macht uns klar: Es kommt auf die Treue an, auf die Verlässlichkeit, auf die Entschiedenheit an. Wir bleiben Gott treu. Wir bleiben seinem Wort treu, auch wenn es scheinbar nicht in unsere Welt passt. Wir passen uns nicht dem Mainstream an. Nicht die Zustimmung von Menschen tut Not, sondern das JA Gottes.
Hartmut Steeb (ehem. Generalsekretär der EAD)
21.01.2024
Hartmut Steeb
© Klaus-Ulrich Ruof