03.04.2024
Sprachfähig?
Dr. Reinhardt Schink: Verständliche Zeugen der Hoffnung sein
Verständliche Zeugen der Hoffnung sein
Dr. Reinhardt Schink
© Christian Hoenig
„Seid immer darauf vorbereitet, jedem eine klare Antwort zu geben, der von euch eine Begründung einfordert für die Hoffnung, die ihr in euch tragt!“ 1. Petrus 3,15 nach „Das Buch“
[EiNS] Spätestens seit der Titanic wissen wir, dass das Entscheidende nicht sofort erkennbar ist, sondern im Verborgenen liegt. „Sprachfähig sein“ ist das Thema dieses Heftes. Dazu gibt es hilfreiche Tipps, aber wir bleiben nicht an der Oberfläche stehen, sondern richten unseren Blick auch „unter die Wasserlinie“ des unmittelbar vor Augen Liegenden. So sind wir „immer darauf vorbereitet“, sprachfähig zu sein. Für eine „klare Antwort“ brauchen wir überzeugende Begründungen. Was „überzeugend“ und „klar“ ist, hängt dabei auch vom Kontext und der Denkwelt meines Gesprächspartners ab. Beides ist mir weitgehend verborgen. Ob eine Kommunikation gelingt oder wir „Schiffbruch“ erleiden, können wir durch unsere Bereitschaft beeinflussen, hinter das vordergründig Sichtbare zu schauen – auch wenn dies mühevoll ist. „Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“ Diese scheinbar triviale Aussage ist eine wesentliche Erkenntnis des Sprachphilosophen Ludwig Wittgenstein. Nach längerem Schweigen entgegnete ihm ein Kollege: „Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man stottern.“ Man mag über den sprachphilosophischen Disput schweigen, stottern oder lächeln und ihn als nicht relevante Elfenbein-Diskussion abtun. Die Frage aber bleibt, ob Kommunikation wirklich gelingen kann und ein gegenseitiges Verstehen möglich ist. Ludwig Wittgenstein vollzog in seinem philosophischen Denken einen radikalen Wechsel: Von der Annahme, dass bei einer klaren Definition der Begriffe das Verstehen die Regel sei, hin zu der Überzeugung, dass ein Verstehen die Ausnahme, wenn nicht sogar unmöglich sei. Dies korrespondiert mit dem Wechsel der vorherrschenden Weltsicht, die wir erleben: Die rationalistische Moderne ringt um die objektive Wahrheit. Demgegenüber geht die Postmoderne davon aus, dass es beliebig viele subjektive Wahrheiten gebe. Um sprachfähig zu sein, müssen wir die verborgene Weltsicht unseres Gesprächspartners erkennen und darauf eingehen können. Ethische Diskussionen sind teilweise von einem radikalen Konstruktivismus geprägt, der selbst die Wirklichkeit und damit auch die Identität eines Menschen als beliebiges Konstrukt postuliert. Bei der neu aufflammenden Diskussion des Lebensschutzes mit seiner Subjektivierung der Wahrheit und der Würde des Menschen hat dies nicht „nur“ für die Kommunikation dramatische Auswirkungen.
Verständliche Zeugen der Hoffnung
Wie können Christen in diesen unterschiedlichen Weltsichten sprachfähig und verständliche Zeugen der Hoffnung sein? Wie kann unser Eintreten für die Wahrheit das Denken und das Herz unseres Gesprächspartners erreichen? Je nachdem, durch welche Weltsicht er geprägt ist, werde ich unterschiedlich argumentieren, um überhaupt von ihm verstanden zu werden. Sprachfähig zu sein bedeutet somit auch, an die Gedankenwelt meines Gesprächspartners anschlussfähige Aussagen formulieren zu können. Dies gilt nicht „nur“ für evangelistische Gespräche, sondern auch für die innergemeindliche Kommunikation. Schmerzlich erleben wir, dass auch Christen sich keineswegs zwangsläufig verstehen, wenn sie nur lange genug miteinander sprechen. Ein gemeinsames Verständnis ist keine Selbstverständlichkeit. Von einem Einverständnis ganz zu schweigen. Wie gut ist es zu wissen, dass Gottes Wort selber die Kraft ist, die Herzen verändert und Wahrheit offenbart. Folgen wir der Aufforderung von Petrus, sprachfähig zu werden, um dieses lebensverändernde Wort verständlich weitersagen zu können! Und geben wir dem Heiligen Geist Raum, dass er dieses Wort lebendig macht, selbst wenn es unseren Mund nur als Stottern verlässt. Denn klar ist: Schweigen ist keine Alternative. In allem Stottern befinden wir uns mit Mose in allerbester Gesellschaft. Sein Stottern hat für den Auszug aus Ägypten gereicht. Und der Ruf Gottes in die Freiheit wurde seit damals nicht leiser. Im Gegenteil! Sprachfähig sein: Dies ist nicht trivial, aber unglaublich wichtig. Um dies zu erkennen, müssen wir keine Sprachphilosophen sein. Um es im Alltag zu sein, dürfen wir nicht ängstlich, sondern Gottes Wort gegenüber gehorsam sein.
2023/1 EiNS-Magazin
Sprachfähig?
Wie Christen heute (öffentlich) von Jesus reden können