30.06.2017
Generalsekretär: EKD-Position zur „Ehe für alle“ ist eine Katastrophe
Bundestag stimmte mit großer Mehrheit für die Öffnung der Ehe
Allianzgeneralsekretär: EKD-Position zur „Ehe für alle“ ist eine Katastrophe
Bundestag stimmte mit großer Mehrheit für die Öffnung der Ehe
Berlin (idea) – Die Kritik aus theologisch konservativen Kreisen an der Position der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in der Debatte um die sogenannte „Ehe für alle“ hält an. Ihre Leitung – der Rat – hatte am 28. Juni eine Stellungnahme veröffentlicht, in der die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften begrüßt wird. Die Bedeutung der Ehe zwischen Mann und Frau werde dadurch „keineswegs geschmälert“. Der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb (Stuttgart), hält diese Aussagen „für eine Katastrophe, die sich freilich schon lange abgezeichnet hat“. Die EKD habe sich bereits 2013 in ihrer Orientierungshilfe „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit. Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“ auf die Adjektive verbindlich, verantwortlich und verlässlich für die Beurteilung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften festgelegt. Damit seien die Begriffe Ehe und Familie entwertet worden, sagte Steeb der Evangelischen Nachrichtenagentur idea: „Es ist der EKD zu wünschen, dass sie nicht länger den Ast absägt, auf dem sie sitzt, nämlich Gottes Wort in seiner Verbindlichkeit.“ Laut dem Vorsitzenden der Konferenz Bekennender Gemeinschaften in den evangelischen Kirchen Deutschlands, Pastor Ulrich Rüß (Hamburg), steht die EKD „im Widerspruch zu Schrift und Bekenntnis“. Er kritisierte auch die Entscheidung des Bundestags. Er hatte sich am 30. Juni mit großer Mehrheit für die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften ausgesprochen. Rüß: „Der Beschluss markiert den endgültigen Verlust einer christlichen Werteorientierung in der Politik.“
Für die „Ehe für alle“ stimmten auch Peter Tauber und Ursula von der Leyen
Für den Gesetzentwurf stimmten 393 Abgeordnete, dagegen 226. Die Ja-Stimmen kamen aus den Reihen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und von der Partei „Die Linke“. Zudem votierte etwa jeder vierte CDU/CSU-Abgeordnete (75) für den Gesetzentwurf. Mit Ja stimmten aus den Reihen der Unionsparteien unter anderem der CDU-Generalsekretär Peter Tauber, der Vorsitzende des Stephanuskreises im Deutschen Bundestag, Prof. Heribert Hirte (Köln), Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die frühere Bundesfamilienministerin Kristina Schröder und ihr Ehemann, der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesinnenminister, Ole Schröder, sowie die einzige Muslima in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Cemile Giousouf (Hagen).
Viele evangelische Landeskirchen begrüßen die Bundestagsentscheidung
Zustimmung zu der Entscheidung des Bundestags kommt aus mehreren evangelischen Landeskirchen. Der Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, Ralf Meister, sagte auf idea-Anfrage, dass „Menschen nicht nur in der Ehe zwischen Mann und Frau, sondern auch in anderen Beziehungsformen in Verlässlichkeit, Verbindlichkeit und Verantwortung miteinander“ lebten. Der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche), Gerhard Ulrich (Schwerin), betonte, dass sich die Abgeordneten ihre Entscheidung nicht leicht gemacht hätten. „Es ist gerade dieses große Verantwortungsbewusstsein, das geeignet ist, Diskriminierungen in der Gesellschaft abzubauen.“ Der Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig, Christoph Meyns, hob den Einsatz der Kirche gegen Diskriminierungen hervor: „Deswegen können wir das Bemühen des Staates unterstützen, homosexuelle Paare mit Paaren von Mann und Frau rechtlich gleichzustellen.“ Der stellvertretende Schriftführer in der Bremischen Evangelischen Kirche, Bernd Kuschnerus, hat „uneingeschränkten Respekt“ für alle, die verlässlich ein gemeinsames Leben gestalteten.
Volker Jung: Lange Geschichte der Diskriminierung geht zu Ende
Die Evangelische Landeskirche in Baden teilte mit, dass es mit der „Ehe für alle“ eine verbindliche Form des Zusammenlebens gebe, die das Miteinander in der Gesellschaft stärke. Zentrales Anliegen der Kirche sei es – so der Leiter des Theologie-Dezernats in der badischen Kirchenleitung, Oberkirchenrat Matthias Kreplin (Karlsruhe), gegenüber idea –, Menschen darin zu bestärken, in Beziehungen zu leben, „die von gegenseitiger Verantwortung, Verbindlichkeit, Liebe und Treue geprägt“ seien. Laut dem hessen-nassauischen Kirchenpräsidenten Volker Jung (Darmstadt) geht nun eine „lange Geschichte der Diskriminierung zu Ende“. Unter evangelischen Kirchenleitern in Deutschland zählt Jung zu den Pionieren, die eine Gleichstellung von homosexuellen Menschen forderten. Die hessen-nassauische Kirche war 2013 die erste Gliedkirche der EKD, die die Segnung gleichgeschlechtlicher Partner mit der Trauung gleichstellte. Seit 2002 waren Segnungen von eingetragenen Partnerschaften möglich.
Bischof Abromeit kritisiert: Biblisches Eheverständnis „nicht beliebig interpretieren“
Kritik äußerte hingegen als bisher einziger der Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern der Nordkirche, Hans-Jürgen Abromeit (Greifswald). Er sieht in der „Ehe für alle“ die „Gefahr der Instrumentalisierung der Ehe, etwa um Diskriminierungen abzubauen. Die Ehe ist in der Bibel und auch in den lutherischen Bekenntnisschriften der Bund zwischen Mann und Frau mit der Perspektive, Leben weiterzugeben. Dies kann nicht beliebig interpretiert werden.“ Die Evangelische Kirche von Westfalen und die Evangelische Kirche in der Pfalz wollten sich nicht gesondert äußern, sondern verwiesen auf die Pro-Ehe-für-alle-Erklärung des Rates der EKD.