24.06.2016

Großbritannien: „Brexit“ löst gemischte Reaktionen aus

Evangelische Allianz: Abstimmung ist Beweis für die „politische Freiheit“

Großbritannien: „Brexit“ löst gemischte Reaktionen aus

Evangelische Allianz: Abstimmung ist Beweis für die „politische Freiheit“

 

London (idea) – Die Entscheidung der Briten, aus der Europäischen Union (EU) auszutreten, stößt bei Kirchenvertretern und Politikern weithin auf Bedauern, zum Teil aber auch auf Verständnis. Bei dem Referendum am 23. Juni hatten sich 51,9 Prozent der Wähler für den „Brexit“ entschieden. Die Evangelische Allianz Großbritanniens rief zur Versöhnung auf. Die Abstimmung habe tiefe Gräben quer durch das Land und die Regionen aufgerissen. Die Kampagnen seien teilweise zynisch und unehrlich gewesen. Priorität habe nun, Brücken zu bauen und die Einheit des Landes wiederherzustellen. Der Generaldirektor der Allianz, Steve Clifford (London), betonte, dass Großbritannien, auch wenn es aus der EU austrete, ein Teil von Europa bleiben werde: „Als Christen folgen wir dem Friedefürsten und sind aufgerufen, Friedensstifter zu sein.“ Das Abstimmungsergebnis sei der „Beweis für die politische Freiheit“ der Bürger. Jeder sollte Respekt und Offenheit auch für die Menschen zeigen, die bei der Abstimmung anderer Meinung gewesen seien. Die Allianz vertritt nach eigenen Angaben rund zwei Millionen evangelikale Christen.

Leiter deutschsprachiger Gemeinden: „Für Christen ist die Entscheidung schmerzhaft“

Der Senior (Leiter) der Evangelischen Synode deutscher Sprache in Großbritannien, Albrecht Köstlin-Büürma (Bristol), bedauerte gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea den Austritt: „Für Christen ist die Entscheidung schmerzhaft. Wir glauben an eine Gemeinschaft im Geist Gottes, die nationale und kulturelle Grenzen überwindet.“ Die nationalistischen Bestrebungen seien da ein Rückschritt. Der Entscheidung liege eine unchristliche Haltung zugrunde nach dem Motto „Ich komme allein besser zurecht, und die anderen sind mir egal“. Seine Gesprächspartner aus den britischen Kirchen seien ebenfalls der Meinung, dass die EU zu Recht den Friedensnobelpreis bekommen habe. Sie stehe für eine grundlegende Solidarität der Starken mit den Schwachen. Nun sei es auch die Aufgabe der deutschsprachigen Kirche, gemeinsam mit den britischen Kirchen die Trennung zu überwinden: „Christen gehören über die nationalen Grenzen hinweg zusammen. Wir sind eine Gemeinschaft, die darüber hinausgeht.“ Er habe Großbritannien in den vergangenen Monaten als gespaltene Gesellschaft erlebt. Es sei polemisch argumentiert und gehetzt worden. Der Riss sei auch quer durch die Familien gegangen. Zu den Herausforderungen für die Kirchen gehöre es nun, zur Überwindung dieser Spaltung beizutragen. In der Evangelischen Synode deutscher Sprache in Großbritannien sind 18 Gemeinden vertreten.

Vereinigte Reformierte Kirche: Für Politiker beten

Der Generalsekretär der Vereinigten Reformierten Kirche, John Proctor, rief auf, die Liebe Jesu weiterzugeben: „Wir glauben an die Gemeinschaft, die jede Grenze und jede Nation überwindet.“ Er ermunterte dazu, für die Politiker zu beten. Man werde die Kontakte zu Kirchen in anderen Ländern beibehalten. Großbritannien brauche weiterhin gute Beziehungen zu den benachbarten Staaten, so Proctor. Bereits im Vorfeld hatte sich das Oberhaupt von über 80 Millionen Anglikanern weltweit, Erzbischof Justin Welby (London), für einen Verbleib in der EU ausgesprochen. Ein Austritt werde die britische Wirtschaft schwächen und könne den Ärmsten schaden. Der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz von England und Wales, Erzbischof Vincent Kardinal Nichols (London), hatte zuvor gewarnt, dass ein Austritt das Land vor „komplexere Probleme“ stellen könnte als ein Verbleib. Der „katholische Instinkt“ sei, das Ganze im Blick zu haben. Anderer Meinung war der Erzbischof von Southwark, Peter Smith. Er beurteile die wirtschaftlichen Argumente kritisch. Den Wunsch nach immer mehr europäischer Zusammenarbeit lehnten viele Briten ab.

EKD-Ratsvorsitzender: Für ein geeintes Europa einsetzen

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm (München), sprach von einem bedauerlichen Schritt: „ Als Kirchen werden wir uns mit unserem internationalen ökumenischen Netzwerk weiter für ein geeintes und solidarisches Europa einsetzen.“ Wenn es sich bestätige, dass vor allem viele junge Menschen für den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union gestimmt haben, sei das eine besondere Verpflichtung, im Engagement nicht nachzulassen: „Für mich ist die Jugend die Hoffnung Europas.“

Kirchenpräsident Jung: Jetzt sind die Kirchen gefordert

Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung (Darmstadt), sagte, dass offenbar das Vertrauen in ein Europa verloren gegangen sei, das für ein Leben in Frieden und Freiheit, mit offenen Grenzen, Wahrung der Menschenrechte, Chancengleichheit und Solidarität stehe. Das Abstimmungsergebnis lege den Schluss nahe, „dass die gemeinsamen europäischen Werte nicht überzeugend dargestellt wurden“. Eine konstruktive Zusammenarbeit sei aber auch bei den jetzt anstehenden Austrittsverhandlungen nötig. Nun seien die Kirchen in Europa gefordert. Viele lebten den europäischen Gedanken bereits heute schon „kraft des gemeinsamen Glaubens“. Es gebe Partnerschaften über Ländergrenzen hinweg. Diese Verbindungen gelte es auszubauen.

Hans-Gert Pöttering: EU muss sich um die großen Fragen kümmern

Der Vorsitzende der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, der frühere EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering (CDU), sagte, dass sich die EU künftig um die großen Fragen kümmern müsse und nicht um jedes „Klein-Klein“, so Pöttering gegenüber dem Internetmagazin „kirchensite.de“. Sonst könnten auch andere Staaten ihre eigenen Wege gehen. Davor wolle er warnen. Nach Ansicht des Präsidenten der Paneuropa-Union Deutschland, des ehemaligen CSU-Europaabgeordneten Bernd Posselt, wurde mit dem Austritt eine „Fehlentscheidung der 1960er Jahre korrigiert, als die Europäische Gemeinschaft (EG) auf Druck der Amerikaner Großbritannien aufnehmen musste“.

Beatrix von Storch: Der 23. Juni ist der „Unabhängigkeitstag Großbritanniens“

Die stellvertretende Bundesvorsitzende der AfD, Beatrix von Storch, bezeichnete den 23. Juni als „historischen Tag“. Er sei der „Unabhängigkeitstag Großbritanniens“. Damit sei die EU als politische Union gescheitert, so von Storch, die im Europäischen Parlament sitzt. Von den 64,6 Millionen Einwohner Großbritanniens sind 45 Prozent konfessionslos, 31 Prozent Anglikaner, jeweils neun Prozent Protestanten und Katholiken sowie fünf Prozent Muslime.

Hier der Wortlaut der Statements der Evangelischen Allianz in Großbritannien.

After Leave vote the Evangelical Alliance calls for unity and reconciliation

 

After Leave vote the Evangelical Alliance calls for unity and reconciliation

In the wake of the UK voting to leave the European Union, Steve Clifford, general director of the Evangelical Alliance, has commented:

“While the UK has voted to leave the EU, the vote has exposed deep disagreement across our nations, cities and regions. The UK is not united.

“We have entered a time of enormous uncertainty, not only as we renegotiate our relationship with our European neighbours, but also as the governing Conservative party begin the process of selecting our next prime minister.

“This has to be a time to pray.

“As we look to the future the priority must be building unity and modelling reconciliation. We have taken a significant decision and in the coming years many more will need to be taken.

“Although we have chosen to leave the EU we remain part of Europe and need to remember our responsibilities to support and care for our neighbours. In the months and years to come we have to model with generosity what a difference love and friendship can make.

“As Christians we follow the Prince of Peace, and we are called to be peacemakers. This has been a bruising campaign and now is the time to take our political passions and channel them to practical action.

“The vote was the demonstration of the political freedom we enjoy, but it also exposed the fragility of our democracy. We saw participation at levels not seen for decades, but we also saw cynicalcampaigning and honesty marginalised for political gain. Our energies must now be directed towards building bridges within and between communities across the UK.

“We follow a redeemer who reconciles, and we are called to the ongoing work of reconciliation. In our churches and in our neighbourhoods we live and work alongside some who will be celebrating and others who will be disappointed. Reconciliation requires honesty and hard work, it requires that we show respect and openness to those who we disagree with. We cannot ignore the differences that this vote has exposed, but we cannot let the differences define us. Our hands of friendship must do the work that voting cannot.

“We have confidence in God who holds the nations in His hands, who is the creator of all things. We have confidence that though the pundits and pollsters may be flummoxed, God is not fazed.

“Today I am praying for the UK, I am praying for the European Union, and I am praying for Europe. I am also praying for David Cameron and his family and the Conservative party as it begins the process of selecting its next leader and the country’s prime minister. I’m praying for wisdom for our leaders as they navigate the uncertain waters that lie ahead. I am praying for comfort for those disappointed in the outcome, and I pray that we renew our commitment to work together for the good of all.” 

The Evangelical Alliance
We are the largest and oldest body representing the UK’s two million evangelical Christians. For more than 165 years, we have been bringing Christians together and helping them listen to, and be heard by, the government, media and society. We’re here to connect people for a shared mission, whether it’s celebrating the Bible, making a difference in our communities or lobbying the government for a better society. From Skye to Southampton, from Coleraine to Cardiff, we work across 79 denominations, 3,500 churches, 750 organisations and thousands of individual members. And we're not just uniting Christians within the UK – we are a founding member of the World Evangelical Alliance, a global network of more than 600 million evangelical Christians. For more information, go to www.eauk.org.