05.02.2016
Christliche Hilfswerke kritisieren weltweite Ungerechtigkeit
Die 62 reichsten Personen besitzen so viel wie die 3,6 Milliarden Ärmsten zusammen
Christliche Hilfswerke kritisieren weltweite Ungerechtigkeit
Die 62 reichsten Personen besitzen so viel wie die 3,6 Milliarden Ärmsten zusammen
Berlin/Friedrichsdorf (idea) – Scharfe Kritik an der ungerechten Verteilung von Eigentum weltweit haben christliche Initiativen und Hilfswerke geübt. Anlass war ein Bericht der Nichtregierungsorganisation Oxfam vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos Ende Januar. Demnach wird die Kluft zwischen Arm und Reich in fast jedem Land der Welt immer größer. So besaß 2015 das reichste Prozent der Weltbevölkerung – rund 70 Millionen Menschen – mehr als die restlichen 99 Prozent zusammen. Wie die Referentin der Micha-Initiative der Deutschen Evangelischen Allianz, Stefanie Linner (Berlin), der Evangelischen Nachrichtenagentur idea sagte, zeigt die Studie einen dramatischen Trend: „Soziale Ungleichheit verstärkt sich stetig und solange Menschen danach streben, ungebremst Reichtum anzuhäufen, um dadurch ihren gesellschaftlichen Status und Wert zu begründen, wird sich diese Fehlentwicklung weiter verschlimmern.“
„Unser Verständnis eines selbstverdienten Wohlstands gehört auf den Prüfstand“
Sie warnte jedoch davor, die Verantwortung für diesen Trend ausschließlich den „Superreichen“ zuzuschieben. Die Deutschen gehörten zu den wohlhabendsten zehn Prozent der Weltbevölkerung. Linner: „Solange nicht jeder Mensch auf Gottes Erde ein menschenwürdiges Leben führen kann und wir in Deutschland ein solch privilegiertes Leben führen, gehört unser eigenes Verständnis eines selbstverdienten Wohlstands und Lebensstandards auf den Prüfstand.“ Die Micha-Initiative ist eine globale Bewegung, die sich als christliche Antwort auf die Millenniumsentwicklungsziele der Vereinten Nationen versteht. Sie sahen unter anderem vor, zwischen 1990 und 2015 die weltweit extreme Armut zu halbieren, aber auch menschenwürdigere Arbeitsbedingungen zu schaffen. An ihre Stelle sind nun die Nachhaltigkeitsziele der UN getreten. In Deutschland wird die Micha-Initiative von mehr als 40 christlichen Hilfs- und Missionswerken unterstützt. Der Name erinnert an die Mahnung des alttestamentlichen Propheten Micha: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist, und was der Herr von dir fordert, nämlich Recht tun und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott“ (Micha 6,8).
„Wir alle werden künftig abgeben müssen“
Der Vorstand des christlichen Kinderhilfswerks World Vision Deutschland, Christoph Hilligen (Friedrichsdorf bei Frankfurt am Main), erklärte gegenüber idea, Reichtum verpflichte: „Wir alle werden künftig von unserem Wohlstand abgeben müssen, um das Leben aller Menschen weltweit erträglich zu machen.“ Derzeit seien rund 60 Millionen Menschen auf der Flucht – so viele wie nie zuvor: „Diese Zahlen werden weiter steigen, wenn es nicht gelingt, allen Menschen eine Perspektive zu geben.“ Armut, Krieg und unerträgliche Lebensverhältnisse seien Fluchtursachen. Es dürfe niemanden kalt lassen, wenn syrische Kinder auf der Flucht vor den Gräueltaten des Krieges erfrören oder vor Hunger stürben, wenn Kinder im Südsudan oder Kongo als Soldaten missbraucht würden oder in Kambodscha unter härtesten Bedingungen arbeiten müssten.
Eine Hauptursache: Mangelnde Besteuerung von Vermögen
Laut Oxfam-Bericht verringerte sich das Gesamtvermögen der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung in den vergangenen fünf Jahren um umgerechnet rund 900 Milliarden Euro (41 Prozent), obwohl die Bevölkerung um 400 Millionen Menschen gewachsen ist. Gleichzeitig erhöhte sich das Vermögen der reichsten 62 Personen um etwa 450 Milliarden Euro. Sie besitzen damit so viel wie die rund 3,6 Milliarden ärmsten Menschen zusammen. Ein Grund für die Entwicklung ist Oxfam zufolge die unzureichende Besteuerung von großen Vermögen und Kapitalgewinnen sowie die Verschiebung von Gewinnen in sogenannte Steueroasen. Investitionen von Unternehmen in Steuerparadiesen haben sich der Organisation zufolge zwischen 2000 und 2014 vervierfacht. Entwicklungsländern gingen dadurch jedes Jahr mindestens 90 Milliarden Euro an Steuereinnahmen verloren.