19.01.2015

Allianzgebetswoche wird vielfältiger und internationaler

Unter den 300.000 Teilnehmern sind zunehmend auch Zuwanderer

Allianzgebetswoche wird vielfältiger und internationaler

Unter den 300.000 Teilnehmern sind zunehmend auch Zuwanderer

Wetzlar (idea) – Der islamistische Terror, die Christenverfolgung in vielen Ländern, der Krieg in der Ostukraine und die Flüchtlingsproblematik – das waren zentrale Fürbitte-Anliegen der internationalen Gebetswoche der Evangelischen Allianz. Daran beteiligten sich vom 11. bis 18. Januar allein in Deutschland etwa 300.000 Christen aus verschiedenen Kirchen und Freikirchen an über 1.000 Orten, berichtete der Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz, Präses Michael Diener (Kassel). Die Veranstaltungen standen in diesem Jahr unter dem Motto „Jesus lehrt beten – das Vaterunser“. Diener begrüßte gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea, dass die Beteiligung von Zuwanderern und Flüchtlingen an der Gebetswoche leicht zugenommen habe. An mehreren Orten gestalteten sie die Programme mit. So gab es internationale Gebetsabende und -feste in Bremen, München und Nürnberg, an denen unter anderen Christen aus Afrika und Asien teilnahmen. Laut Diener werden auch die Gebetsformen vielfältiger. Beispiele seien Gebetskonzerte und -spaziergänge, bei denen die Teilnehmer an verschiedenen Stationen für ihren Ort und die politisch Verantwortlichen beten. Diener: „Wir glauben, unser Gott handelt in dieser Welt, und wir dürfen Teil davon sein.“ Nach seinen Worten hat sich gezeigt: „Lebendige Allianzen veranstalten lebendige Allianzgebetswochen.“ Wo man sich über Gemeinde- und Kirchengrenzen hinweg gegenseitig wahrnehme und nicht nur alljährlich im Januar treffe, würden die Gebetstreffen zu einem „beschenkenden Erlebnis“. Das Thema „Vaterunser“ sei als „geistlich inspirierend“ wahrgenommen worden.


Steeb: Das größte Problem ist die Gebetslosigkeit der Christen

Der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb (Stuttgart), teilte mit, dass die aktuelle politische Lage auch die Gebete bestimmt habe. So sei es um die Terroranschläge von Paris gegangen, aber auch um die Lage im Irak und in Syrien sowie in Nigeria, wo islamische Extremisten wüten. Zum Abschluss der Gebetswoche in München stimmte Steeb der Aufforderung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an die Christen zu, mehr über ihre Werte zu sprechen und die Kenntnisse über ihre Religion zu vertiefen. „Das größte Problem ist die Glaubens- und Gebetslosigkeit der Christen in unseren Tagen“, sagte der Generalsekretär vor über 400 Besuchern. Es gelte, sich auf die substanziellen Grundlagen des Glaubens zu konzentrieren und sie umzusetzen. Das sei auch das Anliegen der Evangelischen Allianz.


Was Christen islamistischem Terror entgegensetzen

Zur Terror-Problematik äußerte sich ein Mitglied des Allianz-Hauptvorstandes, der Direktor des Diakonissen-Mutterhauses Elbingerode (Harz), Pfarrer Reinhard Holmer. Er sprach vor rund 550 Besucher im Abschlussgottesdienst in Magdeburg. Im Blick auf die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) sagte er, sie versuche, ein weltweites Reich mit brutaler Grausamkeit durchzusetzen. Christen setzten dagegen mutig, trotzig und gewiss die Aussage: „Vater – Dein ist das Reich!“ Es sei ein Reich des Friedens, „in den Gott uns führt, ein Reich der Liebe, zu der wir aufgerufen sind, ein Reich der Vergebung, die uns geschenkt ist und die wir weitergeben dürfen“.

1.100 Bürger gehen für verfolgte Christen auf die Straße

In Nürnberg veranstaltete die Evangelische Allianz am Ende der Gebetswoche eine Kundgebung für verfolgte Christen. Dazu versammelten sich rund 1.100 Bürger an der örtlichen Straße für Menschenrechte. In Anlehnung an die Solidaritätsaktion für die zehn ermordeten Mitglieder des französischen Satiremagazins „Charlie Hebdo“ („Je suis Charlie“) trugen manche Teilnehmer Schilder mit der Aufschrift „Je suis Christ“ (Ich bin Christus). Andere trugen Tafeln mit den Namen von 50 Ländern, die laut dem Hilfswerk Open Doors Christen am stärksten verfolgen. Der Allianz-Vorsitzende Pastor Mathias Barthel sagte: „Andere Christen können nur davon träumen, so auf der Straße zu stehen und für Jesus Christus einzustehen.“ Hauptredner war der UN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit, Heiner Bielefeldt (Erlangen). Er bezeichnete die Grausamkeiten der IS-Kämpfer gegen Christen und Muslime als strategisch inszeniert, „um den Voyeurismus der Mediengesellschaft zu instrumentalisieren“.

Würzburg: Beten und spenden für Flüchtlinge

Die Evangelische Allianz Würzburg versammelte sich erstmals zu einem Gebetsabend im Rathaus. Der Saal, in dem sonst der Stadtrat tagt, war mit rund 200 Besuchern voll besetzt. Nach einer Ansprache von Oberbürgermeister Christian Schuchardt (CDU) beteten die Teilnehmer für städtische Anliegen, darunter die Eingliederung von Flüchtlingen. Bei einer Kollekte für ein Hilfsprojekt des örtlichen Diakonischen Werkes zugunsten minderjähriger Flüchtlinge kamen rund 1.700 Euro zusammen. In Frankfurt am Main trafen sich rund 180 Personen im Rathaus, dem Römer. Jüngster Mitwirkender war der 26-jährige Stadtverordnete und Jungsozialist Christian Hempel. Die Teilnehmer beteten unter anderem für ein gutes Miteinander von Bürgern und Politikern und einen friedlichen Verlauf der Demonstrationen der kapitalismuskritischen Blockupy-Bewegung am 18. März. Sie will die geplante Feier zur Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank (EZB) stören. Pastoren aus sieben Nationen spendeten in ihren Sprachen den Segen für die Mainmetropole.

Stuttgart: „HoffnungsHaus“ im Rotlichtviertel

In Stuttgart mahnte der dortige Allianz-Vorsitzende und CVJM-Leiter Andreas Schäffer die Christen zur Einheit. Sie solle ein Signal an die baden-württembergische Landeshauptstadt sein und sich auch Anfang Juni beim Deutschen Evangelischen Kirchentag zeigen, sagte er vor rund 300 Besuchern. Geplant ist dort ein Zentrum, in dem während des fünftägigen Protestantentreffens rund um die Uhr gebetet wird. Bei den Gebetstreffen wurde auch um Unterstützung für das geplante „HoffnungsHaus“ im Stuttgarter Rotlichtmilieu geworben. Nach Angaben des Sozialpädagogen Stefan Kuhn vom württembergischen Gemeinschaftsverband „Die Apis“ gehen in der Stadt etwa 4.000 Frauen und 300 Männer der Prostitution nach. Meist arbeiten sie unter entwürdigenden Umständen. Das HoffnungsHaus soll ein Rückzugsraum werden und Ausstiegshilfen anbieten. Vorgesehen ist, mit der Stadtverwaltung, Kirchengemeinden und anderen sozialen Einrichtungen zusammenzuarbeiten.

Weimar: Auch Katholiken und Orthodoxe mit von der Partie

Im thüringischen Weimar beteiligte sich erstmals die russisch-orthodoxe Gemeinde an der Gebetswoche. Deren Erzpriester Mihail Rahr hielt eine Predigt. Beteiligt waren ferner die Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde, die katholische Pfarrgemeinde, die Landeskirchliche Gemeinschaft, die Koreanische Evangelische Gemeinde und vier freikirchliche Gemeinden. Die Christen beteten unter anderem in der Internationalen Jugendgedenkstätte im ehemaligen KZ Buchenwald und im Deutschen Nationaltheater. Den Abschluss bildete ein Allianztag mit rund 400 Besuchern.

Neu auf die Herrlichkeit Gottes besinnen

In Hamburg versammelten sich zum Abschluss 475 Christen in der Hauptkirche St. Michaelis. Dabei warnte der Leiter der freikirchlichen Anskar Kirche, Tillmann Krüger (Hamburg), die westliche Christenheit davor, Materialismus und Egozentrik zu verfallen. Sie müsse sich vielmehr neu besinnen auf die Herrlichkeit Gottes: seine Ewigkeit, seine Macht und seinen Glanz. Christen dürften auch nicht vergessen, dass es ein Leben nach dem Tod in der Gegenwart Gottes gebe. Ein Jugendgebetsabend zählte über 300 Besucher.

Nicht nur Ich-bezogen beten

Im Bremer Dom predigte der Theologe Peter Aschoff vom Leitungskreis der Elia-Gemeinschaft in Erlangen und der „Koalition für Evangelisation“. Vor rund 560 Besuchern kritisierte er eine Mentalität, die im Gebet nur die Lösung privater Probleme erflehe – Fettpölsterchen loswerden, den richtigen Partner finden, mit der persönlichen Angst umgehen – und erst zuletzt den Weltfrieden streife. Die Botschaft von der Herrlichkeit Gottes wolle dagegen Freude für die Aufgabe schenken, die Welt zu verändern. Aschoff: „Wenn wir fröhlicher aus dieser Gebetswoche herausgehen, dann haben wir etwas richtig gemacht.“

Der Landessuperintendent (Regionalbischof) des Sprengels Ostfriesland-Ems der hannoverschen Landeskirche, Detlef Klahr, sagte zum Abschluss in Emden: „Wer betet, geht immer davon aus, dass Gott Kraft und Herrlichkeit hat, dieses Gebet auch zu erhören.“ Wer sich an Gott wende, vertraue darauf, dass sein Reich offen sei für alle Menschen: „Das schenkt besonders den Menschen Hoffnung, denen das Leben zur Hölle gemacht wird, weil Krieg, Flucht und Unterdrückung ihr Leben bedrohen.“

Die Theologin und Autorin Brunhilde Blunck (Essen) kritisierte in Velbert, dass sich Kirchenleitungen „zu sehr im Jammern über Strukturmaßnahmen und Finanzlücken“ verlören. Sie empfahl ihrer Kirche und den 550 Besuchern in der Evangelischen Kirchengemeinde Nierenhof, mehr auf das Lob Gottes zu setzen, „denn dort wo Christen fröhlich sind, kommen Menschen gerne hinzu.“

Gegen Zensuren für die Gebetspraxis

Der Direktor der Evangelistenschule Johanneum, Burkhard Weber (Wuppertal), wandte sich in Bergneustadt und Bad Oeynhausen dagegen, dass Christen untereinander Zensuren verteilen für Gebetspraxis. Wer das freie Gebet in der Gebetsgemeinschaft favorisiere, möge den Schatz gedruckter Gebete aus den Psalmen, dem Gesangbuch oder Gebetsbüchern entdecken. Wer nur das liturgisch korrekte Gebet kenne, solle die Unbefangenheit des freien Gebets schätzen lernen. Man dürfe auch nicht die Diakonie und den sozialen Auftrag der Christen vergessen: „Das ist Anbetung Gottes in der Gestalt des Handelns. Vergessen wir genauso wenig die gedankliche Auseinandersetzung mit Glaube und Bibel: Gesunde Theologie ist Anbetung Gottes im Bereich des Denkens.“