11.05.2012
Dr. Rolf Hille: Ich bin evangelikal? Wo ist das Problem?
idea Interview mit Dr.Rolf Hille
Es gibt unter Christen eine große Verunsicherung, was eigentlich evangelischen Glauben ausmacht. Bisher galten die theologisch konservativen Protestanten – die Evangelikalen – als Verteidiger einer bibeltreuen Theologie. Doch seit sie häufig in den Medien kritisiert werden, wollen manche nicht mehr „evangelikal“ genannt werden. Zu diesem Thema ein Interview mit dem Vorsitzenden des Arbeitskreises für evangelikale Theologie, Dr. Rolf Hille (Heilbronn). Er war 1996–2008 Vorsitzender der Theologischen Kommission der Weltweiten Evangelischen Allianz und bis 2009 Rektor des Albrecht-Bengel-Hauses in Tübingen.
idea: Herr Dr. Hille, ich möchte mit Ihnen über etwas sprechen, das anscheinend kaum noch jemanden interessiert: über Theologie.
Rolf Hille: Theologie ist einmal die Leitwissenschaft gewesen. Sie war für alle Bereiche des Lebens bestimmend. Das ist heute nicht mehr so. Dennoch ist Theologie für den christlichen Glauben elementar. In keiner anderen Religion der Welt spielen Lehre und Wort eine so große Rolle: Im Islam ist nicht die Theologie, sondern die Rechtswissenschaft – die Scharia – bestimmend; im Buddhismus die Meditation; im Hinduismus sind es die Riten und Traditionen. Dagegen ist im christlichen Glauben die Klarheit und Verständlichkeit der Botschaft – die Heilige Schrift – entscheidend.
In der Theologie ist aber kaum noch etwas klar und verständlich. Die Theologen scheinen sich nur noch über wenig einig zu sein.
Das gilt auch für andere Berufsgruppen: „Zwei Ärzte, drei Meinungen“, sagt man. Sicherlich gibt es in der Theologie teilweise große inhaltliche Gegensätze. Aber unter Christen besteht die Grundüberzeugung, dass die Bibel in den entscheidenden Wahrheiten eine klare Linie vorgibt.
Gott kontra Evolution?
Nehmen wir etwa das Apostolische Glaubensbekenntnis: Jede Aussage steht heute infrage! Es fängt an mit: „Ich glaube an Gott … den Schöpfer des Himmels und der Erde“ – ein Widerspruch zur Evolutionstheorie?
Es gibt heute viele Theologen, die davon ausgehen, dass Gott die Welt über einen langen Zeitraum durch Evolution geschaffen hat. Dagegen gibt es allerdings einen biblischen Einwand: Wenn Gott die Welt durch Evolution geschaffen hat, dann hat er sie schlecht geschaffen – dann hätte er den Kampf ums Überleben und das Töten von vornherein in sein Schöpfungshandeln einbezogen.
Nach Meinung der meisten Naturwissenschaftler ist die Indizienlage zugunsten der Evolutionstheorie allerdings erdrückend.
Das ist ein Problem, das ich als Theologe eingestehen muss. Zwar weisen manche Christen darauf hin, dass es bisher keinen Nachweis dafür gibt, dass es die sogenannte „Makroevolution“ gegeben hat – also die Entwicklung von einer Gattung von Lebewesen zu einer anderen. Andererseits können die Forschungsergebnisse von Vertretern der Evolutionstheorie auch nicht einfach vom Tisch gewischt werden. Deshalb braucht hier der Glaube einen langen Atem. Dies galt schon in der Vergangenheit: Zum Beispiel ging man im 19. Jahrhundert davon aus, dass die Welt allein durch Ursache-Wirkungs-Mechanismen zu erklären ist. Erst im 20. Jahrhundert haben Albert Einstein (1879–1955) mit seiner Relativitätstheorie und Quantenphysiker wie Max Planck (1858–1947) festgestellt, dass sich die Welt doch nicht so eindeutig beschreiben lässt. Deshalb bin ich gespannt, wie sich künftig manche Grundannahmen der Forschung wieder verändern.
Im Glaubensbekenntnis heißt es weiter, dass Jesus Christus von einer Jungfrau geboren wurde, dass er auferstanden und in den Himmel hinaufgefahren ist und zurückkommen wird, um Gericht zu halten – das alles sind Aussagen, die auch Theologen anzweifeln.
So klar und eindeutig wie diese Aussagen im Neuen Testament stehen, würden es tatsächlich die meisten deutschen Theologen sicher nicht verstehen wollen. Für mich ist der Wahrheitsgehalt dieser Aussagen allerdings entscheidend: Wenn Jesus Christus nicht von einer Jungfrau geboren worden wäre, würde seinem Anspruch – Gottes Sohn zu sein – eine wichtige Grundlage entzogen. Und die Auferstehung Jesu ist kein nebulöser „Verwandlungsprozess“, der nur in der Vorstellung der ersten Christen stattfand – sondern ein tatsächliches, geschichtliches und leibhaftiges Geschehen am Menschen Jesus von Nazareth.
Halten Sie auch an Christi Himmelfahrt und Jüngstem Gericht fest?
Beides gehört zum Kern der frohen Botschaft. Es drückt aus, dass Jesus Christus tatsächlich der Gott ist, der die Welt regiert, und dass er das letzte Wort hat.
Wie kann mich die Aussicht auf ein Endgericht fröhlich stimmen?
Weil damit sichergestellt ist, dass Gott Gerechtigkeit durchsetzt. Das ist für alle Opfer von Gewalt ein Trost.
Auch ein Nazi-Scherge kann auf Gnade hoffen, wenn er glaubt
Für Menschen, die schuldig geworden sind, hört sich die Ankündigung eines Gerichtstermins furchtbar an.
Die Bibel sagt allerdings auch, dass es selbst für den schlimmsten Sünder eine offene Tür zu Gott gibt: Er muss nur durch diese Tür hindurchgehen. Diesen Weg ist zum Beispiel der Apostel Paulus gegangen, der sich zuvor als fanatischer Christenverfolger schuldig gemacht hat. Wenn es für einen solchen Typen bei Gott eine Chance gibt, gibt es auch Hoffnung für alle anderen Verbrecher!
Ein Nazi-Scherge, der mit einem Gebet auf den Lippen aus dem Leben scheidet, kann also auf Gnade hoffen?
Es ist der tiefste Sinn des Kreuzes Christi, dass niemand von der Gemeinschaft mit Gott ausgeschlossen ist. Die Gerechtigkeit wird dadurch erfüllt, dass der vollkommen gerechte Christus wie ein Ungerechter für uns gestorben ist. Dadurch findet jeder, der Gottes Vergebung sucht, eine offene Tür. Auch bei einem Nazi-Verbrecher lässt Gott dann Gnade vor Recht ergehen!
Die historisch-kritische Forschung führte die Theologie in die Krise
Seit etwa 200 Jahren bestimmt die historisch-kritische Erforschung der Bibel die deutschsprachige Theologie – eine Segensgeschichte?
Ganz sicher nicht! Sie ist eher der Anfang einer tiefgreifenden Krise. So wie die historisch-kritische Forschung etwa von einem ihrer Begründer – dem evangelischen Theologen Ernst Troeltsch (1865–1923) – betrieben worden ist, hat sie einen ideologischen Hintergrund. Troeltsch ging von 3 Annahmen aus: 1. Kritik: Alle historischen Aussagen sind nur Wahrscheinlichkeitsaussagen, die dem Maßstab der menschlichen Vernunft unterworfen werden müssen. 2. Analogie: Vergangenes, gegenwärtiges und zukünftiges Geschehen sind prinzipiell gleichartig. Das, was schon immer so war, wird auch immer so sein. 3. Korrelation: Die Welt ist ein geschlossenes System von Ursache und Wirkung und lässt keine Ausnahmen zu.
Damit sind Wunder ausgeschlossen.
Deshalb handelt es sich hier um eine atheistische Methode, weil sie das Eingreifen Gottes – etwa beim Auszug Israels aus Ägypten oder bei Jesu Auferstehung – von vornherein ausschließt! Macht man sich die Prämissen von Troeltsch zu eigen – wie es in der deutschsprachigen Forschung leidet häufig geschieht –, kann nichts Segenreiches herauskommen. Historische Forschung kann allerdings auch als gründliche philologische oder archäologische Untersuchung der biblischen Berichte erfolgen. In diesem Sinne gebrauchen vor allem angelsächsische Theologen den Begriff „historisch-kritisch“. Dagegen ist nichts einzuwenden – im Gegenteil!
Liberale Theologen bezeichnen die historisch-kritische Forschung als Erfolgsgeschichte. Hinter die Erkenntnisse der Aufklärung könne man nicht mehr zurück.
Wenn ich sehe, wie das kirchliche Leben in unserem Land ausgeblutet und an den Rand der Gesellschaft gerückt ist, kann ich keine Erfolgsgeschichte darin sehen. Ich stimme dem ehemaligen EKD-Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber zu, der von der „Selbstsäkularisierung“ der evangelischen Kirchen sprach. Dazu hat leider auch die historisch-kritische Theologie beigetragen.
Der (pietistische) württembergische Altbischof Gerhard Maier hat bereits 1974 in einem Buch „Das Ende der historisch-kritischen Methode“ ausgerufen. Es ist anders gekommen: Sie dominiert bis heute das Theologiestudium.
Maier wollte damit keine prophetische Aussage machen, sondern darauf hinweisen, dass der theologische Ertrag der Bibelkritik zu einem Kollaps führt. Sein Befund ist leider richtig: Die historisch-kritische Forschung gleicht einem Hai, der seinen Fang restlos abnagt – von der Bibel bleibt nur ein Skelett übrig, für das sich kaum noch jemand interessiert. Die historisch-kritische Theologie hat weder die Intellektuellen noch das Volk erreicht, sondern nur eine tiefe Verunsicherung bewirkt. Nun fragen sich die Menschen: Wozu soll ich denn noch Christ sein?
Der „ewige“ Streit um die Homosexualität
Was ist die Alternative?
Dass wir die Bibel das sagen lassen, was sie sagen will! Nehmen wir zum Beispiel das brisante Thema Homosexualität. Der biblische Befund im Alten wie im Neuen Testament ist dazu eindeutig – kein Bibelausleger kommt daran vorbei, dass die Bibel praktizierte Homosexualität ablehnt.
Befürworter der Partnerschaft von Homosexuellen wenden dagegen ein, die biblischen Aussagen dazu seien zeitgebunden – und für uns nicht mehr verpflichtend.
Jede biblische Aussage ist immer auch an eine bestimmte Zeit gebunden. So hat sich Jesus Christus nie zur Homosexualität geäußert, weil sie zu seiner Zeit im Judentum in Palästina kein Thema war. Dagegen sprach der Apostel Paulus darüber in seinen Briefen zu den ersten Christen in der Diaspora: Sie waren von einer griechisch geprägten Welt umgeben, in der Homosexualität praktiziert und verklärt wurde. Dies hat Paulus – aus Kenntnis des Alten Testamentes – eindeutig als Sünde beurteilt und verworfen. Die Ablehnung der Homosexualität in der Bibel ist deshalb beides: Sie ist an eine bestimmte Situation geknüpft und damit zeitbedingt – sie ist aber auch ein klares und zeitloses Gebot Gottes. Eine andere Frage ist der seelsorgerliche Umgang mit Homosexuellen. Denn natürlich respektiere ich einen Homosexuellen als Mitmenschen!
Und wenn Ihr homosexueller Gesprächspartner sagt: „Ich will keine Seelsorge. Ich will so bleiben, wie ich bin“?
Diese Entscheidung steht ihm frei. Ich kann ihn aber nicht in seiner Lebensweise bestätigen, da sie nicht dem Willen und der Schöpfungsordnung Gottes entspricht.
Kritiker werden sagen: Das ist typisch für die Evangelikalen – Sie definieren sich vor allem durch Abgrenzung.
Das ist zu kurz gegriffen! Die evangelikale Bewegung lebt von Christus und dem Evangelium her – aber wir müssen uns in einer Welt, die im Widerspruch zu Gott steht, klar positionieren. Dieses Spannungsfeld können wir nicht auflösen.
Warum ich mich als „evangelikal“ bezeichne
Viele Christen, die der Evangelischen Allianz nahestehen, lehnen mittlerweile den Begriff „evangelikal“ für sich ab – auch weil Evangelikale in letzter Zeit von den Medien massiv kritisiert wurden. Sie halten dagegen daran fest. Warum?
Ich habe weltweit Kontakte zu evangelikalen Christen. Mit großer Freude sehe ich, dass die evangelikale Bewegung dynamisch wächst. Typisch für Evangelikale ist Verwurzelung in der Bibel, das Gebet, die Evangelisation, die konsequent gelebte Nachfolge Jesu Christi – und zunehmend auch die Übernahme von sozialer und politischer Verantwortung. Wir können uns also ganz unbefangen „evangelikal“ nennen.
Dient der Begriff nicht vor allem dazu zu zeigen, dass man eine höhere Stufe der Frömmigkeit erreicht hat?
Wer so denkt, hat das Wesen des Evangeliums nicht begriffen. Christen sind begnadigte Sünder – über diese Stufe kommen wir nicht hinaus! Zugleich müssen wir aber die Auseinandersetzung mit anderen christlichen Strömungen führen. Wenn zum Beispiel jemand das Wort der Bibel infrage stellt, sollten Evangelikale ihre Argumente dagegensetzen.
Was ist eigentlich die Bibel?
Ein Schlüsselvers evangelikaler Schriftauslegung ist 2. Timotheus 3,16: „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre.“ Gilt das auch für die Geschichte vom betrunkenen Lot, der seine Töchter schwängert (1. Mose 19) oder für den Feldzug Israels gegen die Kanaanäer (Josua 1–11)?
Lots Geschichte macht ja deutlich, dass man sich so gerade nicht verhalten soll. Die Bibel zeigt hier den Menschen sehr deutlich in seiner Versuchlichkeit und Sünde. Auch aus solchen negativen Beispielen können wir für unser eigenes Verhalten also etwas lernen. Und zur Landnahme Israels …
… man könnte auch Vernichtungsfeldzug dazu sagen …
… gibt es von Jesus Christus eine klare Stellungnahme: Als seine Jünger sich wünschen, es möge auf ihre Feinde „Feuer vom Himmel fallen und diese verzehren“, weist er sie zurecht: „Wisst ihr nicht, welches Geistes Kinder ihr seid?“ (Lukas 9,55). Wir können also nicht einfach unterschiedslos einen Vers der Bibel neben den anderen stellen, sondern müssen sie von Jesus Christus her lesen. Deshalb ist es ausgeschlossen, dass wir – unter Berufung auf das Alte Testament – einen Kreuzzug ausrufen.
Evangelikalen Christen wird häufig vorgeworfen, die Bibel als „papiernen Papst“ zu betrachten.
Das ist sie nicht! Ich glaube an das Wort Gottes, das in Jesus Christus Fleisch geworden ist. Mir geht es also nicht um einen „papiernen Papst“, sondern um den lebendigen Christus. Er selbst hat die Heilige Schrift als göttliche Offenbarung geachtet. Mein Vertrauen gilt also zuerst Jesus Christus und in der Folge dann auch der Bibel als dem Wort Gottes. Dass die Bibel Gottes inspiriertes Wort ist, ist eine Überzeugung, die von allen Konfessionen gelehrt wird: mit größter Eindeutigkeit von der römisch-katholischen Kirche und von den orthodoxen Kirchen – auch konservative evangelische Kirchen tun dies. In dieser Frage vertreten also nicht wir eine Minderheitenposition, sondern die liberalen Protestanten.
Herr Hille, nehmen Sie die Bibel eigentlich wörtlich?
Ja, sicher. Ich bemühe mich, den Literalsinn – also den wörtlichen Sinn – zu verstehen. Wo soll dabei das Problem sein?
„Wer die Bibel wörtlich nimmt, nimmt sie nicht ernst“, schrieb der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber (1878–1965).
Natürlich muss ich mich bei jedem Bibeltext fragen, an wen ein bestimmtes Wort gerichtet ist und zu welcher Zeit sowie in welche Situation hinein es gesprochen wurde. So ist der Opferkult des Alten Testaments für mich nicht mehr relevant, weil ich durch das Opfer Jesu laut Hebräerbrief „ein für alle Mal“ mit Gott versöhnt bin.
Wenn ich die Bibel wörtlich nehmen würde, müsste ich mir meine Augen rausreißen. Denn Jesus fordert in der Bergpredigt: Wenn dich dein Auge verführt, so reiß es heraus und wirf es weg!“ (Matthäus 18,9).
Jesus forderte damit nicht zur Selbstverstümmelung auf, sondern wies auf drastische, bildhafte Weise darauf hin, die Gefahren der Sünde ernst zu nehmen. Ein Bildwort ist als Bildwort auszulegen und nicht als buchstäbliche Handlungsanweisung.
Die evangelikalen Denker der Vergangenheit und Gegenwart
Evangelikalen Theologen wird nachgesagt, eher zur Praxis zu neigen als zur Intellektualität. Ist das für Sie ein Kompliment oder eher ein Problem?
Einseitigkeit ist immer problematisch! Wir brauchen eine gesunde Spannung von Theorie und Praxis. Man kann aber sicher sagen, dass evangelikale Theologen ein großes Interesse an einer gemeindetauglichen Theologie haben: August Tholuck (1799–1877), Julius Schniewind (1883–1948), Karl Heim (1874–1958), John Stott (1921–2011) – sie haben nie nur für Professoren geschrieben, sondern immer auch für die Gemeinde!
Wer sind die evangelikalen Denker der Gegenwart?
Ich denke an Rainer Riesner in Dortmund, Hans-Joachim Eckstein in Tübingen oder Michael Herbst in Greifswald. Aber es waren in der Geschichte evangelikaler Theologie immer nur einzelne Professoren – die oftmals sogar in einer isolierten Stellung arbeiteten –, die ganze Pfarrergenerationen geprägt haben.
Der Geschichtswissenschaftler und evangelikale Christ Mark Noll (Indiana/USA) beklagt: „Der Skandal des evangelikalen Verstandes ist, dass es nicht viel evangelikalen Verstand gibt.“
Eine echte Gefahr ist, dass es sich evangelikale Christen mit dem Denken zu leicht machen. Die Aufgabe der Theologen ist es nämlich, den Christen beim missionarischen Gespräch zu helfen, indem sie die Einwände gegen den christlichen Glauben durchdenken und Argumentationshilfen liefern. Hier sehe ich manchen Nachholbedarf.
Werden evangelikale Theologen ausgebremst?
Von evangelikalen Theologen ist immer wieder zu hören, ihre Promotions- oder Habilitationsvorhaben würden an Universitäten ausgebremst.
Mir sind solche Fälle bekannt. Allerdings ist es schwer, im Einzelfall eine absichtliche Benachteiligung zu beweisen. Es wäre für die Universitäten jedoch töricht, wissenschaftlich qualifizierte Leistungen nicht anzuerkennen. Die Folge wäre, dass das „theologische Potenzial“ an andere Ausbildungsstätten auswandert. Damit gingen nicht nur Professoren und Doktoranden verloren, sondern auch Studenten. Auf Dauer bedeutete das eine Schwächung der Fakultäten und – bei zu geringen Studentenzahlen – möglicherweise ihre Schließung!
Evangelikale Ausbildungsstätten werden zu Unrecht diskriminiert
In den vergangenen Jahren hat der vom Deutschen Bundestag eingesetzte Wissenschaftsrat zahlreiche evangelikale Studiengänge staatlich anerkannt; der – liberale – Evangelisch-theologische Fakultätentag verweigert jedoch weiterhin deren Anerkennung.
Das bedaure ich sehr. Ich sehe in den evangelikalen Initiativen eine fruchtbare Konkurrenz zu den theologischen Fakultäten an den Universitäten. Nachdem der Wissenschaftsrat die Qualität evangelikaler Studiengänge bestätigt hat, ist es eine Frage der Fairness, dass sich die Landeskirchen und theologischen Fakultäten nicht abschotten, sondern deren Studienleistungen ebenfalls anerkennen.
Der Fakultätentag gibt als Grund für die Ablehnung evangelikaler Abschlüsse „mangelnde Wissenschaftlichkeit“ an.
Wer hat das Hoheitsrecht, zu definieren, was Wissenschaft ist? Der Fakultätentag unterstellt damit dem Wissenschaftsrat – an dem auch Theologen beteiligt sind –, nicht zu wissen, was Wissenschaft ist. Eine grundsätzliche Verweigerung gegenüber evangelikalen Einrichtungen halte ich für nicht angemessen! Die Fakultäten sollten sich der inhaltlichen Auseinandersetzung stellen.
Vielen Dank für das Gespräch!