04.06.2012

INSTITUT FÜR ISLAMFRAGEN: Pressemitteilung zum Verbot islamkritischer Äußerungen

Verbot islamkritischer Äußerungen bedeutet Kapitulation vor islamistischer Gewalt

INSTITUT FÜR ISLAMFRAGEN: Pressemitteilung zum Verbot islamkritischer Äußerungen

Verbot islamkritischer Äußerungen bedeutet Kapitulation vor islamistischer Gewalt

Während Ali Kizilkaya, der Vorsitzende des Koordinierungsrates der Muslime in Deutschland, nach eigenen Angaben nicht einschätzen kann, ob die Salafisten gefährlich sind, hat NRW-Innenminister Ralf Jäger schon mehrmals (vergeblich) versucht, das Zeigen islamkritischer Karikaturen zu verbieten. Treibt die Phobie vor Islamisten Politiker und Medien in die Zensur und Selbstzensur? Bestimmen künftig gewaltbereite Islamisten, wer wann und wo welche Meinung über den Islam äußern darf? Gelten für Karikaturen über den Islam andere Regeln als für Karikaturen über andere Religionen? Setzen gewaltbereite Islamisten durch, was „gemäßigte“ Islamisten erreichen wollen?  

(BONN, 04.06.2012) Vor einem vorauseilenden Gehorsam aufgrund von Einschüchterung durch islamistische Gewalt warnt der Islamwissenschaftler Carsten Polanz. Auf jüngste Angriffe gewaltbereiter Salafisten gegen Polizisten in Solingen und Bonn mit der Einschränkung der Meinungsfreiheit zu reagieren und das Zeigen islamkritischer Karikaturen zu verbieten, wie es NRW-Innenminister Ralf Jäger mehrmals vergeblich versucht hat, sei der falsche Weg. Solche Maßnahmen würden Salafisten als Erfolg ihrer Einschüchterungstaktik verbuchen. Politiker kapitulierten damit vor der Gewalt der Islamisten und vermittelten den Eindruck, dass man nur militant genug auftreten müsse, um seine politischen Ziele – in diesem Falle die Unterdrückung islamkritischer Meinungsäußerungen – durchzusetzen. Jägers Vorschlag erinnert Polanz auch an den so genannten „Flaggenskandal“ von Duisburg im Januar 2009. Dort hatte sich die Polizei gewaltsam Zugang zu einer Privatwohnung verschafft und dort aufgehängte und von außen sichtbare israelische Flaggen entfernt, um aufgebrachte und gewaltbereite Islamisten bei einer Demo gegen den Gaza-Krieg von einer Straßenschlacht abzuhalten. Sollten sich solche „De-Eskalationsstrategien“ durchsetzen, würden zukünftig immer stärker gewaltbereite Islamisten bestimmen, wer wann und wo welche Meinung äußern darf, so Polanz.  

BBC: Selbstzensur aufgrund befürchteter Gewaltbereitschaft von Muslimen 

Auch Medien stehen laut Polanz in der Gefahr, vor islamistischer Gewalt zu kapitulieren und sich eine islamisch definierte Selbstzensur aufzuerlegen. So sprach sich der BBC-Generaldirektor Mark Thompson 2008 mit Blick auf die Möglichkeit „gewaltsamer Bedrohungen“ dafür aus, über den Islam in anderer Weise zu berichten als über andere Religionen. Tatsächlich scheinen bei der BBC Witze über christliche Vikare oder ein Musical wie „Jerry Springer – The Opera“, in dem Jesus als „ein bisschen schwul“ dargestellt wird, „anders“ beurteilt zu werden als vergleichbare Witze über Imame oder entwürdigende Darstellungen Muhammads. In seiner Begründung verwies Thompson auf die unterschiedliche Einstellung zur eigenen religiösen Identität. Muslime würden sich selbst häufig zugleich als ethnische Minderheiten und als solche „isoliert“ und „mit Vorurteilen konfrontiert“ sehen. Sie würden einen Angriff auf ihre Religion als eine weitere Form des Rassismus werten. Laut Polanz lässt sich Thompson damit auf die Argumentation der Islamisten ein, die den „Respekt“ vor dem Islam und die Unterlassung jeglicher Kritik zur Voraussetzung des gesellschaftlichen Friedens erklären. Damit entstehe die paradoxe Situation, dass ein Sender die vollkommene Friedfertigkeit einer Religion betone, während er sich zugleich vor der Gewaltbereitschaft ihrer Anhänger fürchte.  

Schrittweise Islamisierung der Menschenrechte  

Nach Einschätzung von Polanz leistet eine derartige Kapitulation vor islamistischer Gewaltandrohung einer schrittweisen Islamisierung der Menschenrechte Vorschub. Nach einschlägigen islamischen Menschenrechtserklärungen stellt der Islam die abschließende und vollkommene und damit auch allen anderen überlegene Religion und Gesellschaftsordnung dar. Demnach gibt es keinen vernünftigen und nachvollziehbaren Grund, sich vom Islam abzuwenden oder sich als Nicht-Muslim der Vorherrschaft seiner Rechtsbestimmungen zu widersetzen. Kritik am Islam - seinen Quellen und seinen Rechtsbestimmungen – ist damit von vornherein ausgeschlossen. Alle Menschenrechte wie die Glaubens-, Meinungs- oder Pressefreiheit stehen unter dem Vorbehalt der Scharia. Die Organisation für islamische Zusammenarbeit (OIC), ein Zusammenschluss von heute 57 islamischen Staaten, hat in den letzten Jahren über den UNO-Menschenrechtsrat immer wieder versucht, Diskussionen über schariabezogene Menschenrechtsverletzungen zu unterbinden und die Mitgliedsstaaten der UN mithilfe von Resolutionen gegen die „Diffamierung von Religionen“ zur Verabschiedung von Gesetzen gegen Islamophobie zu bewegen – inklusive der Festlegung abschreckender Strafen. Von der Diskriminierung anderer Religionen und insbesondere von der zunehmenden Verfolgung christlicher und anderer Minderheiten in islamischen Ländern war dagegen im Resolutionstext keine Rede. Zuletzt zeigte jedoch die Kritik westlicher Staaten Wirkung, Menschenrechte sollten Menschen und nicht eine bestimmte Religion oder Meinung schützen. Der Rückhalt nicht-islamischer Staaten für diese Resolutionen im UNO-Menschenrechtsrat nimmt ab. 

Die Doppelstrategie „gemäßigter“ Islamisten       

Statt islamistische Gewalt lediglich mit der Emotionalität und Unbesonnenheit ihrer Jugendlichen zu erklären und die Politik im gleichen Atemzug zur Bekämpfung der Islamophobie aufzurufen, ist es laut Polanz höchste Zeit, dass sich muslimische Verbände und Vereine selbstkritisch mit den ideologischen Grundannahmen auseinandersetzen, die manchen Muslimen die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung ihrer Ziele legitim erscheinen lassen. Polanz beklagt in diesem Zusammenhang auch die Doppelstrategie der so genannten „gemäßigten Islamisten“. Während sie zwar einerseits Terroranschläge und gewalttätige Übergriffe wie in Bonn als „unislamisch“ verurteilen und den Islam als „Religion des Friedens“ und der „Toleranz“ beschreiben, instrumentalisieren sie die zunehmende Angst vor unkalkulierbarer Gewalttätigkeit von Muslimen gleichzeitig, um ihren Forderungen nach einer anderen Politik westlicher Staaten gegenüber dem Islam und einzelnen islamischen Staaten oder Gruppen Nachdruck zu verleihen. Während sie den Westen lieber als „Haus des Waffenstillstands“ oder „Haus der Da‘wa “ statt als „Haus des Krieges“ bezeichnen, halten sie doch an einem politischen Herrschaftsanspruch des Islam fest und betonen, dass bereits die Kritik am Islam und seinem Propheten eine Verletzung der religiösen Gefühle von Muslimen und einen Angriff auf ihre Ehre darstelle. Sicherheitsbehörden machen daher zu Recht auf die fließenden Übergänge zwischen allen Gruppierungen des Islamismus aufmerksam. Innerhalb dieser Ideologie ist es lediglich eine Frage der jeweiligen Situationsanalyse und der bevorzugten Taktik, ob man sich gerade auf Menschenrechte oder auf Gewalt beruft, um seine eigenen ideologischen Ziele durchzusetzen. 

Keine Alternative zur Loslösung vom politischen Erbe Muhammads 

Um der Gewaltbereitschaft von Salafisten den ideologischen Nährboden zu entziehen, müssen sich muslimische Vertreter und Prediger daher viel deutlicher als bisher vom politischen Herrschaftsanspruch des Islam lösen und der Gewalt als Reaktion auf Kritik am Islam grundsätzlich und nicht nur zeitweise und kontextbedingt eine klare Absage erteilen – auch dort, wo Muslime in der Mehrheit sind. Vor diesem Hintergrund erscheint es Polanz sehr bedenklich, dass ausgerechnet Ali Kizilkaya, der Vorsitzende des Koordinierungsrates der Muslime (KRM) in Deutschland, nach eigenen Angaben nicht einschätzen kann, ob die Salafisten gefährlich seien. Es gebe schließlich in jeder Religion einige, „die diese Religion buchstabengetreu leben wollen.“ Kizilkaya, gleichzeitig auch Vorsitzender des Islamrates, war vor kurzem auf muslimischer Seite federführend an der Einigung mit der nordrhein-westfälischen Landesregierung über einen flächendeckenden islamischen Religionsunterricht beteiligt. Für Polanz muss dieser Unterricht junge Muslime gerade auch dazu befähigen, sich selbstkritisch mit der eigenen Geschichte und Tradition auseinanderzusetzen und damit den Mythos einer rein friedlichen Verbreitung des Islam infrage zu stellen. Dieser Herausforderung müssen sich jedoch nicht nur die muslimischen Schüler, sondern auch die führenden Vertreter muslimischer Verbände stellen, die zukünftig über den Beirat maßgeblichen Einfluss auf die Unterrichtsinhalte ausüben wollen.   

www.islaminstitut.de