08.05.2011

Wenn Migranten missionieren

Der Kongress „Jesus verbindet“ thematisiert interkulturelle Mission in Europa Bericht aus idea von Christian Starke

Wenn Migranten missionieren

Der Kongress „Jesus verbindet“ thematisiert interkulturelle Mission in Europa

Bericht aus idea von Christian Starke

Sie kommen nicht als Asylbewerber, weil sie verfolgt sind, oder als Wirtschaftsflüchtlinge, um ein besseres Leben zu führen: Immer mehr Afrikaner, Asiaten und Lateinamerikaner sehen sich nach Deutschland und in das übrige Europa berufen, um hier unter ihren Landsleuten – aber auch unter Einheimischen – die christliche Botschaft zu verbreiten. Da sind Pastoren aus dem westafrikanischen Ghana, die blühende internationale Gemeinden in Nordrhein-Westfalen aufgebaut haben, da ist der südkoreanische Professor, der als Pastor in der EU-„Hauptstadt“ Brüssel wirkt, und der Paraguayer, der unter Türken missioniert. Erstmals kamen diese „Botschafter Gottes“ auf einem Kongress unter dem Motto „Jesus verbindet“ in Essen zusammen, um sich zu vernetzen und zu überlegen, wie die interkulturelle Mission in Zusammenarbeit verbessert werden kann. Rund 350 Experten auf diesem Gebiet nahmen die Einladung der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen (AEM) an; etwa jeder dritte Teilnehmer ist ausländischer Herkunft. Darunter sind Russlanddeutsche, ehemalige Muslime, Fachkräfte aus anderen Kontinenten – etwa EDV-Spezialisten, Ingenieure und Krankenschwestern, die als „Zeltmacher“ missionarisch in Europa aktiv sind, und Pastoren aus afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Ländern. Einer von ihnen ist Joe Calderón (44), gebürtiger Peruaner und ehemaliger Mitarbeiter einer Anti-Terror-Einheit. In Venezuela wurde er Christ und erhielt die Berufung, in Europa unter Latinos zu missionieren. Inzwischen ist er Pastor einer brasilianischen Gemeinde in Regensburg, einer deutsch-kroatischen und einer latino-deutschen Gemeinde in Nürnberg. Der stämmige Mann im dunklen Anzug, der vom Äußeren eher wie ein Leibwächter wirkt, mahnt die Christen auf Spanisch lautstark und mit Inbrunst zur Zusammenarbeit: „Gott will, dass seine Gemeinde vereint ist. In der Einheit liegt die Stärke.“ Über Deutschland sagt er: „Wir lieben diese Nation. Wir beten für diese Nation. Wir bitten Gott um Erbarmen für diese Nation.“ Immer wieder wischt sich Calderón den Schweiß von der Stirn. Bewundernswert ist, wie es dem Übersetzer gelingt, der Sprachgeschwindigkeit des immer mehr in Fahrt kommenden Pastors zu folgen. „Wem das Herz voll ist, dem läuft der Mund über“, sagt der Volksmund und Calderón ist das beste Beispiel dafür. Dynamik, Leidenschaft und Herzlichkeit sind häufig Kennzeichen der Pastoren und Missionare aus anderen Kulturen in Deutschland. Und so ist mancher Redner überzeugt, dass die Christen aus den früheren Missionsgebieten das Zeug haben, die träge Wohlstandschristenheit in Deutschland aus dem Schlaf der Selbstgenügsamkeit zu wecken – mit der Kraft des Heiligen Geistes.

Migrantengemeinden als Hoffnung für die Kirchen

Experten schätzen, dass es in Deutschland mindestens 1.100 Gemeinden gibt, in denen sich Christen ausländischer Herkunft versammeln. Immer mehr entwickeln sich zu interkulturellen Gemeinden, in denen nicht nur Afrikaner, Araber, Brasilianer oder Chinesen jeweils für sich zusammenkommen, sondern Angehörige aus vielen Nationalitäten. Solche internationalen Gemeinden sind auch anziehend für Deutsche, die sich für fremde Kulturen interessieren. Und durch die interkulturelle Ausrichtung gelingt es auch leichter, Kontakte zu Angehörigen anderer Religionen zu knüpfen. „Migrantengemeinden sind eine Hoffnung für die Kirchen in Europa“, sagte Hans Henrik Lund, der in der lutherischen Kirche Dänemarks für die Integration von Zuwanderern zuständig ist. Er ist überzeugt: „Wenn keine Migranten in einer christlichen Gemeinde sind, dann stimmt etwas mit ihr nicht.“ Übrigens: In Dänemark wird jeder am Flughafen eintreffende Flüchtling von Christen begrüßt. Das ist noch Zukunftsmusik für Deutschland: Hier sind nicht wenige Christen froh, wenn keine Flüchtlinge kommen. Die reservierte Haltung gegenüber Fremden wird sich ändern: Denn angesichts der schrumpfenden einheimischen Bevölkerung werden sich Gemeinden mehr für Zuwanderer öffnen müssen, wenn sie eine Zukunft haben wollen.