28.07.2011

Vordenker John Stott gestorben

Der 90-jährige Theologe prägte die weltweite Christenheit

Vordenker John Stott gestorben

Der 90-jährige Theologe prägte die weltweite Christenheit

 

Lingfield (idea) – Einer der einflussreichsten evangelikalen Theologen des 20. Jahrhunderts ist tot: Der Engländer John Stott starb am 27. Juli in Lingfield (Südengland) im Alter von 90 Jahren. Der Anglikaner galt als Vordenker der evangelikalen Bewegung. Er verband einen fest in der Bibel gegründeten Glauben mit weltweitem missionarischem und diakonischem Engagement. Mehrere Grundsatzpapiere tragen seine Handschrift, darunter die Lausanner Verpflichtung von 1974 und das Manifest von Manila von 1989. Auch schrieb er 1951 die Präambel zur Satzung der Weltweiten Evangelischen Allianz. Weltbekannt wurde Stott vor allem als Prediger, Redner und Autor von gut 50 Büchern, die in 75 Sprachen übersetzt wurden. Er machte sich einen Namen dadurch, dass er schwierige theologische Zusammenhänge allgemeinverständlich darstellen konnte. Außerdem diente er ungezählten Theologiestudenten in aller Welt als Freund und Mentor; für viele war er „Onkel John“.

Billy Graham: Freund und Berater

Führende Vertreter der evangelikalen Bewegung würdigten Stotts Verdienste. Der 92-jährige US-amerikanische Evangelist Billy Graham (Montreat/Bundesstaat North Carolina) bezeichnete ihn als „einen der größten Sprecher der Evangelikalen“. Ihm persönlich sei er „Freund und Berater“ gewesen, und er freue sich darauf, ihn im Himmel wiederzusehen. Der Internationale Direktor der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA), Geoff Tunnicliffe (Binghamton/US-Bundesstaat New York) erklärte, Stott habe großen geistlichen Einfluss auf die gesamte Christenheit ausgeübt. Mit seiner biblisch gegründeten Theologie und seinem Einsatz für die Weltmission sei er für seinen eigenen Werdegang ein wegweisender Mentor gewesen. Die WEA repräsentiert rund 600 Millionen Evangelikale.

„Theologischer Architekt“

Hartmut Steeb (Stuttgart), Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, erklärte gegenüber idea, Stott habe die evangelikale Bewegung in den vergangenen Jahrzehnten als Theologe entscheidend angeführt. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei er der „theologische Architekt“ der WEA und später der Lausanner Bewegung für Weltevangelisation gewesen. Dankbar schaue man auf seine Dienste in Deutschland zurück, nicht zuletzt beim Deutschen Kongress für Evangelisation „Weitersagen“ 1990 in Stuttgart, dem er geistlich-theologischen Tiefgang gegeben habe.

Verteidigung des biblischen Glaubens

Für die Lausanner Bewegung für Weltevangelisation, deren Ehrenvorsitzender Stott war, erklärten der Internationale Vorsitzende Douglas Birdsall (Oxford/England) und der Internationale Direktor Lindsay Brown (Monmouth/Wales), Stotts größtes Verdienst sei die Verteidigung des biblischen Glaubens gewesen. Seine lebenslange Hoffnung in Christus sei jetzt für ihn Wirklichkeit geworden. Die 1974 im schweizerischen Lausanne gegründete Bewegung versteht sich als ein Netzwerk und Katalysator für Weltevangelisation.

Prediger am Königshaus

John Robert Walmsley Stott wurde am 27. April 1921 als Sohn des Physikers und Agnostikers Sir Arnold W. Stott und seiner lutherischen Frau Emily geboren. Ursprünglich wollte er Diplomat werden, doch mit 17 Jahren erlebte er eine Bekehrung zum Glauben an Jesus Christus. 1939 begann er sein Theologiestudium in Cambridge. Nach seiner Ordination zum anglikanischen Geistlichen wurde er 1945 Hauptpfarrer an der Allerseelen-Kirche in London. Stott, der auch in der evangelikalen Studentenbewegung aktiv war, gründete 1982 das Londoner Institut für zeitgenössisches Christentum, eine Fortbildungsstätte für Nicht-Ordinierte. Von 1959 bis 1991 gehörte er zu den Predigern am Königshaus. Königin Elisabeth II. zeichnete ihn mit einem der höchsten Orden des Vereinigten Königreichs aus. Er ist Commander of the British Empire (Kommandeur des Britischen Imperiums).

Theologie und Vogelkunde

Im Jahr 2005 zählte ihn das US-amerikanische Nachrichtenmagazin Time zu den 100 einflussreichsten Personen der Welt. Vor vier Jahren zog er sich aus der Öffentlichkeit zurück. Der ledige Theologe hat sich auch als Hobby-Vogelkundler einen Namen gemacht. Er verbrachte seinen Lebensabend in einem Seniorenheim für anglikanische Geistliche im südenglischen Lingfield (Grafschaft Surrey). Dort starb er nach Angaben der Londoner Allerseelengemeinde im Kreis von Freunden und Bekannten.