16.02.2011
Evangelikale kritisieren Justiz in Afghanistan
Kommission für Religionsfreiheit: Prozess gegen Christen illegal
Evangelikale kritisieren Justiz in Afghanistan
Kommission für Religionsfreiheit: Prozess gegen Christen illegal
Kabul/Colombo (idea) – Schwere Kritik an der afghanischen Justiz übt die Kommission für Religionsfreiheit der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA). Der Prozess gegen einen Christen muslimischer Herkunft wegen „Abfalls vom Islam“ sei illegal und müsse gestoppt werden, erklärt der Kommissionsvorsitzende, Godfrey Yogarajah (Colombo/Sri Lanka). Dem 46-jährigen Said Musa, der in Kabul seit über acht Monaten ohne Anklage in Haft sitzt, droht die Todesstrafe. Er war vor acht Jahren zum christlichen Glauben gekommen. Am 31. Mai 2010 wurde er vor der deutschen Botschaft in Kabul verhaftet, wo er Asyl beantragen wollte. Er fühlte sich bedroht, nachdem der Fernsehsender Noorin TV eine Taufe von Muslimen gezeigt hatte. Daraufhin forderte der stellvertretende Parlamentspräsident Abdul Sattar Khawasi, dass die Afghanen, die in dem Video gezeigt wurden, öffentlich hingerichtet werden sollten. Nach dem islamischen Religionsgesetz, der Scharia, steht auf „Abfall vom Islam“ die Todesstrafe.
Nach welchem Gesetz wurde Musa verhaftet?
Laut Yogarajah steht der Prozess gegen Musa im Widerspruch zur Verfassung Afghanistans aus dem Jahr 2004. Danach darf zwar kein Gesetz den Lehren des „heiligen Islam“ widersprechen, doch ist die Anwendung der Scharia nur innerhalb der Grenzen der Verfassung erlaubt. Diese sichert jedoch laut Yogarajah Religionsfreiheit zu. Ferner dürfe danach niemand wegen einer Handlung, die keinen Straftatbestand darstelle, verfolgt oder inhaftiert werden. Musa habe keine Straftat begangen, stellt Yogarajah fest und fragt: „Nach welchem Gesetz wurde Musa verhaftet?“ Neun Jahre nach dem Fall des Regimes der radikal-islamischen Taliban sei in Afghanistan im Bereich der Rechtsstaatlichkeit und der Bürgerrechte wenig Wandel sichtbar. Die WEA repräsentiert 600 Millionen Evangelikale in 128 Ländern.
Dem Christentum abschwören?
Auch EKD-Auslandsbischof Martin Schindehütte (Hannover) hat im Blick auf Musas Schicksal betont, dass die Religionsfreiheit den freien Wechsel des Glaubens einschließe. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen setzt sich ebenfalls für Musa ein. Eine Bestrafung oder gar Hinrichtung wegen Religionswechsels stehe nicht im Einklang mit den Prinzipien der NATO. Musa wird im Gefängnis nach eigenen Angaben sexuell missbraucht, misshandelt und gedemütigt. Afghanische Anwälte weigern sich, ihm Rechtsbeistand zu leisten, so lange er nicht dem christlichen Glauben abschwört. Wenn er hingegen zum Islam zurückkehre, könne er freigesprochen werden, teilte ihm ein Jurist mit, wenn nicht, würde ihn jeder Richter nach einer dreitägigen Bedenkzeit hinrichten lassen.
Kritik an Rotem Kreuz
Musa verlor bei einer Minenexplosion im Jahr 1991 ein Bein. Der Vater von sechs Kindern arbeitete vor seiner Verhaftung 15 Jahre lang als Physiotherapeut beim Roten Kreuz in Kabul. Freunde der Familie erheben schwere Vorwürfe gegen die Organisation mit christlichen Wurzeln. Im Unterschied zu ihrer traditionellen Aufgabe, sich für eine humane Behandlung von Häftlingen und Kriegsgefangenen einzusetzen, habe sie sich kaum um Musa gekümmert. Der Leiter der Rot-Kreuz-Delegation in Kabul, Reto Stocker, wies die Vorwürfe gegenüber idea zurück. Man behandele den Fall vertraulich, stehe in Kontakt mit afghanischen Behörden und verhalte sich neutral. Unter den 28,4 Millionen Einwohnern Afghanistans leben nach Angaben des Hilfswerks Open Doors etwa 10.000 Christen, darunter auch Afghanen muslimischer Herkunft.