10.02.2011
Wird der Westen zum Komplizen von Christenverfolgern?
Hilfswerk prangert Stützung der Regierung Karzai an – Christen droht Hinrichtung
Wird der Westen zum Komplizen von Christenverfolgern?
Hilfswerk prangert Stützung der Regierung Karzai an – Christen droht Hinrichtung
Pewsey (idea) – Der Westen macht sich durch die Unterstützung des afghanischen Regimes zum Komplizen von Christenverfolgern. Diesen Vorwurf erhebt das christliche Hilfswerk Barnabas Fund (Pewsey/Südwestengland), das sich für unterdrückte Christen in islamischen Ländern einsetzt. Es hat eine Petition für zwei afghanische Christen muslimischer Herkunft gestartet, die wegen ihres Religionswechsels mit der Todesstrafe bedroht sind. Patrick Sookhdeo, Direktor von Barnabas Fund, weist darauf hin, dass westliche Staaten die Regierung von Staatspräsident Hamid Karzai politisch und mit ihrem Militäreinsatz stützen. Doch die afghanische Verfassung schütze die Religionsfreiheit von Christen nur auf dem Papier. Tatsächlich habe das islamische Religionsgesetz, die Scharia, Vorrang. Danach steht auf den „Abfall vom Islam“ die Todesstrafe, wie sie dem 46-jährigen Said Musa in Kabul und des 25-jährigen Shoib Assadullah in Masar-i-Scharif drohen. Diplomatische Gespräche mit der Regierung in Kabul, etwa durch US-Außenministerin Hillary Clinton sowie Vertreter Frankreichs und Deutschlands, hätten Karzai nicht dazu bewegen können, sich für die von Hinrichtung bedrohten Christen einzusetzen.
Einsatz für Konvertiten als Testfall für den Westen
Wenn der Westen die afghanische Regierung nicht wirksam dränge, die Menschenrechte, einschließlich des Rechts auf Religionswechsel, zu praktizieren, mache er sich zum Komplizen der Verfolgung von Konvertiten, so Sookhdeo. Nach seinen Worten ist das Schicksal Musas und Assadullahs ein Testfall für die Reaktion westlicher Staaten auf die Behandlung von Christen muslimischer Herkunft in der gesamten islamischen Welt. EKD-Auslandsbischof Martin Schindehütte (Hannover) hat im Blick auf Musas Schicksal betont, dass die Religionsfreiheit den freien Wechsel des Glaubens einschließe. Auch NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen setzt sich für Musas Freilassung ein. Eine Bestrafung oder gar Hinrichtung wegen eines Religionswechsels stehe nicht im Einklang mit den Prinzipien der NATO, sagte Rasmussen einem Bericht der britischen Zeitung Telegraph zufolge.
Musa soll dem Glauben an Jesus abschwören
Musa, der vor acht Jahren zum christlichen Glauben gekommen war, ist seit über acht Monaten ohne Anklage in Haft. Im Gefängnis wird er nach eigenen Angaben sexuell missbraucht, misshandelt und gedemütigt. Er war am 31. Mai verhaftet worden, nachdem der Fernsehsender Noorin TV eine Taufe von Muslimen gezeigt hatte. Daraufhin forderte der stellvertretende Parlamentspräsident Abdul Sattar Khawasi, dass die Afghanen, die in dem Video gezeigt wurden, öffentlich hingerichtet werden sollten. Musa hatte laut Presseberichten vor seiner Festnahme versucht, in der deutschen Botschaft Asyl zu beantragen. Afghanische Anwälte weigern sich, Musa Rechtsbeistand zu leisten, so lange er nicht dem christlichen Glauben abschwört. Wenn er hingegen zum Islam zurückkehre, könne er freigesprochen werden, teilte ihm ein Jurist mit, wenn nicht, würde ihn jeder Richter nach einer dreitägigen Bedenkzeit hinrichten lassen.
Vorwürfe gegen Rotes Kreuz
Musa verlor bei einer Minenexplosion im Jahr 1991 ein Bein. Der Vater von sechs Kindern arbeitete vor seiner Verhaftung 15 Jahre lang als Physiotherapeut beim Roten Kreuz in Kabul. Freunde der Familie erheben schwere Vorwürfe gegen die Organisation mit christlichen Wurzeln. Im Unterschied zu ihrer traditionellen Aufgabe, sich für eine humane Behandlung von Häftlingen und Kriegsgefangenen einzusetzen, habe sie sich kaum um Musa gekümmert. Der Leiter der Rot-Kreuz-Delegation in Kabul, Reto Stocker, wies die Vorwürfe gegenüber idea zurück. Man behandele den Fall vertraulich, stehe in Kontakt mit afghanischen Behörden und verhalte sich neutral.
Proteste verhindern Hinrichtung
Assadullah war am 21. Oktober in Masar-i-Scharif festgenommen worden, weil er einem Afghanen ein Neues Testament in der Landessprache Dari gegeben hatte. Am 28. Dezember wurde ihm von einem Gericht mitgeteilt, dass er wegen Abfalls vom Islam hingerichtet würde, sollte er nicht bis zum 3. Januar dem Christentum abschwören. Zunehmende internationale Proteste führten dazu, dass Assadullah bisher nicht gehenkt wurde. Er sitzt im Hauptgefängnis von Masar-i-Scharif, wo die Bundeswehr einen Stützpunkt hat. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) und die Evangelischen Nachrichtenagentur idea benannten Assadullah als „Gefangenen des Monats Januar“ 2011. Unter den 28,4 Millionen Einwohnern Afghanistans leben nach Angaben des Hilfswerk Open Doors etwa 10.000 Christen, darunter auch Afghanen muslimischer Herkunft.