24.11.2010
Islamisierung des Lebensstils mittels Internet
B O N N (24. November 2010) Durch die Globalisierung sind auch muslimische Gesellschaften immer strker mit den Erscheinungsformen der Moderne konfrontiert. Die Nutzung der technischen Errungenschaften des Westens geht nicht selten mit scharfer Kritik an der westlichen Kultur einher. Sogar salafitische Gruppierungen, die eine mglichst radikale Rckkehr zur islamischen Urgemeinschaft des siebten Jahrhunderts anstreben, verbreiten ihre Warnungen vor den verderblichen Innovationen des Westens ber eigene virtuelle Plattformen. Gerade das Internet wird von Muslimen intensiv genutzt, u.a. um die 1001 Fragen zu klren, wie ein Muslim den Gesetzen seiner Religion in der modernen Gesellschaft gerecht werden kann: Autofahren ist erlaubt, aber: Sind Muslime, die in nicht-muslimischen Lndern leben, an die Verkehrsgesetze dieses Landes gebunden? eine Anfrage auf Islamonline. Ist Bodypiercing im Islam erlaubt? eine weitere Anfrage auf Islamonline.
Online-Fatwas fr jede Lebenssituation, Einkaufsfhrer und Heiratsagenturen
Fr die Suche nach Scharia-gemem Islam im Alltag gibt es Online-Fatwas fr jede Lebenssituation. In diesen Rechtsgutachten definiert in der Regel ein ausgebildeter Rechtsgelehrter das korrekte islamische Verhalten in einer ganz bestimmten Lebenssituation. So dient das Internet als sehr effektives Instrument zur Islamisierung des Lebensstils von Muslimen in nicht-islamischen Kulturen, verstrkt durch ungezhlte Online-Angebote Scharia-konformer Kleidung und Ernhrung sowie Heiratsagenturen, die eine mit islamischen Werten und Vorgaben im Einklang stehende Partnervermittlung versprechen. Nach Aussagen der Betreiber des deutschen Islamportals Muslimmarkt wird die Rubrik Muslim-Heirat mit Abstand am hufigsten aufgerufen. Anders als bei Muslimlife knnen die Suchanzeigen auch von Nicht-Mitgliedern gelesen werden. Zu den meist besuchten islamischen Internetseiten gehren auch die so genannten islamischen Einkaufsfhrer, bei denen zum Teil die Kommerzialisierung der Religion offensichtlich ist.
Wissenschaftliche Erforschung der islamischen Internet-Prsenz
Die Welt islamischer Internetangebote ist vielfltig und schier unberschaubar. Laut Carsten Polanz, Islamwissenschaftler am Institut fr Institut fr Islamfragen der Deutschen Evangelischen Allianz, gibt es weltweit nur eine Handvoll Wissenschaftler, die sich in ihrer Forschung auf islamische Phnomene im Internet spezialisiert haben. Einer der fhrenden Experten auf diesem Gebiet ist der Islamwissenschaftler Gary Bunt, der sich seit Anfang der 1990er Jahre an der University of Wales mit der Entwicklung islamischer Webprsenz beschftigt. Bunt hat seit 2000 mehrere Bcher zu seinen Forschungen verffentlicht und dokumentiert islamische Internetangebote auf seinem eigenen regelmig aktualisierten Internetblog www.virtuallyislamic.com. Auch der Wiener Islamwissenschaftler Rdiger Lohlker beobachtet seit Ende der 1980er Jahre, wie das Internet in islamischen Staaten und von muslimischen Gemeinschaften in westlichen Lndern genutzt wird.
Muslimische Jugendszene online
Insbesondere fr junge Muslime im stdtischen Bereich spielt das Internet eine nicht zu unterschtzende Rolle im Alltag. Auch muslimische Jugendliche gehren zur Fangemeinde des Web 2.0 und nutzen zahlreich Angebote wie Schler VZ, StudiVZ, Lokalisten und MySpace. In ihren Beitrgen geht es vor allem um Fragen ihrer Herkunft und Identitt. Allein auf Facebook gibt es hunderte Islam-Foren. Als eine islamische Mischung aus Youtube und StudiVZ prsentiert sich die Multimediaplattform Waymo. Fr die Seite verantwortlich ist Ayman Mazyek vom Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD). Islamische Portale wie das oben erwhnte Islamonline werden gerade auch von Jugendlichen stark frequentiert. Wenn es um Entscheidungen geht, greifen die meisten religis geprgten Jugendlichen auf die Fatwas zurck.
Popislamische Jugendbewegung
Groen Einfluss bt auch der gyptische Prediger Amr Khaled ber seine Webseite aus, die zeitweise zu den 4000 meistbesuchten Seiten weltweit gehrt haben soll. Khaled gilt als eine der Schlsselfiguren der sogenannten popislamischen Jugendbewegung und vermittelt seine religis-konservative Botschaft unkonventionell und freundlich. Er mchte sowohl verunsicherten Muslimen als auch dem Westen ein positives Bild vom Islam prsentieren. U.a. versucht er zu belegen, dass der Islam keinerlei Schuld trage an der Unterdrckung von Frauen in islamischen Lndern. Khaleds Verbindungen zur gyptischen Muslimbruderschaft sind angesichts seiner regelmigen Einladungen durch die Islamische Gemeinschaft in Deutschland (IGD) offensichtlich. Die gyptische Politologin Hala Mustapha vom Al-Ahram-Center fr strategische Studien hlt ihn fr einen Wolf im Schafspelz, der mit seiner weichgesplten Kuschelversion des Islam die Jugend fr die Botschaft militanter Prediger empfnglich mache.
Der Islam ist nicht nur lngst im Westen angekommen, er ist ber das Internet global prsent und vermittelt muslimischen Minderheiten Anleitungen zum Leben in nichtislamischen Gesellschaften, erklrt Polanz. Meist geschehe dies allerdings eher, indem das Anderssein bzw. Sonderregeln fr Muslime betont, als das eine echte Integration befrdert werden.
Weiterfhrende Informationen finden Sie im IFI-Sonderdruck Nr. 10: Carsten Polanz: Islam im Internet, gratis herunterzuladen unter:
http://www.islaminstitut.de/uploads/media/sonderdruck10_mH300c_final.pdf