26.03.2010

Die "Herausforderung Islam" erfordert von Christen die Bereitschaft zur persönlichen Begegnung

Carsten Polanz: Weder Multi-Kulti-Träumerei noch gleichgültige Abgrenzung sind angesagt

Die "Herausforderung Islam" erfordert von Christen die Bereitschaft zur persönlichen Begegnung

Carsten Polanz: Weder Multi-Kulti-Träumerei noch gleichgültige Abgrenzung sind angesagt

 

"Christen haben durch ihren Glauben sowohl die Chance als auch die Verantwortung, sich den unterschiedlichen Dimensionen der islamischen Herausforderung zu stellen", erklärte  der Islamwissenschaftler Carsten Polanz auf der Islamkonferenz der Deutschen Evangelischen Allianz, die vom 18. - 20. März in Bad Blankenburg stattfand.  Der Referent beim Institut für Islamfragen der Deutschen Evangelischen Allianz ging unter der Leitfrage „Quo vadis, Deutschland?“ der Frage nach, wie die muslimische Präsenz in Deutschland Kirche und Gesellschaft herausfordert. Deutschland habe Jahrzehnte verschlafen und eine erfolgreiche Integration der muslimischen Migranten verpasst. Gründe seien einerseits in einer Multi-Kulti-Träumerei und andererseits in gleichgültiger Abgrenzung zu finden.

Die Reaktionen auf das politisch-religiöse Radikalisierungspotenzial seien entweder naive oder feige Verharmlosung auf der einen Seite oder hasserfüllte und völlig unselbstkritische Pauschalverurteilung auf der anderen Seite: „Es scheint eine sehr schwierig gewordene Kunst zu sein, die Probleme mutig beim Namen zu nennen, ohne zugleich populistisch zu pauschalisieren oder von anderen in die fremdenfeindliche Ecke gestellt zu werden."

Dabei sparte er nicht mit Kritik auch an Christen. Mangelndes Bibelwissen, unterentwickelte Gastfreundschaft und fehlende Opferbereitschaft führe dazu, dass Gemeinden keine biblischen Antworten für Muslime haben. Eine der Herausforderungen liege für Christen in der Bereitschaft zur persönlichen Begegnung. Oft werde der Ruf nach einfachen Parolen und schnellen Lösungen laut. Die Einladung von muslimischen Migranten in eine deutsche Familie sei aber ein viel wirksamerer Schritt gegen die Radikalisierung als noch so steile Parolen. "Wir dürfen daher dem Einzelnen mutig und offen begegnen und müssen nicht aus einer vagen Angst heraus einen Bogen um ihn machen." Verschiedene Netzwerke wie der Arbeitskreis Migration und Integration (AMIN) der Evangelischen Allianz würden bei dieser persönlichen Herausforderung helfen.

Die theologische Herausforderung sei es zu wissen, was man glaubt und warum man es glaubt. „Teilweise sehr selbstbewusst und offensiv bekennen sich Muslime öffentlich sichtbar zu ihrem Glauben und ihren Werten und fordern uns damit heraus." Viel zu lange sei die Herausforderung, unseren eigenen Glauben zu durchdenken und zu begründen gescheut worden, weil viele Christen immer weniger mit wesentlichen biblischen Aussagen vertraut seien. Als Beispiel nannte Polanz die von Pfarrer Burkhard Müller losgetretene Sühnetod-Debatte.

Als dritte Dimension gebe es eine ethische Herausforderung. "Als evangelikale Christen können wir die Sehnsucht vieler Muslime nach Wertmaßstäben, heilen Beziehungen, Sinn und Orientierung im Alltag sowie die Hoffnung auf Vergebung vor Gott sehr gut verstehen und ernst nehmen", verdeutlichte Polanz. Möglicherweise richte sich der Spott der Islamisten über den vermeintlich christlichen Westen, vor allem gegen ein salzlos gewordenes Christentum und eine billige Gnade.

Polanz berichtete von vielen muslimischen Familien, die aufrichtig nach Menschen suchen, die ihren Kindern gute Werte vermitteln und Orientierung geben in einer materialistischen, individualistischen und beliebig gewordenen Welt: Wenn wir Christen dieses Vakuum nicht füllen, füllen es andere", verwies der Referent auf die große Chance für die christliche Kinder-, Jugend- und Familienarbeit!

Erst Terroranschläge hätten aufgeweckt und sensibel dafür gemacht, dass es auch eine gesellschaftspolitische Dimension der Herausforderung gebe. "Meines Erachtens hilft uns das eigene Glaubensfundament, die Freude an der Theologie und die daraus entwickelten Wertmaßstäbe auch ungemein bei der Einordnung der politischen Herausforderung. Als Christen nehmen wir an den Leiden unserer verfolgten Geschwister in der islamischen Welt Anteil und können nicht gleichgültig ignorieren, wenn es in der UNO Tendenzen gibt, nicht mehr die Menschenrechte, sondern den politischen Islam mit seinem totalitären Anspruch zu schützen", kritisierte der Referent.

"Wir können auch nicht schweigen, wenn bestimmte islamische Dachverbände in Europa im Namen der Glaubensfreiheit schrittweise genau diese Scharia einführen wollen und widersprechende Stimmen als integrationsfeindlich und rassistisch abstempeln wollen. Wir müssen daher auch wachsam sein, wo demokratische Rechte und Freiheiten nicht grundsätzlich bejaht, sondern nur im Sinne eines vorübergehenden Vertrages zur Durchsetzung eigener Vorstellungen von Staat und Gesellschaft geschätzt und ausgenutzt werden." Die politischen und gesellschaftlichen Akteure müssten den Mut zu unbequemen und konkreten Rückfragen haben. Was im theologischen Bereich gilt, ist auch wichtig im politischen Bereich: "Wir dürfen die Harmonie nicht um den Preis der Wahrhaftigkeit anstreben, sondern müssen uns dem teilweise völlig unterschiedlichen Verständnis stellen."