24.03.2010

Aussichten und Aufgaben des christlich-muslimischen Dialogs heute

Dr. Friedmann Eißler beim "Brennpunkt Islam" der Deutschen Evangelischen Allianz in Bad Blankenburg

Aussichten und Aufgaben des christlich-muslimischen Dialogs heute

Dr. Friedmann Eißler beim "Brennpunkt Islam" der Deutschen Evangelischen Allianz in Bad Blankenburg

Bad Blankenburg (24.03.2010). Beim "Brennpunkt Islam" der Deutschen Evangelischen Allianz am vergangenen Woche beschäftigten sich etwa 50 Experten mit den Fragen der Herausforderungen durch die in Europa zunehmende Zahl an Moslems. Dabei zeigte der Referent der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, Dr. Friedmann Eißler, das breite Spektrum der Erscheinungsformen muslimischen Lebens in Deutschland auf. Der Islam werde auf Dauer Teil unserer Gesellschaft sein, und er begegne uns in großer Vielfalt, die entsprechend differenziert beurteilt werden müsse. Die islamischen Verbände verträten nur einen kleinen Teil der hier lebenden Muslime. Deutlich gemacht werden müsse im gesellschaftlichen Dialog, dass nicht alle Muslime dasselbe glaubten und nicht alle fundamentalistisch seien. Kontraproduktiv sei es, immer von "wir" und "die anderen" zu sprechen. Die Kirchen hätten sich der Herausforderung zu stellen, den Muslimen als mittlerweile beständigem Teil unserer Gesellschaft den Raum zu geben, den sie als Glieder dieser Gesellschaft auch für die Religionsausübung brauchten. "Sind wir bereit und entschieden genug, diejenigen Kräfte unter den Muslimen zu erkennen, zu bejahen und kritisch zu begleiten, die islamisches Leben in Deutschland im Kontext der säkularen Gesellschaft reflektieren und weiterentwickeln wollen?"

Die Muslime sieht Eißler in der Spannung zwischen dem Heimischwerden in der säkularen Gesellschaft und dem grundlegenden Anspruch des Islams, als ganzheitliche Lebensweise auch politische Macht auszuüben. Er verwies auf die zunehmende Bedeutung des Internets für die Verbreitung radikaler Ansichten gerade auch unter jungen Muslimen in Deutschland. "Sheikh Google" sei zur religiösen Autorität avanciert, der eine über alle territorialen, ethnischen und schulmäßigen Grenzen hinweg vernetzte weltweite islamische Umma propagiere. "Modernität mit schariatreuem Islam zu verbinden ist die Zielrichtung." Das Ergebnis sei häufig, dass die demokratische Gesellschaft nur unter Vorbehalt akzeptiert werde, weil sie als "westlich", dekadent und dem islamischen Gesellschaftsmodell unterlegen betrachtet wird.

Die Gobalisierung trage freilich auch dazu bei, dass sehr unterschiedliche Vorstellungen aufeinanderprallen. Viele Muslime lebten deshalb ihren Glauben zwischen Patchwork und Mission. Die Mission heiße: Muslimsein ist hip, Islam ist in – Lifestyle-Islam von entsprechender Musik bis hin zu modischen Accessoires ist angesagt. "Muslime fühlen sich einerseits selbstverständlich als Teil dieser Gesellschaft, andererseits werden sie von vielen Seiten dazu gedrängt, ihre Identität ohne Abstriche zu wahren. Wie die aussehen soll, sagen religiöse Führer."

Ein Beispiel dafür ist der türkische Prediger Fethullah Gülen, der mit weltweiten Bildungsprogrammen die Rückständigkeit und die relative Schwäche des Islams, der Muslime und nicht zuletzt der Türkei überwinden helfen wolle. In der Spannung von moderner Gesellschaft und konservativem Islam gehöre zu den Merkmalen des Gülen-Diskurses die Mehrdeutigkeit seiner Aussagen. Das Problem der Bewegung sei nicht das religiöse Engagement, sondern die mangelnde Reflexivität in Bezug auf die religiös-weltanschaulich pluralistische Situation heute. 

Die Konferenz in Bad Blankenburg wurde vom Arbeitskreis Islam der Deutschen Evangelischen Allianz unter der Leitung von Albrecht Hauser, früher Kirchenrat in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, vorbereitet. Er hat im Zusammenhang der jetzt 4. Islamkonferenz den Vorsitz an Ulrich Neuenhausen übergeben, Leiter der Theologischen Akademie des Forum Wiedenest.