05.01.2010
Pfarrer Dr. Paul Murdoch: Christliche Mission auch in islamischen Ländern wichtig
Auch nach Entführung nicht entmutigt: Evangelischer Pfarrer wirbt für christliches Engagement in islamischen Ländern
Pfarrer Dr. Paul Murdoch: Christliche Mission auch in islamischen Ländern wichtig
Auch nach Entführung nicht entmutigt: Evangelischer Pfarrer wirbt für christliches Engagement in islamischen Ländern
Stuttgart/Tübingen (epd). Über den Verbleib einer christlichen Familie aus Sachsen, die im Juni im Jemen entführt wurde, gibt es derzeit neue Spekulationen. Medienberichten zufolge sollen Videos aufgetaucht sein, auf denen die Kinder der Familie zu sehen sein sollen. Bereits nachdem zwei deutsche Bibelschülerinnen im Juni im Jemen ermordet worden waren, entbrannte in Deutschland eine heftige Debatte über Christen, die aus Glaubensgründen und mit missionarischer Absicht in muslimischen Ländern arbeiten.
Für den württembergischen Pfarrer Paul Murdoch hat diese Diskussion eine ganz persönliche Dimension: Er ist selbst schon Opfer einer Entführung in Pakistan gewesen. Murdoch, Pfarrer der württembergischen Landeskirche und seit Oktober Studienleiter im Albrecht-Bengel-Haus in Tübingen, arbeitete zehn Jahre in Pakistan. 1990 wurde er entführt. Er nimmt die Missionsgemeinschaft, die die Praktikantinnen in den Jemen schickte, jedoch in Schutz; leichtsinnig habe sie nicht gehandelt. «Aus der bequemen Sicherheit Deutschlands kann man sagen, es ist unverantwortlich, in einem Land wie dem Jemen oder Pakistan zu leben. Ja es stimmt: Wer in einem Entwicklungsland arbeitet, ob als Missionar oder nicht, muss mit Risiken rechnen», sagt Murdoch. Immer noch würden die meisten Ausländer in Entwicklungsländern jedoch nicht bei böswilligen Übergriffen, sondern bei Autounfällen getötet. Oft gefährdeten andere Risiken wie Tropenkrankheiten das Leben der Missionare. Im Fall der beiden Bibelschülerinnen meint Murdoch: «Mit einer Ermordung konnte niemand rechnen, weil keine akute Gefahr bestand.» Die fünfköpfige Familie Hentschel, die auch entführt wurde und deren Verbleib völlig ungewiss ist, gelte als sehr vorsichtig und sei in der Bevölkerung sehr beliebt.
Den 9. September 1990 wird der 56-jährige Paul Murdoch nie vergessen: Er sitzt in seinem Auto und ist in Pakistan auf dem Weg zu einer Bischofsweihe. Plötzlich überholt ihn ein Wagen, aus dem geöffneten Fenster sind Kalaschnikows auf ihn gerichtet. Drei Männer zerren ihn aus seinem Auto. Damit er nichts mehr sieht, wird ihm ein Tschador übergestülpt. Zwei Gewehrläufe pressen sich an seinen Kopf. Später nehmen die Männer ihm Geld und Ringe ab.
Nur schemenhaft erkennt er, wie ein weiterer Mann ins Auto einsteigt. Es ist ein Dalaal, ein Vermittler, der später als «neutraler» Partner die Höhe des Lösegeldes verhandeln wird. - «Ist es ein Mann oder eine Frau?», fragt er. - «Ein Mann». «Ein Ausländer?» - «Ja, ein Ausländer». - «Das wird nicht funktionieren, fahrt ihn 15 Meilen in die Wüste und macht Schluss mit ihm!» Diese Unterhaltung muss der Entführte Murdoch mitanhören. Doch da die Entführer dringend Geld benötigen, wollen sie ihr Opfer weder umbringen noch freilassen.
Wenig später erfährt Murdoch, dass die Entführer eigentlich das Kind eines Regierungsbeamten kidnappen wollten, dies aber wegen der bewaffneten Bodyguards nicht möglich war. Kurzfristig entschieden sie sich deshalb für ihn. Sechs Tage lang muss Paul Murdoch in einer finsteren Höhle leben. Er ist völlig den Launen seines Wärters ausgeliefert. Manchmal erhält er kaum etwas zu essen, dann wieder ein eigens für ihn zubereitetes Nudelgericht.
Als zwei seiner Entführer bei einem Schusswechsel sterben, bekommt es sein Aufpasser mit der Angst zu tun. Schließlich wird Murdoch freigelassen. Doch der zweitägige Heimweg gestaltet sich ebenso gefährlich wie die Zeit in der Gefangenschaft: An der Grenze zwischen Pakistan und Afghanistan schlägt sich Murdoch zu Fuß durch Stammesgebiet, vorbei an Villen von Drogenbaronen und durch die Slums der Afghanflüchtlinge, bis er schließlich auf eine Polizeistation am Rande der Großstadt trifft. Endlich ist er in Sicherheit.
Trotz der traumatischen Erfahrungen, die er in Pakistan gemacht hat, hält der evangelische Pfarrer daran fest, dass christliche Mission in islamischen Ländern wichtig ist: «Die Liebe Gottes gilt den Menschen auch in diesen Regionen.» Murdoch engagiert sich ehrenamtlich als Vorsitzender des Arbeitskreises für Religionsfreiheit der Deutschen Evangelischen Allianz, dem Dachverband der Evangelikalen. Natürlich gehe es nicht darum, den christlichen Glauben jemandem aufzuzwingen. Aber dort, wo Interesse besteht, müsse es die Freiheit geben, sich auch für einen anderen
Glauben zu entscheiden, sagt Murdoch.
Judith Kubitscheck (epd)
www.epd-sw.de