05.10.2009

Berliner Verhältnisse

Von Bernward Büchner

Berliner Verhältnisse

Von Bernward Büchner

Schlimm genug, was sich beim diesjährigen „Marsch für das Leben“ des Bundesver-bandes Lebensrecht in Berlin die Gegendemonstranten geleistet haben. Der Ausdruck des Hasses gegen Gott und das, was Christen heilig ist, kannte schier keine Grenzen. Den friedlich für das Leben Demonstrierenden flog eine angebrannte Bibel entgegen und beim ökumenischen Gottesdienst in der überfüllten St. Hedwigs-Kathedrale versuchte eine Frau, mehrere Eier in Richtung Altar zu werfen. 

Auch der zwischenmenschliche Respekt blieb auf der Strecke. Während sich die Lebensrechtler friedlich verhielten, nicht provozieren ließen und auch an die Menschenwürde ihrer Gegner erinnerten, sparten diese nicht mit unsäglichen Beleidigungen. Der jungen Frau, die den Mut hatte, von der Erfahrung einer eigenen Abtreibung zu berichten, rief man entgegen „Du Hexe, man sollte dich verbrennen.“ 

Urheber dieses schamlosen Treibens war ein Bündnis mehrerer Organisationen, das unter der Parole „1000 Kreuze in die Spree“ zu einer Gegendemonstration aufgeru-fen hatte. Zu ihm gehörten neben feministischen und „antifaschistischen“ Gruppen die Linkspartei und das mit Steuergeldern geförderte Familienplanungszentrum Berlin, dessen Träger die Berliner Ärztekammer und Pro Familia sind. Niemand aus diesem Bündnis hat sich von den Ungeistern, die man gerufen hatte, und ihren Hassausbrüchen vernehmbar distanziert. Das Ergebnis der Bundestagswahl wird diesen lebens- und glaubensfeindlichen Kräften weiteren Auftrieb geben.

Man stelle sich vor, der Glaube von Juden oder Muslimen wäre in ähnlicher Weise geschmäht, zum Versenken von Symbolen ihrer Religion in die Spree aufgerufen oder ein Exemplar des Korans öffentlich verbrannt worden. Der Aufschrei des Entsetzens wäre unüberhörbar gewesen. Wo bleibt ein solcher Aufschrei über das, was Christen in Berlin erleben mussten? Weil ihre Botschaft totgeschwiegen werden soll, bleibt auch die Reaktion der Gegner unbeachtet und unkommentiert.

Bemerkenswert erscheint, dass es sich bei diesen Gegnern nicht nur um Frauen handelte, die, soweit persönlich betroffen, im Grunde Verständnis und Mitleid verdie-nen, sondern in der Mehrzahl um Männer, die allzu oft die Nutznießer einer Abtrei-bung sind. 

Zu den erfreulichen Berliner Erfahrungen gehört, dass auch in dieser rot-rot-regierten Bundeshauptstadt die Polizei nach wie vor entschlossen und in der Lage ist, den Lebensrechtlern mit Umsicht und Besonnenheit die Ausübung ihres Demonstrations-rechts zu ermöglichen. 

Die Zahl derer, die zum „Marsch für das Leben“ nach Berlin kommen, um von diesem Recht Gebrauch zu machen, nimmt von Jahr zu Jahr zu. Immer mehr Menschen er- kennen, wie dringlich es ist, für den Schutz des menschlichen Lebens einzutreten. Gemeinsam erinnern sie an die jährlich hunderttausendfache Tötung ungeborener Kinder allein in unserem Land. Sie tun dies trauernd um diese Kinder, schweigend und ohne persönliche Schuldvorwürfe zu erheben.  

Damit das Lebensrecht ungeborener Kinder tatsächlich geachtet wird, muss das Be- wusstsein dafür erhalten und wo nötig wieder geweckt werden, dass Abtreibung nicht, wie auf einem der Transparente stand, „zum Leben dazu gehört“, sondern die Tötung eines Menschen, deshalb schweres Unrecht ist, ihre „kunstgerechte“ Vornahme hieran nichts ändert und es ein „Recht auf Abtreibung“ nicht geben kann. Je dreister ein solches Recht behauptet und je mehr die Abtreibung als angeblich der „sexuellen und reproduktiven Gesundheit“ der Frauen dienend verharmlost wird, müssen Christen den stummen Schrei der Ungeborenen vernehmbar machen, für ihr Lebensrecht eintreten und über die Folgen auch einer angeblich „sicheren“ Abtrei-bung für die Gesundheit der Frauen aufklären. 

Die Teilnehmer des alljährlichen „Marsches für das Leben“ sind keine geschlossene Gesellschaft. Sie rufen alle Christen dazu auf, im nächsten Jahr am 18. September nach Berlin zu kommen und sich zu beteiligen, um gemeinsam ein deutlich wahr-nehmbares Zeichen zu setzen. Sie haben die Hoffnung, dass auch deutsche Bischö-fe künftig dem Beispiel des Salzburger Weihbischofs Laun folgen und sich zur Teil-nahme entschließen. 

Der Verfasser ist Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht a. D. und Vorsitzender der Juristen-Vereinigung Lebensrecht e. V. (Köln).