08.05.2009
Stellungnahme des Christus-Treff Marburg
21.5.2009“ unter dem Motto „Kein Raum für Sexismus, Homophobie und religiösen Fundamentalismus“
Stellungnahme des Christus-Treff Marburg
21.5.2009“ unter dem Motto „Kein Raum für Sexismus, Homophobie und religiösen Fundamentalismus“
(Marburg, 8. Mai 2009) Der Christus-Treff ist eine ökumenische Gemeinschaft von Christinnen und Christen im Rahmen der Evangelischen Kirche. Die ihn tragende kommunitäre Jesus-Gemeinschaft ist Teil des Netzwerks von Kommunitäten und geistlichen Gemeinschaften in der EKD (Ev. Kirche in Deutschland).
Entstanden ist der Christus-Treff Anfang der achtziger Jahre aus einer verbindlichen Gemeinschaft von christlichen Studentinnen und Studenten. In die wöchentlichen Gottesdienste kommen zurzeit mehrere Hundert Menschen. Der Christus-Treff engagiert sich in verschiedenen sozialen Projekten in Marburg und in Ländern der Zweidrittelwelt.Im Auftrag des Deutschen Johanniterordens betreiben Mitarbeiter des Christus-Treff Marburg das Johanniterhospiz in der Altstadt von Jerusalem als Gästehaus und Ort der Versöhnung. Der „Aufruf zur Demonstration“ enthält eine ganze Reihe von sachlichen Fehlern sowie von unwahren, falschen und die Wahrheit verzerrenden Aussagen.Was die Richtigstellung dieser falschen Tatsachenbehauptungen im Allgemeinen betrifft, verweisen wir auf die Presseerklärungen der Akademie für Psychotherapie und Seelsorge und der anderen genannten Organisationen.Hier nehmen wir nur Stellung zu den Aussagen, die den Christus-Treff betreffen.
1.Im Aufruf heißt es:
„Evangelikale sind eine rückwärtsgerichtete Strömung innerhalb des Protestantismus, die sich durch fundamentalistische Bibelauslegung, Absolutheits- und Missionierungsanspruch auszeichnet und die nach gesellschaftlichem Einfluss streben. Ein Beispiel hierfür ist der Marburger Christus Treff, dessen wöchentliche Gottesdienste großen Anklang finden.“
Dazu sagen wir:
Im Christus-Treff engagieren sich Christinnen und Christen unterschiedlichster geistlicher Herkunft und politischer Überzeugung. Weder sind wir „rückwärtsgerichtet“, noch praktizieren wir eine „fundamentalistische Bibelauslegung. In unseren über 40 Bibelgesprächskreisen wird offen, selbstbestimmt und häufig auch kontrovers über Bibeltexte diskutiert. In unseren Gottesdiensten kommen in den Predigten viele unterschiedliche Frauen und Männer zu Wort, sowohl TheologInnen als auch Nicht-TheologInnen. Genauso wenig haben wir einen „Absolutheits- und Missionierungsanspruch“. Wahr ist, dass für uns gemeinsam mit der ganzen weltweiten Kirche die Bibel und die altchristlichen Glaubensbekenntnisse verbindlich sind. Ebenso stellen wir uns in die Tradition der Reformation und bestätigen vor allem die Bekenntnisse der evangelischen Kirche. Dass der Glaube an Jesus Christus auch zur Folge hat, dass wir andere Menschen zu diesem Glauben einladen möchten, ist keine Besonderheit des Christus-Treff, sondern ein Kennzeichen der gesamten christlichen Kirche.
2. Im Aufruf wird danach der Prior der kommunitären Jesus-Gemeinschaft und Leiter des Christus-Treff, Dr. Roland Werner, genannt. Es heißt: „Roland Werner, Leiter des Christus Treffs, Vorsitzender des Jugendkongresses Christival 2008, … soll eines der Hauptseminare halten.“
Dazu sagen wir:
Das ist in der Tat der Fall. Das Referat von Dr. Roland Werner (Studium der Afrikanistik, Semitistik, Religionswissenschaft, Theologie) trägt den Titel: „Identität und Identitätsentwicklung in traditionellen Gesellschaften“ Im Programmheft des Kongresses findet sich dazu folgender erklärender Text: „Identität, Religion, Kultur Das kulturelle, regionale, ethnische, soziologische und nicht zuletzt auch religiöse Umfeld, in dem Menschen aufwachsen, prägt ihre Persönlichkeitsentwicklung. Ein Blick über den Tellerrand, vor allem in den islamischen und afrikanischen Raum, ermöglicht auch Rückschlüsse auf die Fragen nach der Identität in unserer westlichen Kultur.“ Anders als der „Aufruf“ suggeriert, geht es bei diesem Vortrag in keiner Weise um Sexualität oder Homosexualität, sondern darum, von den Erfahrungen anderer Kulturen zu lernen. Was im übrigen die verfälschenden Aussagen im „Aufruf“ zur Person und Biographie von Roland Werner betrifft, weisen wir sie zurück und verweisen auf das Recht auf Privatsphäre und Schutz der Person.
3. Im Aufruf heißt es:
„Wenn anderen Menschen ein Lebensentwurf aufgedrückt werden soll, der ihren Gefühlen, Bedürfnissen und Vorstellungen widerspricht, hat dies nichts mehr mit Toleranz oder Meinungsfreiheit zu tun, sondern ist schlicht und einfach diskriminierend und menschenverachtend.“
Dazu sagen wir:
Das sehen wir auch so. Wir sind dagegen, dass irgendeinem Menschen von irgendjemandem ein Lebensentwurf aufgedrückt werden soll. Davon distanzieren wir uns ausdrücklich. Als Christen glauben wir, dass jeder Mensch im Ebenbild Gottes geschaffen ist. Deshalb respektieren wir jeden Menschen einschließlich seiner Lebensentscheidungen.
Deshalb wundern wir uns, dass es in dem Aufruf weiter heißt:
„Daher fordern wir die Absage des Kongresses und sprechen uns für ein freies und selbstbestimmtes Leben aus, in dem alle Menschen leben und lieben können, wen und wie sie wollen!“
Wir lehnen diesen Versuch ab, einen wissenschaftlichen Kongress im Vorfeld zu diskreditieren und das Fachgespräch von Psychiatern, Psychotherapeuten, Psychologen, Therapeuten und Seelsorgern verhindern zu wollen. Solche Forderungen sind ihrerseits intolerant und inakzeptabel.Gerade weil Menschen in unserer Gesellschaft ein freies und selbstbestimmtes Leben führen können sollen, ist der Aufruf, diesen Kongress zu verhindern, in unseren Augen der Versuch eines Eingriff in die Forschungsfreiheit, Redefreiheit, Meinungsfreiheit und Glaubensfreiheit. Hier schließen wir uns der Erklärung der Marburger Evangelischen Allianz an
4.Im Aufruf heißt es:
„Unser Protest richtet sich auch nicht nur gegen ein, zwei oder drei Workshops oder Referent_innen auf dem Kongress, sondern vielmehr gegen die homophobe und religiös-fundamentalistische Ausrichtung der evangelikalen Bewegung. Deshalb werden wir den Kongress verhindern!“
Dazu erklären wir:
Der Christus-Treff, und, soweit wir erkennen können, die gesamte „evangelikale Bewegung“ in den evangelischen Landes- und Freikirchen ist weder „homophob“ noch „religiös-fundamentalistisch“.
Zur Person von Dr. Roland Werner und zum Christival 2008, das ähnlichen Angriffen ausgesetzt war wie der APS-Kongress, drückte der Präsident des Kirchenamtes der EKD, Dr. Herrmann Barth, sein uneingeschränktes Vertrauen aus. Ebenso haben sich leitende Bischöfe verschiedener evangelischen Kirche, darunter Bischof Dr. Johannes Friedrich (Bayern), Bischof Dr. Weber (Braunschweig), Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit (Pommern) und andere stellten sich zum Christival und mahnten einen fairen Umgang der Kritiker an. Bei seinem Besuch beim Christival sagte der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Dr. Wolfgang Huber, auf die Anfragen von Journalisten folgendes: „Und wenn das hier alles konservative Christen wären – was nicht der Fall ist – was wäre denn dann dabei das Problem? Hat unsere Gesellschaft keinen Platz mehr für Konservative?“ Damit hat er alles Notwendige gesagt, auch was den APS-Kongress betrifft.
5. Als Christus-Treff sind wir nicht „gegen“ Menschen, sondern für Menschen. In vielfachen Bezügen setzen sich unsere über 250 Mitarbeiter ständig ehrenamtlich für andere ein, für Kinder, für Jugendliche, für Menschen in Notlagen, für Menschen in Entwicklungsländern. Da offensichtlich in manchen Köpfen ein verzerrtes Bild vom Christus-Treff existiert, laden wir unsere Kritiker hiermit ausdrücklich zum Gespräch ein. Wir sehen darin einen besseren Weg, mit unterschiedlichen Meinungen umzugehen, als zu Boykotts und Demonstrationen aufzurufen. Wir bieten deshalb das Gespräch an und appellieren an alle, die zurzeit Gegner des Kongresses sind, sich noch einmal zu besinnen und vor allem, bei friedlichen Mitteln zu bleiben und nicht die Vorgänge beim Christival von Bremen zu wiederholen, wo jugendliche Teilnehmerinnen und Teilnehmer und auch sie schützende Polizisten von Demonstranten tätlich angegriffen und körperlich verletzt wurden. Solche Gewaltanwendungen sind nicht geeignet, die eigene Meinung überzeugend zu vertreten. In einer offenen Gesellschaft muss es möglich sein, unterschiedliche Meinungen zu ertragen und konstruktiv zu diskutieren. Wir fordern darüber hinaus alle Verantwortlichen in Politik, Universität, Medien und Kirche auf, die Meinungs-, Forschungs-, Rede- und Glaubensfreiheit zu schützen und ihren Beitrag zu leisten, dass Christinnen und Christen genauso wie Menschen anderer persönlicher Überzeugungen in unserer Stadt ohne Furcht vor Angriffen, Einschüchterung und Ausgrenzung leben und arbeiten können. Wir fordern sie ausdrücklich auf, dafür Sorge zu tragen, dass auch in Zukunft Christen in unserer Gesellschaft einschränkungsfrei leben und ihren Beitrag leisten können.
Für den Christus-Treff Marburg und die Jesus-Gemeinschaft
Der Vorstand
Christus-Treff und Jesus-Gemeinschaft
Steinweg 12 – 35037 Marburg – 06421-64470
presse@christus-treff-marburg.de