21.03.2009
Verwahrlosung der Jugend ist den Eltern anzulasten
Neuntes Nationales Gebetsfrühstück ereignete sich in Moskau
Verwahrlosung der Jugend ist den Eltern anzulasten
Neuntes Nationales Gebetsfrühstück ereignete sich in Moskau
M o s k a u -- Rußland vergeude seinen größten Reichtum selbst – seine Jugend. Diese Auffassung vertrat Pastor Juri Sipko, Präsident der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten (RUECB), beim Nationalen Gebetsfrühstück im regierungseigenen Präsident-Hotel in der russischen Hauptstadt am 17. März. Die Verwahrlosung der russischen Jugend sei nicht der Jugend selbst, sondern deren Eltern anzuleisten. „Was hier in unserem Haus geschieht, ist das Ergebnis unserer eigenen Fahrlässigkeit, Eitelkeit und Verlogenheit.“
Dieses neunte Nationale Gebetsfrühstück seit 1995 war dem Thema der Jugend gewidmet. In dem Zusammenhang wurden erschreckende Zahlen genannt: In Rußland sollen sich mehr als 900.000 Menschen im Gefängnis befinden; zwei Millionen (1,5% der Bevölkerung) seien drogenabhängig. Der pro Kopf Verbrauch an reinem Alkohol pro Jahr soll bei 16 Litern pro Staatsbürger liegen. (In den USA liegt der Verbrauch um 50% niedriger.)
Konstantin Bendas, „Geschäftsführer für die Angelegenheiten des Vorstehers“ bei der charismatischen „Vereinigten Russischen Union der Christen Evangelisch-Pfingstlerichen Glaubens“ (ROSChWE auf Russisch), gab die seit Jahren vertretene Haltung der Protestanten wieder. Er versicherte, man müsse alle Christen und wohlmeinenden Kräfte vereinen, um den sozialen Mißständen des Landes Herr zu werden. Daß Protestanten das Recht verdient hätten, sich zu sozialen Fragen zu äußern, hatte der Journalist Roman Lunkin wenige Tage zuvor im oppositionellen, orthodoxen Pressedienst „Portal-Credo“ unterstrichen: „Die Protestanten arbeiten häufig aktiver mit Rauschgiftsüchtigen, Gammlern und Verwahrlosten zusammen als die Vertreter der Russischen Orthodoxen Kirche - Moskauer Patriarchats und der Muslime.“
Im Privatgespräch nach der Veranstaltung versicherte der Botschafter eines westeuropäischen Staates: „Mir hat es hier sehr gefallen. Man hat nicht um den heißen Brei geredet, so wie ich es bei staatlichen Veranstaltungen gewohnt bin. Hier wurde klarer Wein eingeschenkt. Ich werde in Zukunft immer wieder kommen.“ In diesem Jahr waren erstmals die Botschafter ausländischer Staaten eingeladen worden; auch US-Botschafter John Beyrle nahm die Einladung wahr.
Gute Wünsche für die Weiterentwicklung gab es von alten Freunden des Gebetsfrühstücks. Alexander Torschin, Stellvertretender Vorsitzender des Oberhauses, des „Rates der Russischen Föderation“, der die Versammelten mit „Brüder und Schwestern“ ansprach, hatte am 5. Februar das Gebetsfrühstück in der US-Hauptstadt mit seinen 2.800 geladenen Gästen besucht. Nun wünschte er der russischen Fassung einen ähnlichen Erfolg. Zum 10. Frühstück im kommenden Jahr hofft er – wie in USA – auf die Anwesenheit des Staatspräsidenten und anderer führender Staatsvertreter. Ein weiterer Freund des Gebetsfrühstücks und Verfechter eines pluralistischen Rußlands, Wladimir Lukin, Beauftragter für Menschenrechtsfragen bei der russischen Regierung und russischer Botschafter in den USA 1992-93, äußerte ähnliche Wünsche. Auch Rabbi Jitzhak Kogan, Direktor der Bronnaja Synagoge Agudas Chasidei Chabad in Moskau, ließ die Gebetsfrühstücksbewegung hochleben.
Ein wenig getrübt wurde die Freude dadurch, daß dem Frühstück - trotz einer gleichbleibenden Besucherzahl von 350 - wichtige Gäste fehlten. Zum ersten Mal seit Jahren weigerte sich das Moskauer Patriarchat, Grüße durch einen Vertreter übermitteln zu lassen. Trotz Dienstantritts des als weltoffen geltenden Patriarchen Kirill vor sechs Wochen scheint sich eine Monopolisierung der Beziehungen zwischen Kirche und Staat durch das Moskauer Patriarchat zu verstärken. Laut Berichterstattung des „Portal-Credo“ über das Treffen des Staates mit Kirchenvertretern in Tula am 11. März soll der „Rat für die Zusammenarbeit mit den religiösen Organisationen am Sitz des Russischen Präsidenten“ in einen faktischen „Rat für die Zusammenarbeit mit dem Moskauer Patriarchat“ umfunktioniert werden. Die Agentur schreibt: „Die Positionen aller religiösen Organisationen Rußlands abgesehen vom Moskauer Patriarchat werden bedeutend abgeschwächt.“
Auch hausintern hat die russische Frühstücksbewegung mit Gegenwind zu kämpfen. Zahlreiche Vertreter der charismatischen ROSChWE waren beim Gebetsfrühstück 2009 dabei, doch deren Bischof, Sergei Rjachowski, fiel durch Nichtanwesenheit auf. Man hört, es werde einige Mühe geben müssen, um eine Zersplitterung der protestantischen Bewegung Rußlands – sie umfaßt nicht mehr als 1 Million Menschen - aufzuhalten. Zur Debatte stehen Fragen von Führungspositionen und der politischen Nähe zum russischen Staat – nicht Theologie.
Seit 2002 findet in Moskau jährlich ein Nationales Gebetsfrühstück statt. Nationale Gebetsfrühstücke ereignen sich in mehr als 60 Ländern. Vorstandsvorsitzender der russischen „Stiftung Nationales Gebetsfrühstück“ ist der Baptistenpastor Witali Wlasenko, auch Abteilungsleiter für kirchliche Außenbeziehungen bei der RUECB.
Dr. William Yoder
Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen der RUECB
Moskau, 19. März 2009
baptistrelations@yandex.ru
www.baptist.org.ru