24.06.2009

Mein Schwager – ein Märtyrer

Die Geschichte des türkischen Christen Necati Aydin

„Den 18. April 2007 werde ich wohl nie vergessen. Mein Schwager Necati Aydin, der deutsche Christ Tilmann Geske sowie Ugur Yüksel werden in ihrem Büro in der türkischen Stadt Malatya von fünf jungen Männern überfallen, brutal gefoltert und schließlich ermordet. Der ausdrückliche Grund: sie sind Christen, die ihren Glauben in der Türkei offen teilen. Später geben die Täter zu Protokoll, dass sie an diesem Tag auch mich hatten töten wollen ..." Wolfgang Häde

Wofür lohnt es sich zu leben – und zu sterben? Der türkische Christ und Pastor Necati Aydin starb im Alter von knapp 35 Jahren für seinen Glauben an Jesus Christus. Persönlich betroffen und dennoch sachlich, schildert Wolfgang Häde den Lebensweg seines Schwagers. An seiner Geschichte wird beispielhaft der Alltag von Christen und Gemeinden in der Türkei deutlich.

Das Gebiet der heutigen Türkei gehört zu den Gegenden, in denen sich das Christentum früh ausbreitete. Heute sind von den über 70 Millionen Einwohnern nur rund 100.000 Christen, unter ihnen vielleicht 3.000 ehemalige Muslime. Die Verfassung garantiert zwar Religionsfreiheit, in der Lebenswirklichkeit begegnen Christen jedoch vielfach Benachteiligungen. In der Gesellschaft gilt: Ein guter Türke ist Muslim.

Wolfgang Häde, Jahrgang 1958, ist verheiratet mit der Türkin Janet; die beiden haben eine Tochter. Familie Häde lebte einige Jahre in Izmit in der Westtürkei und wirkte beim Aufbau einer evangelischen türkischen Gemeinde mit.  

Als Martin Bucer Seminar hatten wir eine besondere Beziehung zu Necati Aydin, hatte er doch neben seiner Arbeit für den Zirve-Verlag und dem Aufbau der kleinen protestantischen Gemeinde in Malatya parallel auch mit einer theologischen Ausbildung am türkischen Zweig des Martin Bucer Seminars begonnen. Weil uns die letzte Begegnung mit Necati vor dem Mordanschlag in einem Seminar in Ankara noch sehr präsent war, war der Schock umso größer (siehe dazu auch frühere BQs).

Jetzt sind bereits über zwei Jahre seit der Bluttat vergangen. Im Prozess in Malatya ist noch kein Ende abzusehen, nachdem die Staatsanwaltschaft im Zuge der allgemeinen Ermittlungen gegen die Untergrundorganisation „Ergenekon" seit einigen Monaten endlich auch die wahrscheinlichen Verbindungen der Malatya-Mörder zu diesen Kreisen prüft, denen in den türkischen Medien seitdem auch die Morde in Malatya zugeschrieben werden (ebenso wie die Morde an dem armenischen Publizisten Hrant Dink Anfang 2007 in Istanbul und an dem katholischen Priester Andrea Santoro in Trabzon im Februar 2006).

Zahlreiche Spenden haben es uns als Seminar ermöglicht, die Hinterbliebenen zu unterstützen, im besondern die Ausbildung der Kinder, die nun keinen Vater mehr haben. Über weitere Spenden konnte aber auch einer Reihe von protestantischen Gemeinden geholfen werden, dringend erforderliche Sicherheitstechnik zu installieren. In unserer Partnergemeinde in Ankara mussten nicht nur innerhalb und außerhalb des Gebäudes Kameras installiert werden, sondern zusätzlich ein Wachhäuschen für die Polizei aufgestellt werden, da bei Veranstaltungen die persönliche Präsenz von Polizisten aus Sicherheitsgründen leider erforderlich geworden ist. Da uns immer noch Anfragen auf Unterstützung für Sicherheitstechnik erreichen, freuen wir uns nach wie vor über jede finanzielle Hilfe. Aber selbstverständlich ist auch nach wie vor die Unterstützung der hinterbliebenen Familien notwendig und über uns möglich.

Titus Vogt, Prodekan Martin Bucer Seminar, Verantwortlicher für Arbeit in der Türkei