23.01.2009

Wie man auch beten kann

Allianzgebetswoche 2009 an drei ungewöhnlichen Orten erlebt

Wie man auch beten kann

Allianzgebetswoche 2009 an drei ungewöhnlichen Orten erlebt

Die Allianzgebetswoche am Beginn eines jeden Jahres ist die älteste und größte Gebetsinitiative, die Christen aus evangelischen Landes- und Freikirchen im deutschsprachigen Europa an 1.500 Orten vereint. idea-Mitarbeiter haben Gebetsveranstaltungen besucht, die in einem ungewöhnlichen Rahmen stattfanden – in Nürnberg, Bonn und Chemnitz.

I. Nürnberg: Täglich beten hinter Schaufenstern

Nürnberg ist die Stadt des Malers Albrecht Dürer (1471-1528). Weltweite Bekanntheit erlangte sein Bild „Betende Hände“ aus dem Jahr 1508. Nürnberg ist aber auch die Stadt mit dem einzigen Gebetsladen Deutschlands. „Darf ich für Sie beten und Sie segnen?“ heißt es auf einem Plakatständer vor einem Schaufenster am Kornmarkt – zehn Gehminuten vom Hauptbahnhof. Seit drei Jahren betreibt die örtliche Evangelische Allianz hier einen Laden, in dem man nichts kaufen kann. Man bekommt etwas geschenkt: Gesprächspartner mit Zeit! Von montags bis freitags (11-18.30 Uhr) und samstags (11-16 Uhr) stehen ehrenamtliche Mitarbeiter der Allianz bereit, um mit Besuchern zu reden und zu beten. Die einen kommen, um zwischen ihren Einkäufen eine Gebetspause einzulegen, andere, weil ihnen etwas auf der Seele brennt – familiäre Probleme, Arbeitslosigkeit, Krankheit, so der Leiter des Gebetsladens, Klaus Sparla. Nach seinen Erfahrungen dauern die Gespräche in der Regel zwischen 30 und 60 Minuten. Sie enden jeweils mit dem Angebot, für den Gast zu beten. Sparla zufolge heißt es in den Reaktionen immer wieder: „Das hat mir so gut getan“ oder „Ich fühle mich erleichtert“. Für seelsorgerliche Gespräche steht ein abgetrennter Raum zur Verfügung. Laut Sparla engagieren sich in dem Laden fast 30 Christen – davon zwölf fast jede Woche – aus landes- und freikirchlichen Gemeinden, die in der Allianz zusammenarbeiten. Sie sind abwechselnd für jeweils zwei bis drei Stunden da, um Besuchern zuzuhören und mit ihnen zu beten.

 

Berufung zum Beten

Zu ihnen gehört Günther Kerschbaum (59), der Qualitätsprüfer für Schienenfahrzeuge war, bevor er arbeitslos wurde. Heute sieht er es als seine Berufung an, ehrenamtlich im Gebetsladen zu arbeiten. Durchschnittlich 20 Stunden pro Woche ist er hier. In den Laden kommen täglich meist zwischen ein und sechs Personen. Viele hinterlassen in einem Gästebuch ihre Anliegen oder drücken ihre Dankbarkeit aus. „Bitte betet für meine Tochter Celine, die magersüchtig ist“, schreibt eine Mutter. Friedrich B. dankt, dass er nach 15-monatiger Arbeitslosigkeit wieder eine Arbeitsstelle hat. Mimi und Annika schreiben: „Hey, lieber Papa im Himmel, lass uns derbe krass auf Dich vertrauen!“ Der 36 Quadratmeter große Gebetsladen schließt direkt an eine Alpha-Buchhandlung an. Beide sind Mieter im CVJM-Haus. Die Idee zu dem Gebetsladen hatte die Leiterin der Buchhandlung, Mechthild Roth. Sie machte die Erfahrung, dass zahlreiche Kunden Hilfe bei Glaubens- und Lebensfragen wünschen. Die Leitung der örtlichen Allianz befasste sich zeitgleich mit der Frage, wie sie die Einwohner der Stadt erreichen kann, und griff den Impuls auf. Eine Erbschaft half bei der Realisierung. Am 18. Februar 2006 öffnete der Gebetsladen seine Pforten. Die Kosten belaufen sich auf jährlich 18.000 Euro, so der Nürnberger Allianz-Vorsitzende, der Baptistenpastor Mathias Barthel. Seine Erfahrung im Blick auf die Finanzen: „Gott gibt jedes Jahr genau das, was wir brauchen.“ Barthel zufolge will der Gebetsladen kein Seelsorgezentrum für Christen sein: „Wir verstehen uns als eine missionarische Einrichtung.“ Er schätzt, dass die Allianz durch den Gebetsladen mit jährlich rund 700 Personen in Kontakt kommt, darunter viele ohne Gemeindebindung. Der Laden, der hin und wieder auch für Lesungen und Vorträge mit bis zu 25 Besuchern dient, ist auch Treffpunkt während der Allianzgebetswoche.

 

Allianzgebetswoche zwischen 8 und 9 Uhr morgens

In diesem Jahr kamen jeden Morgen zwischen 8 und 9 Uhr jeweils drei bis acht Christen zusammen. Angesichts der positiven Erfahrungen hat die Leitung der Nürnberger Allianz entschieden, den Gebetsladen für weitere drei Jahre zu betreiben. Pastor Barthel würde es begrüßen, wenn auch andere Allianzen diese Idee aufgreifen. So sehen es auch viele Besucher. „Der Gebetsladen ist die beste Erfindung, die es gibt. So etwas sollte es überall geben, um den Menschen Halt und Begleitung im seelischen Alltag zu geben“, heißt es in einem Eintrag im Gästebuch. Christian Starke

 

II. Bonn: Beten am sichersten Ort – bei der Polizei

Fast wäre der Pastor selber Polizist geworden. „Die Bewerbungsunterlagen lagen mehrere Tage ausgefüllt auf meinem Schreibtisch“, sagt Andreas Fehler vor den rund 200 Christen, die sich am 13. Januar in Bonn zum Beten versammelt haben. Der Pastor der Freien evangelischen Gemeinde in der Bundesstadt fühlte sich dann aber doch eher zum Theologiestudium berufen, als für die Sicherheit im Land zu sorgen. Doch an diesem Abend verbinden sich Kindheitswunsch und Berufung: denn Fehler predigt im Polizeipräsidium der Stadt. Der Festgottesdienst im Rahmen der diesjährigen Allianzgebetswoche in der Schaltzentrale der Bonner Polizei ist ein Novum. Doch der Leiter der Direktion „Zentrale Aufgaben“ im Präsidium, Ludger Königs, der den Polizeipräsidenten Wolfgang Albers vertritt, stellt klar: „Wir sind ein offenes Haus.“ Und deshalb freue er sich, dass die Evangelische Allianz an diesem Abend zu Gast ist. Das Thema des Abends („Durch den Glauben handeln wir mutig“) passt aus Sicht von Fehler zur Polizeiarbeit: Sie müssten mutig sein und manchmal auch die Kraft haben, sich der Mehrheit entgegenzustellen. Mut habe auch Noah bewiesen – um den es im Predigttext geht – der trotz Hohn und Spott der Nachbarn auf Anweisung Gottes ein großes Schiff baute. Fehler: „Wenn Gott redet, haben Sie das Anrecht, das zu tun, was er sagt.“ Es gehe darum, nach dem Ideal – dem Willen Gottes – zu streben, ohne die Augen vor der Realität zu verschließen, sagt der Pastor. Ähnlich gehe es den Polizisten, wenn sie sich stets bemühten, für Sicherheit zu sorgen, und doch wissen: Überflüssig werden sie nie.

Polizei: Kommt wieder!

Um die Realität geht es dann auch in den anschließenden Gebeten, die die Christen erst in kleinen Gruppen, dann gemeinsam sprechen: Ein arabischer Christ bittet für die Muslime im Land, dass sie zu Jesus finden mögen. Unter Tränen und mit zittriger Stimme bringt eine Christin aus Äthiopien die Anliegen der afrikanischen Geschwister vor Gott, wie zum Beispiel die derzeitige Cholera-Epidemie in Simbabwe oder das Leid von rund 22 Millionen HIV-Infizierten. Es folgen Gebete für die Christen in China und die Stadt Bonn. Am Ende sind einige der 200 Besucher sehr bewegt von der Gemeinschaft, die sie an diesem Abend erlebten. Und auch ein Polizist hat Tränen in den Augen. Königs – der selbst keiner Gemeinde angehört – spricht im Anschluss von einer gelungenen Veranstaltung. Er sei zwar nicht der Hausherr, aber wenn es nach ihm ginge, dürften die Christen wiederkommen. Tobias-Benjamin Ottmar

 

III: Chemnitz: Palästinenser, ProChrist und Prostituierte

In Chemnitz hatte die Abschluss-veranstaltung der diesjährigen Allianzgebetswoche zwei Schwerpunkte: Zum einen das Geschehen in Israel und dem Gazastreifen und zum anderen – wie könnte es anders sein – die Großevangelisation ProChrist, die vom 29. März bis 5. April in der sächsischen Metropole stattfindet, die zu DDR-Zeiten Karl-Marx-Stadt hieß. Rund 750 Menschen hatten sich am frühen Nachmittag auf dem Rathausplatz zusammengefunden, um ihre Solidarität mit der Zivilbevölkerung in Israel und Gaza zu bekunden. Kirchliche Gruppen wie die Evangelische Allianz Chemnitz, die „Sächsischen Israelfreunde“ und der Arbeitskreis „Hilfe für Israel“ hatten zu der Kundgebung eingeladen. Unter den Teilnehmern war auch Prominenz aus der lokalen Politik. So beispielsweise der frühere sächsische CDU-Fraktionsvorsitzende Fritz Hähle. „Ich bin gekommen, um mich für das Existenzrecht des Staates Israel einzusetzen“, erklärte er und fügte an: „Auch bei der Mehrheit der Palästinenser ist die Sehnsucht nach Frieden und Versöhnung groß. Sie benötigen unsere Hilfe.“ Den Abschluss der Kundgebung bildete eine Schweigeminute für die Opfer auf beiden Seiten. Pfarrer i. R. Winfried Amelung vom Arbeitskreis „Hilfe für Israel“ erinnerte an eine Meldung im „Chemnitzer Anzeiger“ von 1933, in dem Chemnitz als „die dem Führer am treusten ergebene Stadt“ gewürdigt wurde. Deshalb freue er sich besonders über die rege Beteiligung an der Kundgebung als Zeichen der Solidarität mit Israel.

 

Keine Werbung für ProChrist in Einkaufszentren

Beim anschließenden Abschlussgottesdienst der Allianzgebetswoche in den Räumen des Landeskirchlichen Gemeinschaftsverbandes zeigte sich der Vorsitzende der Evangelischen Allianz in Chemnitz, Heilsarmeeoffizier Stephan Barthel, zufrieden mit der Beteiligung an der diesjährigen Gebetswoche. Nachmittags seien jeweils 20 bis 30 Christen gekommen, „abends deutlich mehr“. Besonders gefreut habe er sich, dass auch zahlreiche junge Leute zu den Veranstaltungen gekommen seien. „Das ist eine gute Sache, die Leute beten wirklich mit!“ In seiner Predigt rief der Vorsitzende des ProChrist-Vorstandes, Klaus Rudolph, die Anwesenden dazu auf, für die bevorstehende Großevangelisation zu beten. „Ein geduldiges Gebet für die Stadt, das wird das Wichtigste der nächsten Wochen sein.“ Enttäuscht zeigte sich Rudolph darüber, dass keine weitere Präsentation von ProChrist in den Chemnitzer Einkaufszentren möglich sei. Alle Center-Manager hätten abgesagt. Als Begründung hätten sie einen „erheblichen Interessenskonflikt“ zwischen den Vorstellungen der Händler und der Kirchen zu Ladenöffnungszeiten angeführt. Dies mache die Präsentation einer kirchlichen Veranstaltung im Einkaufszentrum unmöglich.

 

Prostituierte einladen

Zum Abschluss forderte Rudolph seine Hörer – Bezug nehmend auf die Hure Rahab aus dem Predigttext – auf, die Chemnitzer Prostituierten ganz besonders zu ProChrist einzuladen. Er sei sich zunächst nicht sicher gewesen, ob er solch ein Thema zur Gebetswoche ansprechen dürfe, meinte er. Doch vielleicht fänden sich ja gerade hier Frauen mit Ideen, um diesen besonders verletzten Menschen Gottes Liebe nahezubringen.

Dorothee Morgenstern