20.01.2009
Krisen und Konflikte: Christen setzen auf Gebet
Gebetswoche der Evangelischen Allianz: 350.000 Besucher in Deutschland
Krisen und Konflikte: Christen setzen auf Gebet
Gebetswoche der Evangelischen Allianz: 350.000 Besucher in Deutschland
W e t z l a r (idea) – Angesichts zunehmender internationaler Krisen und Konflikte haben Hunderttausende Christen im deutschsprachigen Europa um den Beistand Gottes gebetet. Sie versammelten sich vom 11. bis 18. Januar zur traditionellen Gebetswoche der Evangelischen Allianz. Nach einer Hochrechnung der deutschen Allianz beteiligten sich hierzulande wie im Vorjahr rund 350.000 Christen an 1.100 Orten. Die Finanz- und Wirtschaftskrise, die Lage im Nahen Osten und die Situation verfolgter Christen hätten bei den Gebetsveranstaltungen eine große Rolle gespielt, berichteten der Allianzvorsitzende Jürgen Werth (Wetzlar), und Generalsekretär Hartmut Steeb (Stuttgart) gegenüber idea. Neben den traditionellen Gebetstreffen an den Abenden in Kirchen und Gemeindehäusern hätten sich zahlreiche neue Veranstaltungsformen entwickelt. Die Bandbreite reiche vom Gebetsfrühstück über Gebetskonzerte, liturgische Gebete, internationale Gebetsfesten bis hin zu Gebeten in Kranken- und Rathäusern, in Straßenbahnen oder im Polizeipräsidium. Hohen politischen Besuch hatte die Allianzgebetswoche in Bremen: Dort richtete Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) ein Grußwort an die Besucher des Abschlussgottesdienstes im Dom. Vor den rund 600 Besuchern dankte er den in der Allianz engagierten Gemeinden und Gemeinschaften für ihr großes Engagement auf fast allen Feldern des gesellschaftlichen Zusammenlebens, darunter für Suchtkranke und die Integration von Migranten. Böhrnsen: „Ihre Arbeit und Ihr Wirken sind ein Segen für unsere Stadt.“ Kirchen seien nicht nur Orte des Glaubens: „Ich erlebe sie auch als Grundfesten des Friedens und der Menschlichkeit.“
„Bibeldemenz“: Glaubenswissen schwindet
In seiner Predigt in dem Gottesdienst beklagte der Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes (Vereinigung Landeskirchlicher Gemeinschaften), Pfarrer Christoph Morgner (Kassel), ein „hohes Maß an Bibeldemenz“. Das Wissen über die Heilige Schrift schwinde in der Gesellschaft. Gemeinden könnten zwar keinen Glauben erzeugen, aber Glaubenswissen vermitteln: „Dann warten wir ab und beten, was Gott damit anfängt.“ Der „Gnadauer“ Generalsekretär Theo Schneider (Kassel) sprach zum Abschluss in Kaiserslautern. Vor über 400 Besuchern bezeichnete er es als ein Zerrbild, wenn Kritiker des Christentums das Christsein mit Enge und Verbohrtheit gleichsetzten. Das Gegenteil sei richtig: „Wer in Christus verankert ist, kann weit denken und handeln.“
Was Gemeinden gefährdet
In der Hamburger Hauptkirche St. Petri kamen im Abschlussgottesdienst knapp 700 Christen zusammen. Der Verleger und Journalist Ulrich Eggers (Cuxhaven) vertrat in der Predigt die Ansicht, dass Christen und Gemeinden trotz zunehmender Angriffe weniger von außen als vielmehr von innerer Glaubenslosigkeit und Misstrauen gegen Gott gefährdet seien: „Nur dankbares Zurückschauen und der vertrauensvolle Blick auf die unsichtbare Wirklichkeit Gottes auch in Leid, Problemen und Gegenwind versetzt uns in die Lage, auf die Zukunft zu setzen.“
Vorreiter beim Umweltschutz sein
Der Präses des Bundes Freier evangelischer Gemeinden, Ansgar Hörsting (Witten), sagte bei der Allianzgebetswoche in Siegen vor 370 Besuchern, Christen sollten Vorreiter beim Umweltschutz sein. Dabei wüssten sie, dass dies nie zur Hauptaufgabe werden dürfe: „Wir beten nicht die Schöpfung an, sondern den Schöpfer.“ Als Beispiel dafür, wie man mit dem Gebet konkret umgehen könne, berichtete Hörsting von einem Christen, der jeden Tag um 18 Uhr gebetet habe. Wenn Gäste im Haus waren, habe er sich von anderen kurz vor dieser Uhrzeit mit den Worten verabschiedet: „Ich habe einen Termin, ich muss jetzt zu meinem Herrn gehen.“ Gebetsanliegen habe er auf Zetteln geschrieben und in einer Schachtel verwahrt, so dass nichts verloren gehen konnte. In Bielefeld trafen sich zum Auftakt der Gebetswoche rund 290 Christen aus 26 landes- und freikirchlichen Gemeinden im Rathaus. In den Gebeten sei es vor allem um die soziale Situation und entsprechende Initiativen der Stadt gegangen, sagte der Allianz-Vorsitzende Heinrich Baumann. Beim Abschlussgottesdienst bezeichnete der Direktor des Allianzhauses in Bad Blankenburg, Pfarrer Reinhard Holmer, die Gebetswoche als „Zukunftswerkstatt, Tankstelle, Orientierungshilfe und manchmal auch Klagemauer“.
Angebot: „Wir beten für Sie“
In Ennepetal bei Wuppertal hatte die Allianz einen Gebetsladen eingerichtet. Über die örtlichen Medien wurden die Bürger eingeladen, ihre Gebetsanliegen per E-Mail an die Allianz zu schicken oder in den Briefkasten des Ladens zu werfen. Zwar gingen auf diesem Weg nur zwei Anliegen ein, dennoch beteten im Laufe der Woche über 50 Personen aus den beteiligten Gemeinden der Allianz in dem Laden für die Belange der Stadt. Die Initiatoren des „G-Netz-Ladens“ zogen trotz der Zurückhaltung der Bürger, für sich beten zu lassen, eine positive Bilanz. „Die Atmosphäre war so gut, das wir in einem Abschlussgespräch genug feste Mitarbeiter fanden, um diesen Laden weiterhin mindestens einen Nachmittag die Woche weiter betreiben zu können“, sagte einer der Organisatoren, Thomas Vaupel. Mindestens bis Ende Juni soll der Gebetsladen bestehen.
Karlsruhe: 1.500 Besucher bei Eckstein-Predigt
Im Süden und Südwesten war der Besuch an vielen Orten merklich geringer als in den Vorjahren. Die Veranstalter führen dies auf die frostigen Temperaturen und eine Grippewelle zurück. Auch gelinge es nicht ausreichend, junge Christen für die Gebetswoche zu begeistern. Bei Auftritten prominenter Redner und an besonderen Veranstaltungsorten kamen jedoch mancherorts mehr als Besucher als im Vorjahr. So hörten in Karlsruhe rund 1.500 Teilnehmer eine Predigt des Tübinger Theologieprofessors Hans-Joachim Eckstein im Kongresszentrum. Auf reges Interesse stießen Gebetsrundfahrten mit der Straßenbahn in München, Nürnberg und Dresden. In Stuttgart war der Schlussgottesdienst verbunden mit Einführung des neuen Allianzvorsitzenden Christoph Haase (40). Der Architekt löst Bäckermeister Gerhard Lieb (77), der 15 Jahre lang das Allianz-Komitee leitete. Bei der Amtsübergabe sagte der frühere Allianzvorsitzende, Präses i.R. Peter Strauch (Wetter), Aufgabe von Allianzvorsitzenden sei es, das Volk Gottes zusammenzuführen. Im oberschwäbischen Ravensburg beteiligten sich auch zahlreiche Katholiken an der Gebetswoche. Die dortige Immanuel-Gemeinschaft ist Teil der örtlichen Allianz und wirkte bei der Gestaltung der Gebetstreffen mit.
Für junge Türken öffnen
In Berlin beteten Christen in mehr als 100 Veranstaltungen – von morgens früh vor Unterrichtsbeginn in der Freien Evangelischen Schule bis abends in den Gemeinden. Dabei ging es vielfach um das Verhältnis von Christen und jungen Menschen ausländischer Herkunft. So beteten die rund 250 Teilnehmer eines Jugendkonzerts für junge Türken in ihrem Stadtviertel und dafür, dass Gemeinden und Jugendgruppen sich für sie öffnen. Beim Abschlussgottesdienst in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche ermutigte Generalsuperintendent Ralf Meister (Berlin) die rund 300 Besucher in einem Grußwort, regelmäßig zu beten. Gebet könne eine Stadt verändern. In seiner Predigt sagte Pfarrer Axel Nehlsen vom Netzwerk „Gemeinsam für Berlin“, bei Gott gebe es keine hoffnungslosen Fälle. Leider vergäßen Christen das viel zu oft. Nehlsen fragte: Wie empfinden wir gegenüber offensichtlich unmoralisch Lebenden? Sehen wir sie als verlorenen Haufen, reif für Gottes Gericht - oder mit Potenzial für Gottes rettendes Eingreifen?“