28.04.2009

Kirchen über Scheitern von „Pro Reli“ enttäuscht

EKD-Ratsvorsitzender: Das Thema ist trotzdem nicht vom Tisch

Kirchen über Scheitern von „Pro Reli“ enttäuscht

EKD-Ratsvorsitzender: Das Thema ist trotzdem nicht vom Tisch

B e r l i n (idea) – Mit Enttäuschung haben führende Vertreter der Kirchen und der Evangelikalen auf das Scheitern des Volksentscheids „Pro Reli“ am 26. April in Berlin reagiert. Die beiden Koalitionsparteien – SPD und Linke – begrüßten das Ergebnis ebenso wie Bündnis 90/Die Grünen, während es CDU und FDP bedauerten. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis stimmten 48,5 Prozent der Teilnehmer dafür, dass Religion in den Klassen 7 bis 10 zum Wahlpflichtfach neben Ethik wird, 51,3 Prozent dagegen. 0,2 Prozent der Stimmen waren ungültig. Von den 2,45 Millionen Wahlberechtigten beteiligten sich 713.228 Berliner (29,2 Prozent). Damit votierten 14,2 Prozent aller Wahlberechtigten für den Gesetzentwurf von „Pro Reli“; 25 Prozent wären zum Erfolg nötig gewesen. Damit bleibt Ethik für Schüler ein Pflichtfach, während Religion nur zusätzlich gewählt werden kann. Der EKD-Ratsvorsitzende, Bischof Wolfgang Huber (Berlin), sagte in einem Interview mit der „Berliner Morgenpost“ zum Ausgang des Volksentscheids: „Zwar sind die beiden Lager fast gleich. Doch es ist anders als erwartet gekommen.“ Angesichts der Ablehnung von „Pro Reli“ vor allem im Osten Berlins ist Huber der Ansicht, dass „ein tiefer Riss durch die Stadt“ geht: „Man kann von einer Kluft sprechen.“ Es sei eine politische Aufgabe, dies nicht zu vertiefen. Zur Behauptung des Senats, dass das Fach Ethik mehr Werte vermittele als das Fach Religion, sagte der Bischof: „Das gilt es zu beweisen.“ Er plädierte für weitere Gespräche mit dem Senat. Das Thema sei nicht vom Tisch. Huber begrüßte zugleich, dass der Religionsunterricht durch den Volksentscheid wieder zum Thema in der Stadt geworden sei. Zugleich verwies er darauf, „dass es auch einmal andere politische Konstellationen“ in Berlin könnte.

Evangelische Allianz: Was jetzt nötig ist

Der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb (Stuttgart), nannte die Entscheidung ernüchternd. Nicht einmal die Mehrheit der Kirchenmitglieder habe für „Pro Reli“ gestimmt. In Berlin gehören rund eine Million Einwohner zu einer der beiden großen Kirchen (rund 30 Prozent der Bevölkerung). Laut Steeb scheint für die Mehrheit der Unterschied zwischen Ethik und Religion gar nicht so verschieden, dass sich dafür ein Engagement lohne. Er fordert angesichts des Ergebnisses auch kirchliche Konsequenzen: „Wir brauchen einen profilierten christlichen Religionsunterricht, der bildet, aber auch zum christlichen Glauben einlädt. Und es muss christlicher Glaube unterrichtet werden.“ Dazu gehörten auch Mission und eine biblisch begründete Ethik. „Viel zu oft wird der Religionsunterricht nur als schlichte Bildung und Immunisierung gegen den christlichen Glauben wahrgenommen“, so Steeb.

SPD, Linke und Grüne „kirchenfeindlich“

Der Vorsitzende der Konferenz Bekennender Gemeinschaften in den evangelischen Kirchen Deutschlands, Pastor Ulrich Rüß (Hamburg), übte scharfe Kritik an SPD, Linke und Bündnis 90/Die Grünen: „Parteien, die eine Wahlmöglichkeit zwischen dem Fach Ethik und Religion mit Steuermitteln und fragwürdigen Methoden verhindern wollen, offenbaren nicht nur ein gestörtes Verhältnis zur Freiheit, sondern auch ein unverhohlenes Maß an Religions- und Kirchenfeindlichkeit.“ Alle seien sich darüber einig, dass Jugendlichen in einer Zeit zunehmender Gewaltbereitschaft und Orientierungslosigkeit Werte vermittelt werden müssten: „Dass das dem Religionsunterricht besser gelingt als dem Ethikunterricht, ist empirisch erwiesen.“ Die bewusste Benachteiligung des Religionsunterrichts zeige darüber hinaus ein mangelhaftes Geschichts- und Kulturverständnis. Christen sollten diesen Hintergrund bei künftigen Wahlen berücksichtigen.

Zollitsch: Schmerzlicher Ausgang

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch (Freiburg), sprach von einem „schmerzlichen Ausgang“ der Abstimmung. Er appellierte an den Senat, gemeinsam mit der Initiative „Pro Reli“, den Kirchen, der Jüdischen Gemeinde und den muslimischen Verbänden nach einem Modell religiös-weltanschaulicher Bildung zu suchen, das Religionsfreiheit besser Rechnung trage und von einem breiten Konsens in der Gesellschaft getragen sei. Der Vorsitzende der Initiative „Pro Reli“, der Rechtsanwalt Christoph Lehmann, sagte trotz des Scheiterns: „Wir haben in dieser Stadt gemeinsam etwas bewegt und wir haben diese Stadt bewegt. Das kann uns keiner mehr nehmen.“

SPD nicht kompromissbereit

Der SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende, Michael Müller, reagierte distanziert auf Gesprächsangebote der Kirchen: „Es ist nicht die Zeit für Kompromisse. Der Volksentscheid war ein klares Zeichen für den Ethikunterricht.“ Der Landeschef der Berliner Linken, Klaus Lederer, ist der Meinung, dass der Volksentscheid den Kirchen geschadet habe. Sie hätten sich mit der Kampagne für „Pro Reli“ ins Aus gesetzt.