23.05.2008

Biblische Werte machen Christen zu gesellschaftlichen Außenseitern

Rund 12.000 Besucher bei 15 baden-württembergischen „Christustagen“

Biblische Werte machen Christen zu gesellschaftlichen Außenseitern

Rund 12.000 Besucher bei 15 baden-württembergischen „Christustagen“

 

S t u t t g a r t (idea) –Evangelikale sollten angesichts antichristlicher Widerstände zusammenrücken. Ebenso notwendig sei ein gemeinsames missionarisches Auftreten. Dazu haben Redner bei evangelischen Glaubenskonferenzen am 22. Mai in Baden-Württemberg aufgerufen. Sie appellierten an die insgesamt rund 12.000 Besucher von 15 regionalen Christustagen, an biblischen Werten festzuhalten, auch wenn sie dadurch zu Außenseitern würden. Die Proteste gegen das Jugendfestival Christival Anfang Mai in Bremen, bei dem mehrere Seminare gestört wurden und Flaschen gegen Teilnehmer flogen, hätten einen Eindruck von den zu erwartenden Auseinandersetzungen vermittelt, hieß es bei den Veranstaltungen der württembergischen Ludwig-Hofacker-Vereinigung und der Evangelischen Vereinigung für Bibel und Bekenntnis in Baden. Im vergangenen Jahr nahmen an 14 Regionalkonferenzen etwa 10.000 Menschen teil. In einem „Wort zur Lage“, das an den vier badischen Konferenzorten vorgetragen wurde, bezeichnete der Vorsitzende der badischen Vereinigung, Pfarrer Hermann Traub (Kraichtal bei Karlsruhe), die organisierten Gegendemonstrationen gegen das Christival als Novum in der neueren deutschen Kirchengeschichte. Das „aggressive Aufbäumen widergöttlicher Kräfte“ habe sich gegen alle gerichtet, die lebendige Christen sein wollen. Traub rief die bibeltreuen Gruppen zu mehr Geschlossenheit auf. Das konkurrierende Werben der Gemeinden um neue Mitglieder müsse ebenfalls beendet werden. Stattdessen sollten Christen ihre Überzeugungen verstärkt in die Öffentlichkeit tragen. So wie viele gesellschaftliche Missstände allgemein bekannt seien, etwa Wirtschaftskriminalität, Kindesmisshandlungen und Scheidungen, so müsse auch das Evangelium publikumswirksam verkündigt werden. „Wir könnten zum Ortsgespräch werden und ziehen uns in kleine Zirkel zurück“, bedauerte Traub. Die regelmäßigen Gottesdienste brauchten Ergänzungen durch überregionale Aktionen wie die nächste Evangelisation ProChrist, die vom 29. März bis 5. April 2009 aus Chemnitz bundesweit ausgestrahlt wird.

„Im Zeichen der Toleranz“ gegen Evangelikale

Auch der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb (Stuttgart), warnte vor einer Verharmlosung des gesellschaftlichen Gegenwindes. „Im Zeichen der Toleranz“ prangerten Medien einzelne Evangelikale, christliche Glaubenswerke und biblische Wahrheiten immer öfter als extremistisch an. In Österreich hätten Muslime mit scharfen Angriffen und Verleumdungen erreicht, dass ein Veranstalter die Islamwissenschaftlerin Prof. Christine Schirrmacher (Bonn) wieder ausgeladen habe.

Pietisten sind keine “Fundis“

Nach Ansicht des Vorsitzenden der Ludwig-Hofacker-Vereinigung, Dekan Ralf Albrecht (Nagold/Schwarzwald), ist es falsch, Pietisten als christliche Fundamentalisten zu bezeichnen. „Wir stehen für die Mitte der Kirche, zu der wir sie rufen“, sagte Albrecht bei der Ludwigsburger Regionalkonferenz. Dazu gehöre ein bedingungsloses Ja zur biblischen Aussage, dass Jesus Christus der einzige „Türöffner“ zu Gott sei, und ein ebenso eindeutiges Nein zu allen Versuchen, die Bibel zum Spielball menschlicher Meinungen zu machen. So wie Pietisten in der Vergangenheit durch Ehrlichkeit, Fleiß und soziales Unternehmertum die Gesellschaft geprägt hätten, wollten sie auch künftig ernstzunehmende Gesprächspartner für Wirtschaft und Politik sein. Eine Gleichheit „aller möglichen und unmöglichen Lebensentwürfe“ lehnte der Theologe ab. Gott habe beispielsweise seinen Segen nur auf das lebenslange Miteinander von Mann und Frau in der Ehe gelegt. Das „Modell Familie“, zu dem Kinder als Gottesgeschenk gehörten, müsse Vorrang vor anderen Lebensgemeinschaften haben.

Warnung vor „kultureller Demenz und moralischer Schwindsucht“

In Stuttgart und Leinfelden warnte der Fernsehmoderator Peter Hahne (Berlin), dass eine „kulturelle Demenz und moralische Schwindsucht“ die christlich-jüdischen Wurzeln der Gesellschaft immer mehr verdränge. Politik, Wissenschaft und Justiz verabschiedeten sich aus der abendländischen Tradition, wenn sie die im Grundgesetz festgeschriebene Prägekraft des Christentums zwar theoretisch anerkennen, sich jedoch im praktischen Alltag nicht dazu bekennen. Es sei „geradezu symbolisch“, dass die Hauptstadt des Reformationslandes Deutschland - Berlin - den Religionsunterricht „durch die Hintertür abschafft“ und dass der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof das muslimische Kopftuch mit christlicher Ordenstracht gleichsetzt und beides an Schulen verbietet. Ebenso fragwürdig sei es, dem Dalai Lama kritiklos-naiv zuzujubeln und gleichzeitig die „Alltagsreligion des Abendlandes“ zur Privatsache zu degradieren. „Ohne einen lebendigen Wertekanon, der öffentlich und offensiv verteidigt wird, ist der kulturelle Verfall programmiert“, so der Journalist, der auch Mitglied im Rat der EKD ist.

Jahr des Gottesdienstes

Die Präsidentin der württembergischen Landessynode, Christel Hausding (Langenau bei Ulm), verteidigte in Ulm das Projekt „Wachsende Kirche“ gegen den Vorwurf, dies sei ein Programm gegen schwindende Mitgliederzahlen. Dass immer weniger Menschen der Kirche angehörten, liege vor allem am Geburtenrückgang und weniger an Kirchenaustritten. Das Projekt solle vielmehr Enttäuschte und Skeptiker dem christlichen Glauben näher bringen, Kirchenferne in den Gemeinden beheimaten und Veranstaltungsbesucher zu Mitarbeitern am Reich Gottes machen. Frau Hausding befürwortet auch ein „Jahr des Gottesdienstes“, während dem sich die Gemeinden besonders auf die Gestaltung des Gottesdienstes konzentrieren. Gottesdienstbesucher sollten erfahren, dass sie in der Gemeinschaft mit Christen Gott begegnen und von ihm angesprochen werden.

„Mutter Teresa von Dresden“ als Vorbild

Bei allen Konferenzen befassten sich Theologen und Laien mit den Voraussetzungen für ein echtes Christsein. In Ludwigsburg ermutigte Prälat Ulrich Mack (Stuttgart) dazu, dem Heiligen Geist mehr prägende Kraft im Umgang mit Geld und in der Gestaltung von Alltagsbeziehungen zuzutrauen. Nach Ansicht des künftigen Leiters des Altpietistischen Gemeinschaftsverbandes, Pfarrer Steffen Kern (Tübingen), sind Christen überzeugend, „wenn sie sagen, was sie glauben, und tun, was sie sagen“. Ein Vorbild sei die auch „Mutter Teresa von Dresden“ genannte Sabine Ball, die „ohne Geld, ohne Konzept, ohne ein Netzwerk, ganz ohne Sicherheiten und nur mit Gottvertrauen“ eine Sozialarbeit unter Straßenkindern begann. Der langjährige Leiter der Hilfswerke „Hilfe für Brüder“ und „Christliche Fachkräfte International“, Pfarrer Winrich Scheffbuch (Stuttgart), mahnte in Reutlingen eine „innere Erneuerung“ an, damit das Handeln von Christen wieder mehr vom Glauben an Jesus Christus bestimmt werde. In der Vergangenheit habe dies zur Gründung von Liebeswerken und umwälzenden Veränderungen ganzer Völker und Kontinente geführt. Dem ehemaligen Vorsitzenden der Deutschen Evangelischen Allianz, Präses i.R. Peter Strauch (Wetter), zufolge ist der Wunsch nach einem echten Christsein vor allem eine Aufforderung zu einer ehrlichen innerevangelikalen Bestandsaufnahme. Christen sollten nicht nur Erwartungen an andere äußern, sondern auch eigene Pleiten und Pannen eingestehen, sagte Strauch im südwürttembergischen Weingarten.

Eine realistische Selbsteinschätzung ist nötig

Beim Jugend-Christustag in Stuttgart mahnte der Direktor des Theologischen Seminars der Liebenzeller Mission, Pfarrer Volker Gäckle, eine realistische Selbsteinschätzung an. Der christliche Glaube bewahre nicht automatisch vor Sucht, Beziehungskrisen oder dem Zerbruch einer Ehe. Der Entscheidung für den Glauben an Jesus Christus müsse ein „Leben mit Jesus Christus“ folgen, damit das Christsein echt bleibe.