20.12.2007

Vorfahrt für Evangelisation: Ohne Gott gehen Menschen ewig verloren

Studientag am Johanneum: Evangelisation und soziale Verantwortung gehören zusammen<br />

Vorfahrt für Evangelisation: Ohne Gott gehen Menschen ewig verloren

Studientag am Johanneum: Evangelisation und soziale Verantwortung gehören zusammen

W u p p e r t a l (idea/dea) – Zwar gehören Evangelisation - der Ruf zum Glauben an Jesus Christus – und soziale Verantwortung für Christen und die Kirche untrennbar zusammen, dennoch sollte mehr evangelisiert werden. Das wurde bei einem Studientag zum Thema „Die beiden Hände Christi – Perspektiven zu Evangelisation und sozialer Verantwortung“ am 20. Dezember an der Evangelistenschule Johanneum in Wuppertal gefordert. Nach Einschätzung des Leiters der Evangelisationsreihe ProChrist, Pfarrer Ulrich Parzany (Kassel), herrscht in Deutschland ein Ungleichgewicht zwischen beiden Bereichen. Die Diakonie habe etwa 450.000 Mitarbeiter, doch stehe ihnen eine schwindend geringe Anzahl von Evangelisten gegenüber. Auch die öffentliche Wahrnehmung sei gespalten. Wer sich sozial engagiere, werde akzeptiert und nicht selten sogar mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Wer dagegen zum Glauben rufe, komme mitunter in den Medien „auf die schwarze Liste fanatischer Christen“ und gehöre damit zu jenen, die man bekämpfen müsse. Evangelisation sei aber nötig, weil ohne den Ruf zur Umkehr zu Gott Menschen auf ewig verloren gingen. Parzany verglich die Kirche mit einem Vogel. Diakonie und Evangelisation seien seine beiden Flügel. Doch er frage sich, ob der Vogel heute überhaupt noch fliegen könne, weil es nach seiner Beobachtung „nur den einen Flügel der sozialen Verantwortung gibt“.

Pietisten brauchen keine Nachhilfestunden

Der Direktor des Johanneums, Burkhard Weber (Wuppertal), wies den vielfach vorgebrachten Vorwurf zurück, Pietisten oder Evangelikale kümmerten sich ausschließlich um das Seelenheil und stellten sich nicht ihrer sozialen Verantwortung. Ein Blick in die Geschichte zeige, dass gerade die Pietisten der Motor für gesellschaftliche Veränderungen gewesen seien. Dies werde nicht zuletzt das Wichernjahr 2008 zeigen. Der Theologe Johann Hinrich Wichern (1808-1881) gilt als Begründer der neuzeitlichen Diakonie. Er gründete 1833 in Hamburg das „Raue Haus“, eine Anstalt „zur Rettung verwahrloster und schwer erziehbarer Kinder“. Weber: „Pietisten brauchen keine Nachhilfestunde in sozialer Wahrnehmung und Ganzheitlichkeit.“ Neben dem Wichernjahr sei auch der 30. Jahrestag des Erscheinens des Buches „Die beiden Hände Christi“ Anlass für den Studientag.

Den Bedarf wecken

Zwei Mitautoren des Buchs, Pfarrer i.R. Jürgen Blunck (Essen) und Landeskirchenrat i.R. Klaus Teschner (Kaarst bei Düsseldorf), nahmen am Studientag teil. Blunck regte an, dass die Kirche mehr von der Wirtschaft lernen müsse. Die Wirtschaft produziere Waren und wecke zugleich auch den Bedarf danach. Ebenso müsse auch die Kirche den Bedarf wecken, dass die Menschen die Bibel lesen und in Kontakt mit Gott kommen wollen. Blunck warnte davor, hier die Messlatte zu niedrig zu hängen. Es könne nicht darum gehen, dass die Menschen allgemein religiöser werden, wie dies vor kurzem der Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung ergeben hatte: „Wir müssen die Menschen vielmehr zum lebendigen Christus rufen, so dass sie bis in die tiefsten Tiefen ergriffen werden.“ Teschner erinnerte an zentrale Schlüsselveranstaltungen der weltweiten evangelikalen Bewegung, unter anderem an die Evangelisationskonferenzen 1966 in Wheaton (US-Bundesstaat Illinois) und Berlin oder die Treffen der Lausanner Bewegung für Weltevangelisation 1974 in Lausanne (Schweiz) und 1989 in Manila (Philippinen). Dort hätten sich die Evangelikalen verpflichtet, der Evangelisation Priorität einzuräumen, zugleich aber auch die Notwendigkeit des sozialen Engagements unterstrichen, etwa den Kampf gegen Armut, Rassismus, Krieg und Zerstörung der Familie. Teschner rief dazu auf, weiter „wach“ zu bleiben. Evangelikale Christen dürften sich nicht auf die Evangelisation beschränken und sich einigeln. Zugleich forderte er, die theoretisch-theologische Diskussion über die soziale Verantwortung zu beenden. Gefragt seien nun praktische Beispiele.

Für eine Diakonie ohne Grenzen

Der Referent im Dienst für Mission, Ökumene und Entwicklung der württembergischen Landeskirche, Matthias Hiller (Stuttgart), unterstrich die Notwendigkeit einer „Diakonie ohne Grenzen“: Eine hinwendende Liebe, die allein auf die Lösung der Probleme vor Ort beschränkt sei, sei in Zeiten der Globalisierung unglaubwürdig: „Wir produzieren die Armut in Afrika.“ Wenn etwa, wie geschehen, die US-Regierung als Wahlkampfgeschenk die Produktion von Baumwolle subventioniere, würden in Westafrika 180.000 Baumwoll-Bauern arbeitslos, weil sie ihre Ware auf dem Weltmarkt nicht mehr absetzen könnten. Es reiche nicht aus, wenn Kirchengemeinden fair gehandelten Kaffee ausschenken. Nötig sei vielmehr eine globale Dimension für das Reden und Handeln der Kirche. Ähnlich äußerte sich der Leiter des Essener Jugendzentrums Weigle-Haus, Rolf Zwick, in dieser Woche neu gewählter Vorsitzender der von der Deutschen Evangelischen Allianz getragenen Micha-Initiative. Er rief dazu auf, dass sich die Kirchengemeinden stärker hinter die Anliegen der Micha-Initiative stellen. In ihr haben sich Christen zusammengeschlossen, die sich dafür engagieren, die Millenniumsziele der Vereinten Nationen durchzusetzen, etwa extreme Armut und Hunger bis 2015 zu halbieren, die Kindersterblichkeit um drei Viertel zu reduzieren und die Verbreitung von Aids zu stoppen. Neben der politischen Lobbyarbeit sei es nötig, dass Christen für diese Ziele auch beten, meinte Zwick. Der Studientag zählte rund 100 Teilnehmer, darunter neben den Studierenden des Johanneums auch die der missionarisch-diakonischen Ausbildungsstätte Malche (Porta Westfalica bei Minden).