20.04.2007
Christen sind am häufigsten Opfer von Verfolgung
Von Till-Reimer Stoldt, WELT ONLINE<br />
Ob in Vietnam Pfarrer wegen "Aberglaubens" in die Psychiatrie eingewiesen werden, ob Islamisten in Indonesien Kirchen abbrennen oder ob - wie in der Türkei - drei vermeintlich missionarischen Christen die Kehle durchgeschnitten wird: Christen sind weltweit die meistverfolgte Glaubensgemeinschaft.
Zu diesem Ergebnis kommen das Internationale Institut für Religionsfreiheit und die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM). Ihnen zufolge sind rund 75 Prozent aller religiös Verfolgten auf der Welt Christen, bei den aus religiösen Gründen Ermordeten sind es rund 80 Prozent. Diese Schätzung basiert auf der Materialauswertung für die Jahrbücher der Christenverfolgung, die von IGFM und Institut für Religionsfreiheit herausgegeben werden. Als Gründe der hohen Verfolgungsrate benennt Institutsdirektor Thomas Schirrmacher vor allem drei Faktoren: Erstens stellten Christen mit 2,1 Milliarden Anhängern die größte Weltreligion und knapp ein Drittel der Weltbevölkerung.
Zweitens gebe es ein "phänomenales Wachstum“ der Religion Christi außerhalb Europas. So habe sich die Christenheit in Asien und Afrika seit 1970 verdreifacht. Und dieses „Voranpreschen“ provoziere gewaltsame Abwehrreaktionen. Ursächlich für das Wachstum sind nicht die katholischen oder orthodoxen Kirchen, sie verzichten gerade im Orient auf Missionsarbeit, um ihre Duldung durch die muslimische Mehrheit nicht zu gefährden. Für den christlichen Glauben werben meist nur freikirchliche Gemeinden, die sich meist durch großen Glaubensernst und Opferbereitschaft auszeichnen. Die Zahl aktiver freikirchlicher Missionare schätzt Experte Schirrmacher weltweit auf über 400.000. Zumal in der muslimischen Welt wird diesen Gläubigen und ihren Gemeinden oft unterstellt, sie würden von der CIA finanziert und als Agenten der USA arbeiten.
Schlagworte Religion Christentum Verfolgung Nationalismus Missionare
Auch die jüngst in der Türkei ermordeten Christen berichteten seit Monaten von solchen Vorwürfen. Tatsächlich sind diese Unterstellungen absurd. Gerade türkische Christen betonen aus Angst, als CIA-Agenten zu gelten, ihre türkische Identität und ihre Distanz zu den USA. Als dritten Grund für die hohe Zahl verfolgter Christen verweist Schirrmacher auf einen derzeit gerade in nichtchristlichen Weltregionen grassierenden Nationalismus. Der gehe meist mit dem "gefährlichen Traum von völkischer Homogenität“ einher. Diesem Ideal totaler Einheitlichkeit widerspreche religiöser Pluralismus und das Werben religiöser Minderheiten. Und da Christen in den betroffenen Regionen meist Minderheiten seien, gelte vor allem ihnen der Zorn der Nationalisten.