26.08.2002

"Islam" - Was geht uns das an?

Heute ist das Thema Islam in aller Munde. Die politischen Ereignisse des vergangenen Jahres haben den Islam nochmals ganz neu in unser Bewusstsein gerückt und viele Menschen erschreckt und schockiert. Aber auch vor dem 11. September 2001 gab es eigentlich genug Grund, sich mit dem Thema Islam zu beschäftigen: Seit 40 Jahren leben Muslime in Deutschland. Heute sind es durch Familiennachzug, Flüchtlingsströme und Geburtenzuwachs 3,3 Mio. Menschen geworden; davon sind über 2 Mio. Menschen türkischer Herkunft. Die meisten von ihnen – Kinder und Enkel der in den 60er Jahren angeworbenen „Gastarbeiter“generation - werden wohl für immer in Deutschland bleiben, denn ihr Herkunftsland ist längst nicht mehr ihre Heimat.

Überhaupt stellt sich die Frage, wo diese entwurzelten Menschen wirklich zu Hause sind: Die deutsche Gesellschaft nimmt sie weiter als „Türken“ (oder „Araber“, „Perser“, „Kurden“ usw.) wahr, auch wenn sie längst die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Besuchen sie in den Ferien ihre Familien, gelten sie dort als die „Deutschländer“, als die, die auch nicht mehr richtig dazu gehören. Wo ist diese 2. und 3. Generation der ausländischen Arbeitskräfte wirklich zu Hause, wo werden sie akzeptiert? Oft sind diese Menschen zwischen zwei Kulturen zerrissen. Sie ziehen sich in ihr eigenes Umfeld zurück, und die Parallelgesellschaft entsteht.

Im Großen und Ganzen hat die Gemeinde Jesu die „Herausforderung Islam“ noch nicht zu ihrem Herzensanliegen gemacht. Sicher, es gibt einige Gemeinden, die ihre Gemeinderäume für Bibelkreise und Gottesdienste ausländischer Gruppen öffnen. Es gibt hier und da ein, zwei türkische oder persische Konvertiten in einer deutschen Gemeinde. Andere haben Missionare in den Nahen Osten entsandt. Aber hat die Gemeinde Jesu als ganze schon begriffen, welch ungeheuren Chancen uns hier in Deutschland mit 3,3 Mio. Muslimen geradezu vor die Füße geworfen wurden?

In den vergangenen 1.400 Jahren – solange, wie es den Islam gibt – hat es niemals eine vergleichbare Situation gegeben: Wer sich zum Missionar im Nahen oder Mittleren Osten berufen wusste, musste sich viele Jahre lang auf diesen Dienst vorbereiten: ein theologisches Studium absolvieren, sich bei einer Missionsgesellschaft bewerben, ein intensives Sprach- und Kulturstudium betreiben, übersiedeln und sich dann in ein neues Klima, eine fremde Kultur und Sprache einleben. Der fruchtbare Dienst begann oft nach mehreren Jahren Eingewöhnungszeit. Heute aber kann auch der ein Missionar werden, dem diese Möglichkeiten nicht offen stehen.

Zwar machen die neuen Möglichkeiten in Deutschland den Dienst im Ausland nicht überflüssig. Diese Arbeit ist nach wie vor dringend nötig. Es ist auch ermutigend zu sehen, dass sich heute in der islamischen Welt mehr Menschen für das Evangelium interessieren als je zuvor und die Gemeinden der Konvertiten beständig wachsen. Aber ein Dienst im Ausland ist nicht mehr die einzige Möglichkeit, die es gibt, um Muslimen das Evangelium zu bringen: Einem Nachbarn zu Weihnachten einen christlichen Abreißkalender in seiner Sprache zu schenken, zum Ende des Fastenmonats Ramadan einen Kuchen zu backen und eine Kassette auf Türkisch oder Arabisch beizulegen, ein Asylbewerberheim mit Traktaten zu besuchen, einem muslimischen Mitschüler Ihrer Kinder Nachhilfeunterricht zu geben oder in einem Gefängnis Neue Testamente anzubieten, sind nur einige Möglichkeiten, die sich anbieten. Wer sich dazu nicht in der Lage sieht, kann auch sein Portmonee öffnen und einen Mitarbeiter unterstützen, der hier in Deutschland Muslime mit dem Evangelium bekannt macht. Gerade in Deutschland hat die missionarische Arbeit unter Muslimen mit Existenzsorgen zu kämpfen, da sie oft nicht als „richtige“ Mission betrachtet wird. Das Land der Reformation ist aber längst Missionsland geworden, und das nicht erst, seitdem Muslime hier leben.

Wenn wir die gewaltige Herausforderung von über 3 Mio. Muslimen einigen wenigen vollzeitlichen „Spezialisten“ überlassen, werden wir sie nicht bewältigen. Dann wird es auch in 20, 30 und 50 Jahren in Istanbul jene Taxifahrer geben, die zwar fließend deutsch sprechen, weil sie 25 Jahre in Deutschland gelebt und gearbeitet, dort aber nie einen überzeugten Christen kennen gelernt haben. Weil in vielen islamischen Ländern Christen verfolgt werden, weil es keine Bibel öffentlich zu kaufen gibt und ein Gespräch mit einem Pastor schon verdächtig ist, hätten die meisten Muslime, die nun in Deutschland leben, nach menschlichem Ermessen zu Hause nie die Botschaft des Evangeliums gehört. Dürfen wir sie ihnen wirklich schuldig bleiben?

Auch das Gebet ist ein wichtiger Dienst, um Muslimen das Evangelium zu bringen, vielleicht der wichtigste überhaupt. Ganz konkret können Sie für Muslime im In- und Ausland mit dem Gebetsheft „30 Tage Gebet für die islamische Welt“ beten, das jedes Jahr neu zum Fastenmonat Ramadan erscheint. Ab 1. September 2002 können Sie es in der Geschäfts- und Versandstelle der Deutschen Evangelischen Allianz in Bad Blankenburg bestellen. Es enthält viele spannende Informationen über Muslime hier und in der ganzen Welt. Der lebendige Gott möchte ihnen heute begegnen – beten Sie mit!

Bezugsadresse Evangelisches Allianzhaus Bad Blankenburg, Esplanade 5 - 10 a, 07422 Bad Blankenburg, Tel.: 03 67 41 / 21 - 0, Fax: 03 67 41 / 21 – 2 00, email: versandstelle@ead.de

Dr. Christine Schirrmacher, Islamwissenschaftlerin, leitet das Institut für Islamfragen der Lausanner Bewegung Deutschland und ist die verantwortliche Redakteurin des „30 Tage Gebet für die islamische Welt“.