23.04.2001

Alternative: Palliativmediziner halten die Euthanasie als Methode zur Beendigung schwerster Leiden fuer verzichtbar

Bonn/Stuttgart (ALfA). Todkranke Patienten muessten nach Ansicht von Eberhard Klaschnik, Praesident der Deutschen Gesellschaft fuer Palliativmedizin, nicht leiden, wenn es genuegend spezialisierte Plaetze in den deutschen Kliniken gaebe. Wie das Nachrichtenmagazin "Focus" in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, glaubt der Schmerzexperte der Universitaet Bonn, dass ein Grossteil der Bevoelkerung - ja nach Umfrage zwischen 60 und 80 Prozent - fuer die aktive Sterbehilfe ist, weil sie "Angst vor Leiden, Angst vor Entwuerdigung und Angst vor der Einsamkeit beim Sterben hat". "Noetig waeren diese Aengste nicht", sagte Klaschnik dem Magazin, da das Leiden etwa von Krebspatienten mit Hilfe neuer Schmerztherapien deutlich verringert werden koenne.

Das eigentliche Problem sei vielmehr die viel zu geringe Anzahl von Palliativbetten fuer todkranke Patienten in deutschen Kliniken. Waehrend in Grossbritannien 50 Palliativbetten auf eine Million Einwohner kaeme, liege die Zahl in Berlin bei 19,9; Schlusslichter seien Bayern (6,4), Thueringen (4,9) und Baden-Wuerttemberg (3,1). Eine angemessene Versorgung der Palliativ-Patienten wuerde die Krankenkassen nach neuesten Schaetzungen etwa 600 bis 700 Millionen Mark pro Jahr kosten.

Aehnlich aeusserte sich auch der Arzt und Leiter des renommierten Hospiz Stuttgart, Prof. Dr. Christoph Student. Dass Menschen in kritischen Lebenslagen mit Selbsttoetungswuenschen reagierten, sei normal, betonte Student. Die Frage sei allerdings, wie mit solchen Wuenschen respektvoll umgegangen werden koenne. Euthanasie sei hier gewiss keine Loesung, erklaerte der Mediziner. Aufgabe des Arztes sei es vielmehr, in solchen Situationen die Not hinter dem Toetungswunsch sensibel wahrzunehmen und ernst zu nehmen. Nach seinen langen Erfahrungen als Palliativmediziner stuenden hinter den Selbsttoetungswuenschen schwerkranker Menschen in der Regel die Angst vor unertraeglichem Leiden und dem Verlust der eigenen Wuerde. "Dies ist verstaendlich", erlaeuterte Student. "Wir verfuegen aber heute in der Medizin ueber weit bessere, sanftere und menschenwuerdigere Handlungskonzepte als der Euthanasie, um dem zu begegnen. Mit ihnen kann jedem Schwerkranken ein wuerdevolles Ende gesichert werden. Allerdings, so fuegte Student kritisch hinzu, "muessen wir diese Methoden auch einsetzen!" Denn auch Deutschland sei aehnlich wie die Niederlande in Sachen Schmerztherapie im europaeischen Vergleich noch immer Entwicklungsland.

Zugleich bat Student die engagierte deutsche Justizministerin Herta Daeubler Gmelin, gemeinsam mit der Gesundheitsministerin das naechste deutsch-franzoesische Treffen auch dazu zu nutzen, um von den franzoesischen Erfolgsmethoden zu profitieren: dort habe man "in Zusammenarbeit mit der Aerzteschaft" mit recht einfachen rechtlichen und administrativen Methoden erreicht, dass Frankreich mittlerweile "in der Spitzenliga der EU-Laender in Sachen Schmerztherapie" mitspielen koenne.

Im uebrigen wies Student darauf hin, dass es heute schon hinreichende rechtliche Moeglichkeiten in der Bundesrepublik gibt, um die juristische Sicherung eines wuerdigen Lebensendes zu ermoeglichen.

Der Oberarzt des Zentrums fuer Palliativmedizin am Malteser-Krankenhaus in Bonn, Friedemann Nauck sagte gegenueber dem Magazin "Der Spiegel" (Ausgabe vom 14.04.): "Unertraegliche Schmerzen muss heute niemand mehr haben". Mit individuell dosierten Morphinen, regionale Nervenblockaden oder niedrig dosierten Chemotherapien liessen sich heute auch extreme Schmerzen in den Griff bekommen.