14.09.2020
Sudan: Geplante Verfassung sieht Trennung von Staat und Religion vor
Islam soll nicht länger wie eine Staatsreligion behandelt werden
Addis Abeba (idea) – Obwohl der Sudan offiziell keine Staatsreligion hat, wurde der Islam unter dem im April 2019 gestürzten Präsidenten Omar al-Bashir rund 30 Jahre lang faktisch so behandelt. Das soll sich nun ändern: In der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba haben der sudanesische Premierminister der Übergangsregierung, Abdalla Hamdok, und der Anführer der Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung Nord (SPLM-N), Abdel-Aziz Adam al-Hilu, vereinbart, dass die künftige Verfassung auf eine Trennung von Staat und Religion gegründet sein soll. In einer gemeinsam unterzeichneten Absichtserklärung heißt es, der Sudan sei eine „multiethnische, multireligiöse und multikulturelle Gesellschaft“. Der Staat solle „keine offizielle Religion einführen. Kein Bürger darf aufgrund seiner Religion diskriminiert werden.“
Friedensabkommen soll 17 Jahre Bürgerkrieg beenden
Die neue Absichtserklärung folgt nur wenige Tage auf ein ähnliches Protokoll im Zuge eines Friedensabkommens zwischen der sudanesischen Übergangsregierung und der Sudanesischen Revolutionären Front – einem Bündnis mehrerer Rebellengruppen – am 31. August in der südsudanesischen Hauptstadt Juba. Es soll den seit 17 Jahren herrschenden Bürgerkrieg in der westsudanesischen Region Darfur beenden. Dabei unterzeichneten der Vizepräsident der sudanesischen Übergangsregierung, Mohamed Hamdan Dagalo, und Rebellenführer mehrere vorläufige Protokolle. Sie regeln unter anderem die künftige Aufteilung der Macht, die Rückkehr von Flüchtlingen in ihre Heimat, den Umgang mit begangenen Verbrechen während des Bürgerkriegs und das Thema Landbesitz. Außerdem sollen Rebellengruppen aufgelöst und deren Anhänger Teil der nationalen Streitkräfte werden. In den Protokollen ist auch die Einsetzung einer Kommission für Religionsfreiheit vorgesehen, die die Rechte der christlichen Gemeinschaften in den südlichen Regionen des Sudan garantiert. Einige Rebellenfraktionen waren bei der Unterzeichnung jedoch nicht anwesend. Deshalb unterzeichnete Hamdok nun das gesonderte Abkommen mit SPLM-N-Führer al-Hilu in Addis Abeba. Es ist nicht der erste Friedensschluss dieser Art: Bereits 2006 und 2010 waren ähnliche Verträge geschlossen worden, die sich jedoch als brüchig erwiesen.
Open Doors: Kircheneigentum noch immer nicht zurückgegeben
Das überkonfessionelle Hilfswerk Open Doors in Deutschland (Kelkheim bei Frankfurt) begrüßte diesen historischen Schritt, betonte aber, dass nun Taten folgen müssten. Wie dessen Pressesprecher Ado Greve der Evangelischen Nachrichtenagentur idea (Wetzlar) erklärte, lässt diese Entwicklung darauf hoffen, dass die Christen im Sudan zukünftig ihren Glauben frei und offen leben könnten. Das Land habe bereits wichtige Schritte hin zur Religionsfreiheit gemacht, etwa in der Abschaffung der Todesstrafe für die Abkehr vom Islam im Juli 2020. Doch noch immer warteten die Kirchen auf die Rückgabe ihres Eigentums. Eine Gruppe sudanesischer Nicht-Regierungsorganisationen habe kritisiert, dass die bislang eingebrachten Gesetzesänderungen in vielen Fällen nicht weit genug gingen und „fast alle militanten salafistischen Prinzipien innerhalb der Politik und der Gesetze aus früheren Perioden der Geschichte des Sudan aufrechterhalten“. Entscheidend werde sein, ob es der jetzigen Regierung gelingt, die eingeleiteten Reformen umzusetzen und auf weitere Bereiche auszudehnen, so Greve. Nur dann könnten Christen und andere religiöse Minderheiten künftig unbehelligt ihren Glauben leben: „Die Christen in Europa und den USA sollten die Einhaltung der Menschenrechte im Land und insbesondere die freie Religionsausübung für ihre Glaubensgeschwister im Blick behalten und für sie beten.“
US-Kommission: Noch ein weiter Weg für Religionsfreiheit
Auch die US-Kommission für Internationale Religionsfreiheit sieht noch massiven Handlungsbedarf. In einem am 4. September veröffentlichten Papier lobte die Behörde „die beachtlichen Fortschritte der Übergangsregierung“. Trotzdem bleibe noch viel zu tun, um die Religionsfreiheit für alle Sudanesen zu gewährleisten. Neben der noch nicht erfolgten Rückgabe der konfiszierten Kirchen sei ein weiterer entscheidender Schritt, das Blasphemiegesetz vollständig aufzuheben: Zwar sei das alte Apostasie-Gesetz durch eine Bestimmung ersetzt worden, die es verbietet, eine Gruppe von Personen als „Ungläubige“ zu bezeichnen, aber Gotteslästerung sei nach wie vor unter Strafe gestellt und könne mit bis zu sechs Monaten Gefängnis bestraft werden.Von den über 43 Millionen Einwohnern des Sudan sind 97 Prozent Muslime und drei Prozent Christen.